Hohe Anzahl an Abmahnungen zeigt häufigen Rechtsmissbrauch

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Umfangreiche Abmahntätigkeit und Rechtsmissbrauch: Vertiefte Analyse zum Urteil des OLG Frankfurt am Main (Az.: 6 U 210/19)

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte sich im Jahr 2020 mit der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gemäß § 8c UWG zu befassen. Streitgegenstand war die Frage, ob eine flächendeckende Abmahntätigkeit mit jährlich mehr als 240 ausgesprochenen Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist. Die folgenden Ausführungen stellen die wesentlichen rechtlichen Grundlagen, die Entscheidungsgründe und die Konsequenzen für die Durchsetzung von Ansprüchen aus Wettbewerbsverstößen einer vertieften Betrachtung unter Berücksichtigung des Leiturteils des OLG Frankfurt am Main und der fortentwickelten Rechtsprechung dar.

Maßgebliche rechtliche Rahmenbedingungen

Anforderungen an die Aktivlegitimation und Abmahnbefugnis

Die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche setzt voraus, dass dem Anspruchsteller die erforderliche Aktivlegitimation zukommt und keine Umstände vorliegen, die den Zweck der Rechtsverfolgung als missbräuchlich erscheinen lassen. Nach § 8c Abs. 1 UWG ist die Inanspruchnahme unlauter, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Verletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen.

Erheblich ist dabei eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere Anzahl, Intensität und Motivation der Abmahntätigkeit zu berücksichtigen sind.

Systematischer Hintergrund: Missbrauchsverbot im Wettbewerbsrecht

Der gesetzgeberische Zweck des Missbrauchsverbots liegt darin, eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Wettbewerbsschutzes zum Zwecke sachfremder Ziele und insbesondere zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen zu verhindern. Die Schwelle zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs ist nicht starr definiert, sondern erfordert eine sorgfältige Abwägung objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale.

Entscheidungsgründe und Abwägung im Fall des OLG Frankfurt am Main

Umfang der ausgesprochenen Abmahnungen als Indiz

Im konkreten Fall wurde durch die Klägerin eine bemerkenswert hohe Zahl von mehr als 240 Abmahnungen pro Jahr nachgewiesen. Das Gericht sah hierin ein gewichtiges Indiz dafür, dass das eigentliche Ziel der Abmahntätigkeit nicht primär in der Förderung des lauteren Wettbewerbs, sondern in der Generierung abmahnungsbezogener Einnahmen lag.

Dabei würdigte das OLG insbesondere, dass eine derart ausgeprägte andauernde Abmahntätigkeit die Gefahr begründet, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen nicht mehr im Sinne des Rechtsgüterschutzes erfolgt, sondern zu einem eigenständigen Geschäftsmodell wird.

Verhältnismäßigkeit zwischen Umfang des eigenen Geschäftsbetriebs und Abmahntätigkeit

Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt der richterlichen Bewertung war das Missverhältnis zwischen dem eigenen geschäftlichen Tätigkeitsumfang der Klägerin und dem Umfang der ausgesprochenen Abmahnungen. Das Gericht stellte fest, dass die Anzahl der Abmahnungen den Rahmen einer üblichen Marktbeobachtung und -pflege erheblich überschreitet, zumal keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine überragend starke Marktstellung der Klägerin bestanden.

Die Abmahntätigkeit gewann damit nach Auffassung des Senats ein solches Eigengewicht, dass diese als Selbstzweck einzustufen war – im Widerspruch zur vom Gesetz geforderten Lauterkeit.

Struktur und Motivation der Abmahndurchführung

Zur Einschätzung eines missbräuchlichen Vorgehens ist weiter zu prüfen, inwiefern ein strukturiertes, umfassend auf Abmahnungen ausgerichtetes Vorgehen vorliegt, welches insbesondere auf die Erzielung von Gebührenersatz oder Vertragsstrafen abzielt. Die vom OLG Frankfurt festgestellten, systematisch auf Abmahnungen ausgerichteten Verfahrensweisen – von der Dokumentation bis zu standardisierten Vorgehen – stützten die Annahme eines Missbrauchs.

Das Gericht untersuchte darüber hinaus die Beziehungen zwischen Anspruchssteller, Verfahrensbevollmächtigten und weiteren Akteuren, bestätigte jedoch, dass vor allem die Anzahl und Intensität der Abmahntätigkeit zum entscheidenden Missbrauchsmerkmal wurden.

Folgen und Praxisimplikationen des Urteils

Auswirkungen auf Anspruchsbefugnis und Anspruchsdurchsetzung

Das Urteil verdeutlicht, dass eine außergewöhnlich umfangreiche, für den Anspruchsteller wirtschaftlich bedeutsame Abmahntätigkeit nicht mit dem Schutzzweck des § 8 UWG vereinbar ist und zum Verlust der Anspruchsbefugnis für die Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche führen kann.

Das Gericht führte explizit aus, dass sich ein solcher Missbrauch nicht bereits aus der reinen Zahl der Abmahnungen ableiten lässt; vielmehr müssen ergänzende Umstände hinzutreten, wie sie vorliegend in der Gesamtbetrachtung festgestellt wurden.

Bedeutung für Marktteilnehmer und potentiell Abgemahnte

Marktteilnehmer werden durch das Urteil bestärkt, im Falle massenhafter Abmahnungen die Motivation und Rechtmäßigkeit der Anspruchsausübung mit Blick auf § 8c UWG kritisch zu hinterfragen. Im Ergebnis kann eine rechtsmissbräuchliche Praxis nicht nur zur Unbegründetheit des Unterlassungsanspruchs führen, sondern auch kostenrechtliche Konsequenzen für den Anspruchsteller nach sich ziehen.

Unklarheiten bei laufenden Verfahren

Es ist zu beachten, dass die Frage der Unzulässigkeit von Abmahnungen und etwaige Schlussfolgerungen über rechtsmissbräuchliches Verhalten stets einer Einzelfallprüfung unterliegen. Für laufende Verfahren gelten die Grundsätze der Unschuldsvermutung. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (Az.: 6 U 210/19) ist abrufbar unter: urteile.news.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main markiert eine klare Konturierung der Missbrauchsgrenze bei Massenabmahnungen im Wettbewerbsrecht. Unternehmen, Investoren und weitere wirtschaftlich tätige Personen sind gut beraten, die Zulässigkeit der Rechtsverfolgung bei einer außergewöhnlichen Quantität an Abmahnungen sorgfältig in den Blick zu nehmen. Bei komplexen rechtlichen Fragestellungen zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, dem Missbrauchsverbot und allen Aspekten des Handelsrechts können vertiefende rechtliche Analysen einen entscheidenden Unterschied machen. Nutzen Sie bei Interesse an weitergehenden Informationen oder einer diskreten und lösungsorientierten rechtlichen Würdigung gerne unsere Rechtsberatung im Handelsrecht.

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