Sachverhalt und Bedeutung der Entscheidung 8 AZB 8/25 des Bundesarbeitsgerichts
Am 23. April 2024 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 8 AZB 8/25 über eine prozessuale Streitfrage im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung zu entscheiden. Der Fall gibt Anlass, verschiedene Aspekte des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und deren gerichtliche Handhabung näher zu beleuchten.
Hintergrund des Verfahrens
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob ein Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Vertragspartner in der Konstellation einer Arbeitnehmerüberlassung als arbeitsrechtliche Streitigkeit vor den Arbeitsgerichten oder als öffentlich-rechtlicher Streit vor den Verwaltungs- bzw. Zivilgerichten ausgetragen werden muss. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem ein Kläger ein feststellendes Begehren erhob, dass zwischen ihm und dem Einsatzunternehmen ein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG bestehe, da der Verleiher als Vertragspartner über keine wirksame Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt habe.
Zentrale Rechtsfragen im Kontext der Arbeitnehmerüberlassung
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verfolgt das Ziel, die Leiharbeitnehmer zu schützen und die Arbeitsmärkte zu regulieren. Kernstück ist die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, welche im Falle der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung einen unmittelbaren Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher fingiert.
Im Streit um die gerichtliche Zuständigkeit kommt es maßgeblich darauf an, ob die geltend gemachten Ansprüche arbeitsrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind. Während die Verleih-Erlaubnis und deren Voraussetzungen öffentlich-rechtlich geprägt sind und unter staatlicher Aufsicht stehen, sind die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses sowie sich daraus ergebende Rechte und Pflichten regelmäßig dem Arbeitsrecht und damit den Arbeitsgerichten zugewiesen.
Besonderheiten der Zuständigkeitsbestimmung
Die Abgrenzung der Gerichtszuständigkeit hat erhebliche praktische Bedeutung, da sie Auswirkungen auf Verfahrensdauer, Beweiserhebung und die gerichtliche Expertise im Umgang mit typischen arbeitsrechtlichen Fragestellungen hat. Die Arbeitsgerichte sind nach § 2 ArbGG für Tatsachen zuständig, aus denen sich Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ergeben. Der vorliegende Fall griff diesen Anknüpfungspunkt maßgeblich auf.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und deren Einordnung
Das Bundesarbeitsgericht hat im Verfahren 8 AZB 8/25 die arbeitsrechtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Geltendmachung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG bestätigt. Die Begründung stützt sich darauf, dass es primär um die Feststellung arbeitsvertraglicher Beziehungen sowie darauf resultierender Ansprüche des Arbeitnehmers gehe. Die öffentlich-rechtliche Komponente – namentlich das Vorliegen einer Verleih-Erlaubnis – eröffnet keinen eigenständigen, außerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit verfolgbaren Anspruch des Arbeitnehmers.
Zudem stellte das Gericht klar, dass der Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Einsatzunternehmen und Leiharbeitnehmer nicht lediglich eine Vorfrage zum öffentlich-rechtlichen Erlaubnistatbestand ist, sondern einen eigenständigen arbeitsrechtlichen Anspruch darstellt.
Auswirkungen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Investoren
Für Unternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung einsetzen, wie auch für Leiharbeitnehmer und Investoren schafft die Klarstellung zur Gerichtszuständigkeit Rechtssicherheit in Bezug auf die Anspruchsdurchsetzung und Prozessführung. Sie können bei der Durchsetzung oder Abwehr arbeitsrechtlicher Ansprüche vor den Arbeitsgerichten auf eine spezialisierte Spruchpraxis zurückgreifen.
Weiterhin erhöht das Urteil die Bedeutung sorgfältiger Vertragspraxis und einer ordnungsgemäßen Erlaubniseinholung. Investoren und Unternehmenseigner sollten sich der arbeitsvertraglichen und öffentlich-rechtlichen Implikationen bewusst sein, die mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern verbunden sind.
Streitstand in der Literatur und Rechtsprechung
In der arbeitsrechtlichen Literatur wurde die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung teils unterschiedlich beurteilt. Während ein Teil die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aufgrund des Vorrangs arbeitsvertraglicher Interessen betont, sahen andere Positionen im öffentlich-rechtlichen Charakter der Erlaubnispflicht eine Verlagerung zu den Verwaltungsgerichten. Das vorliegende Urteil trägt dazu bei, diese Diskussion zugunsten der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit zu präzisieren und gibt Unternehmen sowie Leiharbeitnehmern eine verlässliche Orientierung.
Zusammenfassende Bewertung
Die Entscheidung des BAG vom 23.04.2024 verdeutlicht die Relevanz klarer Zuständigkeitsregelungen und die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen Aufsichtsmechanismen und arbeitsvertraglichen Anspruchsgrundlagen. Für die Praxis bedeutet dies eine verstärkte Fokussierung auf die Regelung und Durchführung der Arbeitnehmerüberlassung sowie eine verbesserte Planungs- und Rechtssicherheit bei der Gestaltung und Prüfung von Arbeitsverträgen und Geschäftsbeziehungen im Bereich der Leiharbeit.
Hinweis für die interessierte Leserschaft
Unternehmen, Investoren, Personalabteilungen und Arbeitnehmer, die mit Fragestellungen zu Vertragsgestaltungen, Erlaubnispflichten und den rechtlichen Auswirkungen von Arbeitnehmerüberlassung konfrontiert sind, können von einer individuellen rechtlichen Einordnung profitieren. Bei weitergehenden rechtlichen Rückfragen zur Thematik der Arbeitnehmerüberlassung stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne zur Verfügung.