Nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses stellt sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmäßig die Frage, inwieweit personenbezogene Daten weiterhin aufbewahrt werden dürfen – insbesondere dann, wenn es um sensible Informationen wie Abmahnungen in der Personalakte geht. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat sich in seinem Urteil vom 14. März 2024 (Az: 9 Sa 73/21) intensiv mit dem datenschutzrechtlichen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt und damit wichtige Klarstellungen zum Verhältnis von Arbeitsrecht und Datenschutzrecht geliefert.
Die rechtlichen Grundlagen der Personalaktenführung
Die Rolle der Abmahnung im Arbeitsverhältnis
Abmahnungen sind Instrumente zur Wahrung vertraglicher Rechte und dienen dem Zweck, Fehlverhalten zu dokumentieren sowie dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Besserung zu geben. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses behalten Abmahnungen häufig ihre Relevanz, etwa in Hinblick auf spätere arbeitsrechtliche Sanktionen oder Kündigungen.
Datenschutzrechtliche Einordnung
Mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen stellt sich die Frage nach der weiteren Speicherung solcher personenbezogenen Daten. Das Datenschutzrecht, insbesondere die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), stellt klare Anforderungen an die Erforderlichkeit und Rechtmäßigkeit einer Speicherung. Für Arbeitnehmerdaten ist maßgeblich, ob die weitere Speicherung tatsächlich noch erforderlich ist oder ob stattdessen ein Anspruch auf Löschung besteht.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
Sachverhalt und Streitgegenstand
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte verlangt. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und berief sich auf möglicherweise bestehende Aufbewahrungspflichten.
Bewertung durch das Gericht
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der ursprüngliche Zweck der Abmahnung – nämlich die Dokumentation von arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen und die Vorbereitung möglicher weiterer arbeitsrechtlicher Schritte – entfalle. Das Gericht stellte fest, dass nach Ausscheiden des Arbeitnehmers keine rechtlich anerkennenswerten Gründe zur weiteren Speicherung der Abmahnung bestehen, sofern nicht ausnahmsweise andere berechtigte Interessen, etwa im Zusammenhang mit noch laufenden Rechtsstreitigkeiten oder gesetzlichen Aufbewahrungspflichten, vorliegen. Andernfalls sei die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, wobei sich der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO ableiten lässt.
Differenzierung: Wann dürfen Daten aufbewahrt bleiben?
Ausnahmefälle und berechtigte Interessen
Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob im Einzelfall berechtigte Interessen des Arbeitgebers – etwa in Fällen von noch nicht abgeschlossenen rechtlichen Auseinandersetzungen oder bei gesetzlichen Aufbewahrungspflichten – einer sofortigen Löschung entgegenstehen können. Hier kommt es entscheidend auf den jeweiligen Einzelfall an und eine umfassende Interessenabwägung ist vorzunehmen.
Bedeutung für die Praxis
Für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Personalakten nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses sorgfältig zu prüfen und Abmahnungen grundsätzlich zu entfernen, wenn keine besonderen Gründe für eine weitere Speicherung vorliegen. Arbeitnehmer erhalten dadurch gestärkte Rechte im Hinblick auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten.
Auswirkungen auf das Personalmanagement und Compliance
Notwendigkeit datenschutzkonformer Prozesse
Unternehmen müssen sicherstellen, dass bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen datenschutzkonforme Prozesse zur Prüfung und Entfernung nicht mehr erforderlicher Personaldaten, insbesondere solcher mit möglicher negativer Konnotation wie Abmahnungen, implementiert sind. Dies ist nicht nur eine arbeitsrechtliche, sondern auch eine datenschutzrechtliche Verpflichtung, da Verstöße gegen die DSGVO empfindliche Sanktionen nach sich ziehen können.
Verhältnis zu anderen Aufbewahrungspflichten
Personalakten sind regelmäßig auch Gegenstand betriebsverfassungsrechtlicher, steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Aufbewahrungspflichten. Die Pflicht zur Entfernung einer Abmahnung nach Ende des Arbeitsverhältnisses gilt daher immer im Spannungsverhältnis zu etwaigen anderen gesetzlichen Vorgaben. Eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Rechtsgrundlagen ist grundlegende Voraussetzung für rechtssichere Personalverwaltungsprozesse.
Bedeutung der Entscheidung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterstreicht die Bedeutung des Grundsatzes der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO auch im Arbeitsrecht. Arbeitgeber sehen sich einem zunehmend differenzierten Regelungsgefüge gegenüber, in dem betroffene Beschäftigte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses umfassende Ansprüche auf Löschung personenbezogener Daten geltend machen können.
Arbeitnehmer wiederum werden dadurch in ihrer rechtlichen Position gestärkt und können sicher sein, dass nach Ende der Beschäftigung unbegründete oder nicht mehr erforderliche negative Einträge im Rahmen ihres datenschutzrechtlichen Löschungsanspruchs entfernt werden müssen.
Hinweis auf individuelle Beratungsmöglichkeiten
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg verdeutlicht die zentrale Rolle datenschutzkonformer Verarbeitung von Personaldaten im Arbeitsverhältnis und nach dessen Beendigung. Unternehmen und Privatpersonen, die vor komplexen Fragen etwa zur Zulässigkeit von Löschungen oder der weiteren Aufbewahrung bestimmter Unterlagen stehen, können von einem sorgfältigen Blick auf die aktuellen gesetzlichen und gerichtlichen Entwicklungen profitieren.
Im Hinblick auf die fortlaufend dynamische Entwicklung in Datenschutzrecht und Arbeitsrecht stehen die Rechtsanwälte bei MTR Legal Rechtsanwälte bundesweit und international für eine fundierte Beratung zur Verfügung. Quellenhinweis: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2024, Az.: 9 Sa 73/21.