Unwirksamkeit einer Eheschließung per Videokonferenz in die USA: Beschluss des Bundesgerichtshofs
Die globale Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren die Art und Weise verändert, wie internationale Ehe- und Familienangelegenheiten abgewickelt werden. Besonders die Nutzung moderner Kommunikationsmittel, wie Videotelefonie, hat in einer zunehmend vernetzten Welt auch im Bereich des zwischenstaatlichen Eheschließungsrechts zu neuen Fragestellungen geführt. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 28. November 2024, Az. XII ZB 244/22) hat in diesem Kontext entschieden, dass eine nach US-amerikanischem Recht vollzogene Eheschließung, bei der einer der Beteiligten aus Deutschland per Videokonferenz teilnimmt, nach deutschem Recht nicht anerkannt wird.
Ausgangslage: Eheschließungen über Distanz und neue Herausforderungen
Internationale Eheschließungen: Grundsätze und Anerkennung
Im Zuge internationaler Mobilität kommt es immer häufiger vor, dass Eheschließungen grenzüberschreitend vollzogen werden. Das deutsche internationale Privatrecht (IPR) regelt in diesen Fällen sowohl die materiellen Voraussetzungen (z. B. Ehefähigkeit, Ehehindernisse) als auch die Formvorschriften der Eheschließung anhand der kollisionsrechtlichen Normen, insbesondere Art. 13 EGBGB. Demnach ist eine im Ausland geschlossene Ehe grundsätzlich dann auch in Deutschland anzuerkennen, wenn die im Eheschließungsstaat geltenden Formerfordernisse gewahrt wurden und Mindestanforderungen des deutschen Rechts nicht entgegenstehen.
Digitalisierung und Eheschließungsformalitäten
Die fortschreitende Digitalisierung, insbesondere seit der Covid-19-Pandemie, hat zur Zunahme von virtuellen Eheschließungen geführt. In einigen US-Bundesstaaten ermöglichen Gesetze die Eheschließung unter Zuhilfenahme von Video-Konferenztechnologie, auch wenn sich ein Beteiligter im Ausland befindet. Für viele Paare erscheint dies attraktiv – insbesondere bei Reisebeschränkungen oder großem geografischen Abstand.
Rechtlicher Hintergrund: Maßgebliche Form- und Anerkennungsvoraussetzungen
Form der Eheschließung im deutschen Recht
Das deutsche Recht knüpft an die Eheschließung strenge Formvorschriften (vgl. § 1310 BGB). Eine wirksame Eheschließung bedarf der gleichzeitigen und persönlichen Anwesenheit der Eheschließenden vor dem Standesbeamten. Die gleichzeitige Anwesenheit dient nicht allein der formalen Kontrolle, sondern erfüllt wesentliche Schutz- und Klarstellungsfunktionen, indem sie den zweifelsfreien Ehewillen und die Identität der Beteiligten sicherstellt.
Kollisionsrechtliche Relevanz
Nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB richtet sich die Form der Eheschließung, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Recht des Ortes, an dem die Ehe geschlossen wird. Das bedeutet im Kern: Wird die Ehe im Ausland nach dortiger Rechtsordnung geschlossen, ist diese grundsätzlich auch in Deutschland anzuerkennen – allerdings nur dann, wenn fundamentale Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere solche der öffentlichen Ordnung (ordre public), nicht verletzt werden.
Der Fall: Eheschließung eines in Deutschland Lebenden via Videokonferenz
Sachverhalt und zugrundeliegende Konstellation
Im zugrunde liegenden Fall beabsichtigte eine in Deutschland wohnhafte Person, von Deutschland aus über eine Videokonferenz vor einem Standesbeamten in den USA, eine Ehe mit einer in den Vereinigten Staaten ansässigen Person zu schließen. Nachdem die Eheschließung gemäß den in dem US-Bundesstaat geltenden Vorschriften vorgenommen und dort auch beurkundet wurde, stellte sich die Frage, ob diese Verbindung nach deutschem Recht als wirksame Ehe anzuerkennen ist.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof stellte klar fest, dass eine solche, aus Deutschland per Videokonferenz durchgeführte Eheschließung nicht den Anforderungen an die erforderliche Form genügt. Im Ergebnis führte dies zur Unwirksamkeit der Ehe im deutschen Rechtskreis.
