Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten beim Konzerninkasso: Neue Maßstäbe durch aktuelle BGH-Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20. Februar 2024 (Az.: VIII ZR 138/23) entschieden, dass Kostenerstattungsansprüche im Zusammenhang mit Inkassodienstleistungen innerhalb eines Konzerns dem Grundsatz nach bejaht werden können. Die Entscheidung stellt wichtige Weichen für das Forderungsmanagement konzernverbundener Unternehmen und präzisiert die Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten im Kontext konzerninterner Dienstleistungen.
Ausgangspunkt: Abgrenzung zwischen externen und internen Inkassodienstleistungen
Traditionell werden Inkassokosten nur als erstattungsfähig angesehen, wenn ein Unternehmen ein externes Dienstleistungsunternehmen mit der Einziehung einer Forderung beauftragt und hierfür angemessene Gebühren gemäß § 280 BGB in Verbindung mit Verzugsvorschriften geltend macht. Die Frage, ob und inwieweit konzerninterne Dienstleister – beispielsweise eine konzerninterne Inkassostelle innerhalb eines Unternehmensverbunds – als „Dritter” im Sinne dieser Vorschriften gelten können, war bislang rechtlich nicht abschließend geklärt. In der Praxis wurde oft eingewandt, dass konzerninterne Leistungen dem sogenannten „Selbstschadensverbot” unterliegen und somit keine erstattungsfähigen Aufwendungen begründen.
Entscheidung des BGH: Maßgebliche Kriterien für die Erstattungsfähigkeit
Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung differenziert dargelegt, dass das bloße Bestehen eines Konzernverbunds die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten nicht ausschließt. Vielmehr sei zu prüfen, ob die konzerninterne Inkassodienstleistung tatsächlich gesondert vergütet wird und ob ihr eine wirtschaftlich eigenständige, dem Gläubiger zuzurechnende Kostenposition entspricht.
Wirtschaftliche Selbstständigkeit und Kostentransparenz
Nach Ansicht des Gerichts liegt eine Erstattungsfähigkeit insbesondere dann vor, wenn das konzerninterne Inkassounternehmen wirtschaftlich eigenständig auftritt, also gegen Entgelt und nach außen abgegrenzten Leistungsbeziehungen tätig wird. Hierbei spielen insbesondere vertragliche Regelungen, Abrechnungsmodalitäten und die Nachvollziehbarkeit der verrechneten Kosten eine entscheidende Rolle. Wenn innerhalb des Konzerns marktübliche, nachweisbar berechnete Gebühren für die Dienstleistungen anfallen, können diese unter bestimmten Voraussetzungen als ersatzfähiger Verzugsschaden geltend gemacht werden.
Einschränkungen und Klarstellungen
Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit hat der BGH betont, dass die Erstattungsfähigkeit im Einzelfall zu prüfen ist. Nicht jede konzerninterne Leistung zieht automatisch einen Erstattungsanspruch nach sich. Maßgeblich bleibt, dass tatsächlich ein finanzieller Nachteil beim Gläubiger eintritt, der dem Verzugsschuldner nicht ohne weiteres zugerechnet werden kann.
Bedeutung für Unternehmen und Forderungsmanagement
Die Entscheidung verleiht dem konzerninternen Forderungsmanagement eine erhebliche Rechtssicherheit. Unternehmen haben nun die Möglichkeit, auch bei konzerninternen Inkassoprozessen Erstattungsansprüche gegen säumige Schuldner geltend zu machen, sofern die Voraussetzungen einer wirtschaftlich unabhängigen und transparent abgerechneten Dienstleistung erfüllt sind.
Auswirkungen auf Konzernstrukturen und Vertragsgestaltung
Für die Unternehmenspraxis eröffnet dies die Möglichkeit, interne Dienstleistungsstrukturen effizienter zu organisieren und gleichzeitig die Liquiditätsinteressen des Konzerns wirksam zu schützen. Zugleich müssen Konzerne darauf achten, dass die vertraglichen und organisatorischen Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Selbstständigkeit der Inkassostelle widerspiegeln und transparente Abrechnungen vorliegen. Nur auf dieser Grundlage kann das Risiko von Streitigkeiten über die Erstattungsfähigkeit minimiert werden.
Neue Herausforderungen ergeben sich dabei insbesondere hinsichtlich der Nachweisführung: Unternehmen sollten in der Lage sein, die tatsächliche Erbringung der Dienstleistung und die Angemessenheit der Kostenverrechnung zu dokumentieren. Andernfalls droht die Gefahr, dass Ersatzansprüche vor Gericht scheitern.
Einordnung im Kontext aktueller Rechtsprechung
Die Entscheidung fügt sich in eine Entwicklung ein, wonach konzerninterne Dienstleistungen zunehmend wie externe Leistungen behandelt werden, sofern sie rechtlich und wirtschaftlich entsprechend ausgestaltet sind. Der BGH präzisiert damit die Linie der bisherigen Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen im Konzern und stellt klar, dass das Konzernverhältnis allein keine schädliche Nähe zwischen Gläubiger und Dienstleister begründet.
Praxishinweis: Relevanz für laufende und künftige Verfahren
Die Tragweite der Entscheidung erstreckt sich auf zahlreiche Branchen, in denen das konzerninterne Factoring oder Inkasso etabliert ist. Sie betrifft laufende wie künftige Vertragsverhältnisse, eröffnet Handlungsoptionen bei der internen Organisation des Forderungsmanagements und kann die Prozesstaktik hinsichtlich Verzugsschäden beeinflussen.
Fazit
Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs wurden die Grundlinien zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten bei konzerninternen Dienstleistungen neu justiert. Entscheidend bleibt die wirtschaftliche Eigenständigkeit, Kostentransparenz und die tatsächliche finanzielle Belastung des Gläubigers. Unternehmen, die im Rahmen konzerninterner Strukturen Forderungen durchsetzen, können sich – bei sorgfältiger Ausgestaltung der Dienstleistungsbeziehungen – auf eine gefestigte Rechtslage stützen.
Sollten bei der Implementierung oder Prüfung konzerninterner Inkassostrukturen, der Bewertung von Abrechnungskonzepten oder bei der Durchsetzung entsprechender Ansprüche Punkte offenbleiben, stehen die Rechtsanwälte bei MTR Legal gerne zur Verfügung, um die individuellen rechtlichen Fragestellungen zu klären.