Hintergrund des Urteils des OLG Zweibrücken zur Haftung ehemaliger Bankkassierer
Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken vom 8. Mai 2023 (Az. 7 U 214/21) thematisiert die zivilrechtliche Haftung von Bankmitarbeitenden für Vermögensschäden, die durch Verstöße gegen interne Kontrollmechanismen verursacht wurden. Das Verfahren betraf zwei ehemalige Kassierer einer Bank, denen die Verletzung dienstlicher Pflichten und daraus resultierende Pflicht zum Schadensersatz zur Last gelegt wurden. Nach der Entscheidung des OLG sind die ehemaligen Mitarbeiter verpflichtet, für entstandene Schäden einzustehen. Nachfolgend werden die rechtlichen Hintergründe, die wesentlichen Erwägungen des Gerichts sowie deren Relevanz für die Banken- und Unternehmenspraxis eingehend dargestellt.
Grundlagen der zivilrechtlichen Haftung von Bankmitarbeitenden
Rechtliche Stellung von Bankmitarbeitenden im Innenverhältnis
Bankangestellte stehen in einem Arbeitsverhältnis zu dem jeweiligen Kreditinstitut und sind im Rahmen ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, die ihnen übertragenen Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen. Dazu gehören insbesondere die Beachtung von bankinternen Vorschriften zur Kontrolle und Sicherstellung eines geordneten Geschäftsablaufs bei der Verwaltung von Vermögenswerten des Instituts. Fehler oder Missachtungen dieser Vorschriften können im Ergebnis zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen.
Arbeitnehmerhaftung und innerbetriebliche Schadensverteilung
Im deutschen Zivilrecht unterliegen Mitarbeitende einer sogenannten beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Für leichte Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es zu einer angemessenen Schadensverteilung zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden, während bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz eine vollständige Haftung möglich ist. Im vorliegenden Fall stellte das OLG auf die Schwere der Pflichtverletzung sowie deren Auswirkung auf die Kontrollmechanismen der Bank ab.
Wesentliche Entscheidungsgründe des OLG Zweibrücken
Pflichtverletzung durch Missachtung interner Kontrollsysteme
Das OLG Zweibrücken erkannte, dass die ehemaligen Kassierer gegen die zentralen Sicherungsmechanismen der Bank und deren interne Richtlinien als Kernbestandteile ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen hatten. Die Missachtung solcher Vorschriften, etwa bei der Führung und dem Abschluss von Kassenbeständen, stellt im Hinblick auf die Bedeutung dieser Kontrollen für die Risikobeherrschung eine erhebliche Pflichtverletzung dar.
Kausalität und Schadenszurechnung
Aus Sicht des Gerichts war der durch die Pflichtverletzungen verursachte Vermögensschaden für die Bank kausal auf das Verhalten der betreffenden Mitarbeitenden zurückzuführen. Die Kausalitätsprüfung umfasste sowohl die unmittelbare Unsachgemäßheit der Kassenführung als auch die Unterlassung von Kontrollhandlungen, die zwingend vorgeschrieben waren. Dadurch konnte ein Vermögensverlust eintreten, für den die Mitarbeiter nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung einzustehen haben.
Kein Haftungsausschluss durch Mitverantwortung Dritter
Ein weiterer Prüfungsaspekt des OLG war, ob ein Mitverschulden auf Seiten der Bank, etwa durch die Aufsicht oder Organisation, die Haftung der Mitarbeitenden mindern könnte. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die eigenständige Pflichtverletzung der Beklagten im Vordergrund stand, wodurch ein vollständiger Haftungsausschluss nicht zu begründen war.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Verschärfte Anforderungen an korrekte Kassenführung und interne Kontrollen
Für Kreditinstitute und andere Unternehmen unterstreicht das Urteil die erhebliche Bedeutung wirksamer Kontrollmechanismen sowie die Pflicht der Mitarbeitenden, diese konsequent einzuhalten. Verstößen gegen interne Regelungen kommt regelmäßig ein hohes Gewicht zu. Aus Sicht von Unternehmen ist daher nicht nur die Implementierung, sondern auch die sorgfältige Schulung der Angestellten im Zusammenhang mit internen Kontrollen von besonderer Bedeutung.
Risiken und Haftungspotential im Arbeitsverhältnis
Die Entscheidung macht deutlich, dass Arbeitnehmer im Bankensektor bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen mit erheblichen Haftungsrisiken konfrontiert sein können. Neben der Erstattung des unmittelbaren Schadens können auch arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. Umso wichtiger ist es, in Fällen möglicher Pflichtverletzungen und entsprechender Regressforderungen sowohl die internen Vorgaben als auch die konkreten Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen.
Ausblick und Hinweise zur weiteren Entwicklung
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil zu einer gesteigerten Sensibilisierung für die Beachtung interner Kontrollsysteme in Kreditinstituten führen wird und ob vergleichbare Sachverhalte auch in anderen Branchen eine ähnliche Bewertung erfahren.
Im Zusammenhang mit rechtlichen Fragestellungen zur Haftung, zu Compliance-Anforderungen oder bei Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Banken- und Finanzsektor empfiehlt es sich, qualifizierte rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsanwälte von MTR Legal begleiten Unternehmen und Privatpersonen bundesweit und international bei komplexen rechtlichen Sachverhalten und stehen für eine erste Kontaktaufnahme zur Verfügung.