Haftung des Wohnungseigentümers bei Unfall auf Gemeinschaftsweg

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Haftungsgrundlagen für Vermieter im Rahmen von Gemeinschaftseigentum

Die jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11. Juni 2024 – VIII ZR 250/23) befasst sich mit den haftungsrechtlichen Konsequenzen für Vermieter einer Eigentumswohnung, wenn sich ein Unfall – konkret ein Sturz auf einem gemeinschaftlich genutzten Weg – ereignet. Dieser Beschluss hebt die Bedeutung der Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten im Kontext der Vermietung von Teileigentum hervor und verdeutlicht die Reichweite der sogenannten Gebrauchserhaltungs- und Schutzpflichten gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er richtet sich auch an vermögende Privatpersonen, institutionelle Investoren und Immobiliengesellschaften, welche für beide Perspektiven – Vermieter- und Mieterseite – präventive und strategische Rückschlüsse ziehen können.

Abgrenzung zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum

Die Besonderheit eigentumswohnungsrechtlicher Mandate resultiert regelmäßig aus der Trennung von Sondereigentum am jeweiligen Wohnungsbestandteil und dem gemeinschaftlichen Eigentum an Zuwegungen, Außenanlagen, Aufzügen und sonstigen gemeinschaftlich genutzten Flächen. Diese Aufspaltung der Eigentümersphäre wirkt sich maßgeblich auf die Verantwortungsbereiche im Rahmen mietvertraglicher Relationen aus:

Zugangswege als Teil des Gebrauchs der Mietsache

Nach ständiger Rechtsprechung umfasst das vertragliche Gewähren der Mietsache nicht nur den eigentlichen Wohnraum, sondern auch die Möglichkeiten zu dessen Erreichen und Nutzung. Der Zugang zu einem gemieteten Objekt zählt mithin integrativ zum Gebrauch durch den Mieter. Ist dieser Zugang – beispielsweise in Form eines nicht oder nicht ausreichend geräumten bzw. gestreuten Gehwegs – mit Gefahren verbunden und stürzt in der Folge ein Mieter, stehen Fragen zur Haftungszurechnung im Raum.

Verkehrssicherungspflicht und deren Übertragung

Reichweite der Pflichtenkreise

Zentral für die Entscheidung des BGH war die Einordnung, ob und inwieweit die Pflicht, gemeinschaftliche Gebäude- und Grundstücksteile in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten, auf den Sondereigentümer und dessen mietvertragliche Beziehung zum Mieter durchschlägt. Entscheidend ist dabei, dass nach der Konzeption des § 535 BGB nicht zwingend die unmittelbare Verfügungsgewalt des Vermieters ausreichend ist, sondern bereits die tatsächliche Möglichkeit, auf die sichere Benutzbarkeit Einfluss zu nehmen – etwa über die Wohnungseigentümergemeinschaft und die Verwaltung.

Übernahme und Organisation der Verkehrssicherung im Gemeinschaftseigentum

Es ist gängige Praxis, dass Wohnungseigentümer im Rahmen der Gemeinschaftsordnung sowie Beschlüssen im Sinne des WEG die Verkehrssicherungspflicht für gemeinschaftliche Flächen auf einen Verwalter delegieren. Diese interne Aufgabenzuweisung vermag jedoch grundsätzlich nichts an der mietvertraglichen Verantwortlichkeit des vermietenden Wohnungseigentümers gegenüber seinem Mieter zu ändern. Vielmehr bleibt Letzterer verpflichtet, auf eine ordnungsgemäße Sicherung (zum Beispiel Winterdienst, Streumaßnahmen, Reinigung) hinzuwirken.

Entwicklung in der höchstrichterlichen Judikatur

Tradition und Kehrtwende im Haftungsregime

Bislang war in der Instanzrechtsprechung größtenteils anerkannt, dass Vermieter einer Eigentumswohnung für die Verkehrssicherheit von gemeinschaftlichen Flächen zumindest dann verantwortlich sind, wenn und soweit der Mieter diese bestimmungsgemäß nutzt. Der BGH hat nun klargestellt, dass die Vermieterhaftung auch unabhängig von einer unmittelbaren organisatorischen Einflussmöglichkeit besteht. Es käme insbesondere nicht darauf an, ob der Sondereigentümer selbst für das Gemeinschaftseigentum verantwortlich ist oder Zugriff auf das tatsächliche Geschehen hat.

Folgen für die Vertragsparteien und die Haftung nach § 536a BGB

Erleidet ein Mieter durch eine unterlassene Verkehrs­ sicherung auf gemeinschaftlichen Wegen einen Schaden, so kann der vermietende Wohnungseigentümer unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „vertraglichen Pflichtenverletzung” haftbar gemacht werden; dies umfasst insbesondere Schadensersatzansprüche aus § 536a BGB. Daran vermögen auch haftungsentlastende Regelungen im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer nichts zu ändern.

Praktische Implikationen für Investoren und unternehmerische Akteure

Bedeutung für Immobilienportfolios und Asset Management

Das Urteil hat erhebliche Implikationen für Asset Manager, Fonds-Gesellschaften und institutionelle Vermieter: Die Sorgfaltspflicht, die Integrität und Sicherheit der gemeinschaftlichen Liegenschaftsteile zu überwachen und sicherzustellen, ist zentraler Baustein des Asset Managements und kann nicht durch interne Verwalterstrukturen ausgehebelt werden. Hieraus folgt ein gesteigertes Überwachungs- und Kontrollregime, um das Haftungsrisiko im Portfolio zu minimieren.

Komplexität der Haftungsenthaftung und Risikoverlagerung

In der Praxis werden Verantwortlichkeiten für die Verkehrssicherungspflicht oft per Vertrag, Hausordnung oder Gemeinschaftsbeschluss verteilt. Das Urteil verdeutlicht jedoch, dass bestehende Vereinbarungen eine Haftungsdurchbrechung gegenüber dem Mieter weder verhindern noch einschränken. Die Möglichkeit, im Falle eines Schadenseintritts Regress bei der Eigentümergemeinschaft oder deren Verwalter zu nehmen, ist von den jeweiligen schuldrechtlichen und haftungsrechtlichen Parametern abhängig und bedarf einer präzisen, kontextbezogenen Bewertung.

Ausblick und Zusammenfassung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs manifestiert einen Paradigmenwechsel im Haftungsverständnis für Vermieter von Eigentumswohnungen und sensibilisiert Unternehmen, Investoren und private Vermögensinhaber gleichermaßen für die erhöhten Anforderungen an die Organisation und Überwachung von Verkehrssicherungspflichten. Im Mittelpunkt steht die Notwendigkeit, interne Abläufe und Verantwortlichkeitsstrukturen im Immobilienmanagement zu überprüfen und fortwährend weiterzuentwickeln, um den ausgeweiteten Haftungsmaßstäben zu genügen.

In komplexen Konstellationen, insbesondere bei umfangreichen Immobilienportfolios oder Beteiligungen an Wohnungseigentumsgemeinschaften, können sich zahlreiche Stolpersteine ergeben. Bei fundierten Fragestellungen rund um vertragliche Risikoallokation, Verkehrssicherung oder Asset-Management-Prozesse empfiehlt sich die Konsultation einer spezialisierten Kanzlei. Die MTR Legal Rechtsanwälte stehen Ihnen bei sämtlichen Schnittstellen zwischen Mietrecht, Wohneigentumsrecht und privater sowie unternehmerischer Haftung beratend zur Seite – nähere Informationen finden Sie unter Rechtsberatung im Immobilienrecht.

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