Begründung des Beschlusses: Unmittelbarkeitsgrundsatz und Schutzmechanismen
Fehlende gleichzeitige Anwesenheit
Zentral für die Entscheidung des BGH war der Grundsatz, dass die gleichzeitige physische Anwesenheit der Eheschließenden vor der Eheschließungsbehörde unabdingbar ist. Die Teilnahme per Videokonferenz genügt diesem Erfordernis nicht, wenngleich das Recht des Eheschließungsstaates dies zulassen mag. Im deutschen Recht ist die Unmittelbarkeit als Grundbedingung der Eheschließung zu werten, um die persönliche und unbeeinflusste Erklärung des Ehewillens sicherzustellen und eine eindeutige Identifizierung der Beteiligten gewährleisten zu können.
Schutz der öffentlichen Ordnung
Die Ablehnung der Anerkennung beruht nicht allein formell auf der fehlenden Präsenz, sondern ist eng verknüpft mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung (ordre public). Eine Eheschließung, an der einer der beiden Eheschließenden lediglich über technische Mittel, aber nicht physisch beteiligt ist, wird nach deutschem Rechtsverständnis nicht als ausreichend geschützt und rechtsstaatlich überprüfbar angesehen.
Internationale Auswirkungen und praktische Konsequenzen
Divergenzen in den Rechtsordnungen
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs macht exemplarisch deutlich, dass trotz bestehender Liberalisierungen in einzelnen Staaten und trotz bestehender Digitalisierung traditionelle formale Anforderungen nach wie vor erhebliche Auswirkungen auf die internationale Anerkennung von Rechtsakten wie der Eheschließung haben. Wer über Grenzen hinweg eine Ehe schließt, muss berücksichtigen, dass deren Anerkennung im Heimatstaat an zusätzliche Bedingungen geknüpft sein kann.
Erhöhte Rechtsunsicherheit und potenzielle Folgefragen
Die Entscheidung birgt weitreichende Folgen für Betroffene: Eine nach US-Recht als wirksam anerkannte Ehe kann insbesondere im Erb-, Aufenthalts-, Steuer- oder Unterhaltsrecht in Deutschland keinerlei rechtliche Wirkung entfalten. Dies kann zu erheblichen Unsicherheiten führen, insbesondere wenn gemeinsame Kinder betroffen sind oder vermögensrechtliche Auseinandersetzungen anstehen.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Beschluss des BGH stellt klar, dass Eheschließungen, an denen eine in Deutschland ansässige Person lediglich per Videotelefonie im Ausland teilnimmt, nach geltendem deutschen Recht nicht anerkannt werden. Gerade im Zeitalter zunehmender Digitalisierung zeigt sich damit die Notwendigkeit, neben den technischen Möglichkeiten auch den rechtlichen Ordnungsrahmen national wie international eingehend zu prüfen. Die Komplexität der kollisionsrechtlichen Anforderungen und die Unterschiede der materiellen und formellen Eheschließungsvorschriften lassen erwarten, dass sich die praktische und rechtliche Auseinandersetzung mit digitalen Eheschließungsformen künftig noch weiter intensivieren wird.
Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die international agieren oder eine grenzüberschreitende Eheschließung planen, ergibt sich hieraus ein erheblicher Beratungsbedarf – insbesondere, um potenzielle Rechtsnachteile zu vermeiden. Das Team von MTR Legal Rechtsanwälte steht bei rechtlichen Fragestellungen rund um die Anerkennung ausländischer Eheschließungen sowie bei themenverwandten Sachverhalten gerne zur Verfügung.
Quelle: BGH, Beschluss vom 28.11.2024 – XII ZB 244/22, veröffentlicht auf urteile.news