Fehlende EuGH-Vorlage und Auswirkung auf das Recht auf gesetzlichen Richter

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EuGH-Vorlagepflicht und das Recht auf den gesetzlichen Richter – Aktuelle Entwicklungen durch den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2022 (Az. VGH B 70/21) unterstreicht erneut die Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter soweit es die Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) betrifft. Im Zentrum steht hierbei die Frage, wie Gerichte mit der Pflicht zur Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV umzugehen haben und inwieweit eine unzureichend begründete Ablehnung dieser Verpflichtung das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beeinträchtigen kann.

Rechtsrahmen und Hintergründe der EuGH-Vorlagepflicht

Bedeutung des Art. 267 AEUV

Innerhalb des europäischen Rechtsrahmens ist der EuGH für die Auslegung und Anwendung des europäischen Primär- und Sekundärrechts zuständig. Art. 267 AEUV sieht hierbei vor, dass nationale Gerichte grundsätzlich die Möglichkeit einer Vorlage von Auslegungsfragen zum Unionsrecht haben. Eine solche Verpflichtung trifft nationale Gerichte dann, wenn im jeweiligen Verfahren keine weiteren innerstaatlichen Rechtsmittel mehr gegeben sind und Auslegungsunsicherheiten zum Unionsrecht bestehen.

Bindende Wirkung für Gerichte

Die Pflicht zur Vorlage ist unabhängig von der materiellen Einordnung der unionsrechtlichen Normen durch das nationale Gericht. Die unterlassene Vorlage kann im Rahmen nationaler Grundrechte – hier insbesondere im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG – eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter darstellen. Dies erfordert von den Gerichten eine sorgfältige, substantielle Begründung, wenn von einer Vorlage abgesehen wird.

Sachverhalt und Verlauf des zugrundeliegenden Verfahrens

Im vorliegenden Fall begehrte ein Antragsteller verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, nachdem eine Verwaltungsbehörde eine auf unionsrechtlichen Vorgaben gegründete Anordnung erlassen hatte. Das in letzter Instanz angerufene Gericht sah keine Veranlassung, entsprechende unionsrechtliche Auslegungsfragen an den EuGH zu richten. Die Begründung der Entscheidung beschränkte sich auf eine knappe Darstellung der eigenen Rechtsprechung sowie vermeintlich eindeutiger EuGH-Urteile und rechtfertigte damit, dass aus Sicht des Gerichts kein Grund für eine Vorlage bestünde.

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz

Maßstab für die Überprüfung

Der Verfassungsgerichtshof betonte, dass die Bindung an den gesetzlichen Richter nicht nur die formale Zuständigkeit des entscheidenden Spruchkörpers erfasst, sondern darüber hinaus den Zugang zu supranationalen Gerichten sicherstellen muss, sofern dies durch einfaches oder übergeordnetes Recht vorgesehen ist. Eine summarische, nicht auf das konkrete Verfahren bezogene oder lediglich auf eigene Wertungen gestützte Ablehnung einer Vorlage genüge den Anforderungen nicht.

Kern der verfassungsrechtlichen Beanstandung

Das Gericht stellte fest, dass die in dem Ausgangsverfahren gegebene Begründung für die Nicht-Anrufung des EuGH wesentliche Aspekte der unionsrechtlichen Fragestellung offenließ. Es fehlte eine vertiefte Auseinandersetzung mit einschlägigen EuGH-Entscheidungen sowie eine präzise Darlegung, weshalb aus Sicht des nationalen Gerichts keine relevante Auslegungsunsicherheit mehr bestand. Damit sei dem betroffenen Antragsteller das ihm zustehende Recht auf den gesetzlichen Richter entzogen worden – die Entscheidung verletze folglich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Konsequenzen für die nationale Rechtsprechung und den Rechtsschutz

Verpflichtung zur Substantiierung

Die Entscheidung verdeutlicht, dass sowohl ober- als auch höchstrichterliche Instanzen gehalten sind, etwaigen unionsrechtlichen Vorfrageproblematiken mit methodisch sorgfältiger Substantiierung zu begegnen. Dies beinhaltet die Analyse aktuell existierender EuGH-Entscheidungen im Lichte des konkreten Sachverhalts und eine ausführliche Begründung, warum ausnahmsweise von einer Vorlage abgesehen wird.

Bedeutung für den Rechtsschutz

Die Sicherstellung einer effektiven Integration des europäischen Rechtsschutzsystems ist ein wesentlicher Aspekt für Verfahrensbeteiligte. Gerade im Europäischen Wirtschaftsraum, in dem unionsrechtliche Vorgaben weitreichende praktische und ökonomische Auswirkungen entfalten, bleibt die effektive Kontrolle durch mitgliedstaatliche wie auch supranationale Gerichte wesentlich.

Auswirkungen auf laufende und künftige Verfahren

Auch in noch laufenden oder zukünftigen Verfahren muss die Rechtsprechung sicherstellen, dass Betroffenen nicht allein durch eine unzureichende Begründung der Nichtanrufung des EuGH der Zugang zum umfassenden Rechtsschutz verwehrt wird. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz setzt hier einen klaren Maßstab zugunsten der Grundrechte und betont die institutionelle Verantwortung der Gerichte.

Fazit und Ausblick

Die aktuelle Entscheidung unterstreicht eindrucksvoll die Wechselwirkungen von nationalem und europäischem Rechtsschutzsystem. Sie führt Gerichte dazu an, ihre Begründungspraxis weiter zu schärfen und die Einhaltung der unionsrechtlichen Strukturprinzipien – insbesondere der effektiven Anwendung und Auslegung des Unionsrechts – in der Spruchpraxis fest zu verankern.

Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen kann dies Auswirkungen in zahlreichen Bereichen entfalten, insbesondere dort, wo Entscheidungen von Behörden auf unionsrechtlichen Normen beruhen und der Zugang zu weiteren Instanzen von einer vollumfänglichen Begründung abhängig ist.

Für weitergehende rechtliche Fragestellungen rund um das Thema unionsrechtlicher Instanzenzug und gerichtliche Kontrollmechanismen stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal nach individueller Mandatsvereinbarung gerne zur Verfügung.

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