Einsicht in Akten in kleinem Kellerraum während Pandemie möglich?

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Erhöhte Anforderungen an die Akteneinsicht in Pandemiezeiten: Praxisrelevanz am Beispiel des OLG Frankfurt am Main

Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes beinhaltet das Recht auf umfassende Akteneinsicht. Während der COVID-19-Pandemie wurden bestehende Standards hinsichtlich der Rahmenbedingungen dieser Einsichtnahme auf eine harte Probe gestellt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat im Beschluss vom 14. Dezember 2020 (Az. 21 W 137/20) entschieden, dass die Einsichtnahme in einem nur 13 Quadratmeter großen, fensterlosen Kellerraum unter pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen als unzumutbar anzusehen ist. Diese Entscheidung ist von erheblicher praktischer Relevanz für alle Verfahrensbeteiligten und Institutionen, die verpflichtet sind, Akteneinsicht physisch zu ermöglichen.

Rechtliche Verankerung und praktische Umsetzung des Akteneinsichtsrechts

Bedeutung des Akteneinsichtsrechts

Das Akteneinsichtsrecht ist ein zentrales Element der Waffengleichheit und dient dem rechtsstaatlichen Kernprinzip auf effektive Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten. Nach § 299 ZPO ist den Parteien grundsätzlich Einsicht in die Prozessakten zu gewähren, sofern nicht gewichtige entgegenstehende Gründe vorliegen. Der Zugang zu den vollständigen und aktuellen Akten ist maßgeblich, um Schriftsätze verfassen, Beweise erheben und effektive Prozessstrategien entwickeln zu können.

Physische Akteneinsicht unter pandemischen Bedingungen

Gerade während der Corona-Pandemie hat das Bedürfnis nach Schutz vor gesundheitlichen Risiken neue Maßstäbe für die Zugangsvoraussetzungen und Raumkapazitäten gesetzt. Gerichte und Behörden sind grundsätzlich gehalten, Akteneinsicht auch unter Berücksichtigung der Infektionsschutzmaßnahmen zu ermöglichen. Die Umsetzung entsprechender Hygieneregeln (Mindestabstände, Lüftung, Flächendesinfektion) wird dadurch essenziell, insbesondere wenn Akteneinsicht nicht digital, sondern nur vor Ort durchführbar ist.

Der Beschluss des OLG Frankfurt: Maßstäbe für Zumutbarkeit und Gesundheitsschutz

Sachverhalt und Streitstand

Im vorliegenden Verfahren beantragte ein Beteiligter die Akteneinsicht. Das Gericht stellte einen fensterlosen Kellerraum mit einer Fläche von etwa 13 Quadratmetern für die Einsichtnahme zur Verfügung. Angesichts der damals geltenden Kontakt- und Abstandsregelungen setzte sich der Antragsteller gegen die Modalitäten zur Wehr. Der Kern der Auseinandersetzung lag in der Frage, ob diese räumlichen Verhältnisse im Licht der pandemiebedingten Schutzanforderungen zumutbar waren.

Begründung des OLG: Verhältnis von Verfahrensgrundrechten und Gesundheitsschutz

Das OLG Frankfurt am Main stellte klar, dass Akteneinsicht nur dann als effektiv und zumutbar angesehen werden kann, wenn gleichzeitig den berechtigten gesundheitlichen Schutzinteressen Rechnung getragen wird. Dies gelte insbesondere, wenn der zur Verfügung gestellte Raum nicht nur nach der Größe, sondern vor allem aufgrund fehlender Frischluftzufuhr den Anforderungen an Infektionsschutzkonzepte nicht genügt.

Das Gericht betonte, dass die Behörden im Einzelfall verpflichtet sind, tragfähige Vorkehrungen zu treffen und gegebenenfalls alternative Einsichtsmöglichkeiten zu gewährleisten – beispielsweise durch größere, besser belüftete Räume oder, sofern möglich, elektronische Akteneinsicht. Die Zumutbarkeit ist dabei anhand der spezifischen Umstände – Ausmaß der Gefährdung, Raumgröße, technische Alternativen – zu beurteilen.

Auswirkungen der Entscheidung auf zukünftige Verfahren und institutionelle Abläufe

Verfahrensgestaltung und Organisationspflichten der Behörden

Die Entscheidung verdeutlicht, dass sich Behörden und Gerichte in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie nicht auf regulatorische Mindeststandards beschränken dürfen. Vielmehr verlangt die Sachlage eine fortlaufende Anpassung der Infrastruktur an aktuelle Erfordernisse. Raumkonzepte zur Akteneinsicht müssen insbesondere in Bezug auf Abstandsregelungen, Lüftungsmöglichkeiten und Personenkapazität den jeweils geltenden Entwicklungen im Gesundheitsschutz Rechnung tragen.

Ressourcenschonende, aber rechtswahrende Alternativen – wie beispielsweise gestaffelte Einsichtstermine, gezielte Digitalisierung sensibler Aktenbestände oder kooperative Überlassung von Akten – gewinnen an Bedeutung. Parallel dazu gilt es, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Verfahrensfairness gerecht zu werden.

Grenzen des Ermessensspielraums und Anspruchsdurchsetzung

Die Entscheidung des OLG stellt keinen Automatismus für sämtliche Verfahren in pandemischen Krisenzeiten dar, sondern hebt die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Abwägung hervor. Maßgeblich bleiben stets der effektive Rechtsschutz und der Gleichlauf der widerstreitenden Schutzgüter. Besteht eine erhebliche Infektionsgefahr, etwa durch mangelhafte Belüftung oder zu geringe Raumfläche, steht dem Betroffenen regelmäßig ein Anspruch auf adäquate Alternativlösungen zu. Nur so kann eine Verkürzung des Akteneinsichtsrechts wirksam ausgeschlossen werden.

Ausblick: Maßgeblichkeit für Wirtschaft und Prozessbeteiligte

Die Entscheidung des OLG Frankfurt hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung. Sie verdeutlicht, dass die Einräumung von Akteneinsicht nicht nur als formaler Akt verstanden werden darf, sondern regelmäßig die Beachtung der realen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf die verfahrensrechtlichen Kernrechte erfordert. Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die im Kontext komplexer Verfahren auf Akteneinsichtsrechte angewiesen sind, sollten wachsam auf die tatsächlichen Zugangsmodalitäten achten.

Gerade bei umfangreichen wirtschaftsrechtlichen oder unternehmensbezogenen Streitigkeiten ist die effektive Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts – auch unter außergewöhnlichen Bedingungen – von zentraler Bedeutung für die Wahrung der eigenen Interessen und der Verfahrensfairness. Bei spezifischen rechtlichen Fragestellungen stehen wir Ihnen im Bereich Prozessführung jederzeit zur Verfügung, um gemeinsam individuelle und den aktuellen Anforderungen entsprechende Lösungen zu erörtern.

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