Freie Mitarbeit von Musiklehrern: Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis

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ArbG Berlin: Freie Mitarbeit von Musikschullehrkräften grenzt sich klar vom Arbeitsverhältnis ab

Mit Urteil vom 10. Juni 2024 (Az.: 22 Ca 10650/24) hatte das Arbeitsgericht Berlin erneut Gelegenheit, die wichtigen Abgrenzungskriterien zwischen einer sogenannten freien Mitarbeit und einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis herauszustellen. Gegenstand des Verfahrens war die Klage einer Musikschullehrerin, die argumentierte, ihr tatsächlicher Beschäftigungsumfang und die Bedingungen ihrer Tätigkeit hätten ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 611a BGB begründet. Das Gericht aber wies die Klage ab – mit bemerkenswerter Begründungstiefe.

Sachverhalt: Musikschullehrerin verlangt Klärung ihres Beschäftigungsstatus

Im vorliegenden Fall war die Klägerin über mehrere Jahre hinweg für eine Musikschule tätig. Grundlage bildeten verschiedene Verträge über eine freie Mitarbeit, in denen sie bestimmte Instrumentalunterrichte übernahm. Sie war jeweils selbst für den Ablauf und die Ausgestaltung ihrer Unterrichtseinheiten verantwortlich. In der Praxis nutzte sie aber u. a. die Räumlichkeiten der Musikschule, griff auf deren Infrastruktur zurück und war in den Stundenplan eingebunden. Im Anschluss begehrte sie im Klageweg u. a. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz mit der Begründung, tatsächlich habe ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab. Es bestehe kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Dienstverhältnis als selbständige Musikpädagogin. Die Entscheidung unterstreicht erneut das Spannungsverhältnis zwischen der Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Ausführung der Tätigkeit.

Kriterien für die Unterscheidung freier Mitarbeit und Arbeitsverhältnis

Maßgebliche Merkmale

Zentrale rechtliche Grundlage für die Beurteilung des Status eines Beschäftigungsverhältnisses ist § 611a BGB. Demnach ist ausschlaggebend, ob eine Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit besteht und ob der Beschäftigte in die betriebliche Organisation des Vertragspartners eingegliedert ist.

Das Gericht prüfte insbesondere:

  • Weisungsrecht: Die Musikschule gab weder hinsichtlich konkreten Unterrichtsinhalten noch bei der Auswahl der Lehrmethoden verbindliche Vorgaben.
  • Organisatorische Eingliederung: Die Klägerin nutzte zwar die Infrastruktur der Musikschule, war aber prinzipiell nicht in Abläufe eingebunden, die über die reine Unterrichtung hinausgingen.
  • Eigenverantwortung: Die Unterrichtsgestaltung, Terminabsprachen mit den Schülern und etwaige Vertretungen lagen im Verantwortungsbereich der Klägerin.
  • Vergütung und Risiko: Eine Bezahlung erfolgte ausschließlich für tatsächlich erteilte Unterrichtseinheiten; ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand nicht.

Vertragsgestaltung versus gelebte Praxis

Das Urteil präzisiert, dass die formelle Bezeichnung des Vertrages nicht zwingend ausschlaggebend ist, sondern stets die konkrete Handhabung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich bleibt. Im vorliegenden Fall überragte das Element der Eigenverantwortung. Zudem fehlten typische Merkmale eines Arbeitsverhältnisses wie regelmäßige Anwesenheitspflichten, betriebliche Urlaubsplanung oder eine Integration in den allgemeinen Betrieb der Musikschule.

Rechtliche Relevanz für die Musik- und Kulturbranche

Branchenübliche Vertragsformen

Gerade im Bereich der künstlerischen und pädagogischen Dienstleistungen ist die Abgrenzung zwischen freier Mitarbeit und unselbständiger Beschäftigung von besonderer Bedeutung. Musikschulen und Kulturträger stehen regelmäßig vor der Herausforderung, Verträge rechtssicher zu gestalten und die gesetzlichen Vorgaben zu beachten.

Haftungsrisiken und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

Fehlerhafte Statusfeststellungen können zu erheblichen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger führen und sind mit weiteren finanziellen und organisatorischen Risiken verbunden. Die Entscheidung des ArbG Berlin legt die Messlatte für Vertragsgestaltung, Dokumentation der Zusammenarbeit und laufende Überprüfung des gelebten Arbeitsalltags im Kontext der jeweils aktuellen Rechtsprechung erneut ein Stück höher.

Bedeutung des Urteils für Auftraggeber und Auftragnehmer

Handlungsspielräume und Unsicherheiten

Die Entscheidung bietet Orientierung, betont aber zugleich die Notwendigkeit einer individuellen Bewertung jedes Einzelfalles. Die Beurteilung des Status einer Mitarbeit bleibt eine Abwägungsfrage, die neben rechtlichen auch wirtschaftliche und praktische Überlegungen im Blick behalten muss.

Ausblick

Das Verfahren unterstreicht die Dynamik des Arbeits- und Sozialrechts im Bereich kreativer Berufe und mahnt zur gewissenhaften Vertragsgestaltung. Zwar bietet das Urteil eine gewisse Klarheit für gleichgelagerte Sachverhalte, doch können bereits kleinere Abweichungen im Einzelfall zu abweichenden Bewertungen führen.

Quellenhinweis: ArbG Berlin, Urteil vom 10.06.2024 – 22 Ca 10650/24 (abrufbar u. a. unter

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