Haftungsabwägung bei Verletzungen eines Pferdes infolge fehlerhafter Stallkonstruktion
Das Landgericht Koblenz befasste sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 17.11.2023, Az. 4 O 305/22) mit der Frage, inwiefern ein Betreiber eines Offenstalls für Verletzungen an einem eingestellten Pferd haftet, wenn deren Ursache eine nicht ausreichend gesicherte Stallkonstruktion ist.
Sachverhalt und Parteienkonstellation
Im konkreten Verfahren hatte die Eigentümerin eines Pferdes gegen den Offenstallbetreiber Ansprüche auf Ersatz von tierärztlichen Behandlungskosten sowie weiterer Schäden geltend gemacht. Ihr Pferd war in einem von mehreren Parteien gemeinschaftlich genutzten Offenstall untergebracht. Während des Aufenthalts kam es zu einer Verletzung des Tieres, deren Ursprung auf eine mangelhafte Sicherung eines Stallelements – konkret ein geöffneter Schiebetürbereich – zurückgeführt wurde.
Die Rechtsstreitigkeit betraf somit u.a. die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen den Haltern der Tiere und dem Stallbetreiber im Rahmen des geschlossenen Einstellvertrages.
Prüfungsmaßstab für die Verkehrssicherungspflichten
Im Rahmen seiner Würdigung stellte das Landgericht auf die Verkehrssicherungspflichten des Stallbetreibers als Vertragspartner der Pferdehalterin ab.
Umfang der Sorgfaltsanforderungen
Der Offenstallbetreiber ist verpflichtet, sämtliche baulichen Anlagen und Ausstattungen des Stalles in einem Zustand zu halten, der vorhersehbare Gefahren ausschließt oder zumindest minimiert. Dabei ist nicht jede Schadensverursachung zwingend dem Stallbetreiber zuzurechnen; erforderlich ist eine Sorgfalt, die die Vermeidung typischer Verletzungsrisiken gewährleistet.
Im gegenständlichen Fall hatte der Betreiber nach Ansicht des Gerichts nicht den Nachweis erbracht, alle notwendigen Maßnahmen zur Risikominimierung der relevanten Stallkonstruktion zuverlässig umgesetzt zu haben.
Mitverschulden und Tiergefahr
Weiterhin prüfte das Gericht, inwiefern der Verletzung auch ein Mitverschulden der Pferdehalterin oder eine typische Tiergefahr im Sinne des § 833 BGB zugrunde liegt. Nach Auffassung des Gerichts konnte der Halterin kein schadensursächliches Eigenverschulden angelastet werden. Die Tiergefahr wurde als nachrangig eingestuft, da der Hauptauslöser des Schadens in der baulichen Beschaffenheit des Stalls lag.
Ergebnis der gerichtlichen Bewertung
Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Stallbetreiber für die infolge der ungesicherten Stallkonstruktion entstandene Verletzung des Pferdes haftet. Die geschuldete Verkehrssicherung war im Streitfall nicht vollständig gewährleistet. Es wurde daher dem Klagebegehren auf Ersatz der entstandenen Behandlungskosten sowie weiterer Folgeschäden stattgegeben.
Bedeutung für Stallbetreiber und Vertragsparteien
Diese Entscheidung verdeutlicht, welch weitreichende Sorgfaltsanforderungen an Betreiber von Offenställen im Rahmen von Einstellverträgen gestellt werden. Für die Vertragsgestaltung und die Sicherstellung baulicher Standards ergeben sich hieraus wichtige Prüfungsmaßstäbe zur Begrenzung potenzieller Haftungsrisiken.
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