Irreführende Werbeaussagen und datenschutzrechtliche Mängel bei Immobilienscout24: Urteil des Landgerichts Berlin
Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 15.09.2023 (Az. 52 O 65/23) zentrale Aspekte der Werbe- und Datenschutzpraxis von Immobilienscout24, einem bekannten Immobilienportal, einer rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Fokus standen insbesondere der sogenannte Bonitäts-Check für Mietinteressenten und die damit verbundenen Informationspflichten sowie Fragen des Datenschutzes bei der Datenübermittlung. Nachfolgend wird die Entscheidung aus zivilrechtlicher Sicht analysiert und deren Bedeutung für marktteilnehmende Unternehmen und Endverbraucher eingeordnet.
Hintergrund des Verfahrens
Sachverhalt und streitgegenständliche Punkte
Immobilienscout24 hatte Mietinteressenten einen kostenpflichtigen Bonitäts-Check angeboten. Im Rahmen des Angebots wurde mit Aussagen wie „Mit dem Bonitäts-Check überzeugen Sie Vermieter von Ihrer Zahlungsfähigkeit” geworben. Verbraucherschutzverbände beanstandeten die Nutzung dieser Werbeaussagen mit der Begründung, sie könnten einen unzutreffenden Eindruck über die Aussagekraft des Bonitäts-Checks vermitteln. Gleichzeitig wurden Unzulänglichkeiten beim Umgang mit den personenbezogenen Daten der Nutzer bemängelt, insbesondere hinsichtlich der Datenübermittlung an Dritte sowie der Transparenz und Absicherung im Zuge der Online-Bonitätsprüfung.
Die rechtlichen Kernfragen
Die entscheidenden rechtlichen Fragestellungen betrafen:
- Die Zulässigkeit der Werbeaussagen im Hinblick auf das Irreführungsverbot (§ 5 UWG)
 - Die Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern, insbesondere Art. 13 DSGVO und §§ 312d, 312j BGB
 - Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Nachweispflichten und der Grundsätze der Datenverarbeitung gemäß DSGVO
 
Die zentralen Erwägungen des Gerichts
Irreführung im Rahmen der Werbung
Das Gericht stellte fest, dass die von Immobilienscout24 verwendeten Werbeslogans wesentliche Informationen über den tatsächlichen Aussagegehalt des Bonitäts-Checks vermissen lassen. Es werde suggeriert, dass die Dienstleistung eine objektive und umfassende Aussagekraft über die Zahlungsfähigkeit des Mietinteressenten enthält und für Vermieter eine verlässliche Entscheidungsgrundlage bietet. In Wahrheit basieren die Informationen jedoch lediglich auf Auskünften bei ausgesuchten Auskunfteien, ohne dabei sämtliche für die Kreditwürdigkeit relevanten Informationen zu erfassen.
Nach Ansicht des Gerichts wird damit eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, die nicht mit der tatsächlichen Reichweite des Bonitäts-Checks übereinstimmt. Die Werbegestaltung verstößt nach dieser Auffassung gegen § 5 UWG, welcher die Irreführung durch Unterlassen wesentlicher Informationen sowie durch Übertreibung untersagt.
Datenschutzrechtliche Defizite
Hinsichtlich des Datenschutzes erkannte das Landgericht erhebliche Defizite. So wurden Nutzer aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend klar über Art und Umfang der Datenverarbeitung informiert. Problematisch sei insbesondere, dass die Bonitätsprüfung die Übermittlung personenbezogener Daten an externe Unternehmen oder Kreditinformationsdienste voraussetzt – ohne dass die Betroffenen in transparenter Weise über Empfänger, Verwendungszwecke und Ihre Betroffenenrechte unterrichtet werden.
Das Gericht maß der Einhaltung der Pflichten aus Art. 13 DSGVO großes Gewicht bei. Deren Missachtung führt nicht nur zu möglichen Bußgeldern, sondern kann auch das Vertragsverhältnis mit Verbrauchern beeinträchtigen und eine Haftung im Binnenverhältnis auslösen.
Rechtsfolgen und Auswirkungen für den Markt
Das Landgericht untersagte Immobilienscout24 die weitere Verwendung der beanstandeten Werbeaussagen sowie die fortgesetzte Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten ohne die erforderlichen datenschutzrechtlichen Informationen und Einwilligungen der Betroffenen. Die Entscheidung reiht sich in eine Reihe aktueller Urteile, die das Schutzniveau von Verbrauchern bei digitalen Dienstleistungsangeboten erhöhen und zugleich die Anbieter vor neue Herausforderungen bei der Ausgestaltung ihrer Angebote stellen.
Implikationen für Unternehmen
Anforderungen an Werbeangaben bei Bonitätsauskünften
Die Entscheidung zeigt, dass Unternehmen in der Ausgestaltung von Auskünften zur Kreditwürdigkeit größtmögliche Transparenz bieten müssen. Die Werbewirkung darf nicht über die tatsächliche Aussagekraft der Dienstleistung hinausgehen. Werden Bonitätsauskünfte im Rahmen von Online-Plattformen angeboten, ist die umfassende und zutreffende Information der Nutzer unerlässlich, um den Grundsatz der informierten Entscheidung zu gewährleisten.
Datenschutz und Informationspflichten – zivilrechtliche und regulatorische Anforderungen
Im Zusammenhang mit der Bonitätsprüfung müssen sämtliche Verarbeitungsschritte gegenüber den Betroffenen klar und verständlich erläutert werden. Neben der transparenten Darstellung der Empfänger und Zwecke ist darauf zu achten, dass Nutzer ihre Rechte gegenüber dem Anbieter effektiv wahrnehmen können. Ein Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben kann nicht nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen, sondern auch wettbewerbsrechtliche Folgen hervorrufen.
Fazit und Ausblick
Das Urteil des Landgerichts Berlin hebt hervor, dass bei digitalen Geschäftsmodellen sowohl das Wettbewerbsrecht als auch das Datenschutzrecht in erheblichem Maße zu beachten sind. Unternehmen, die Verbraucherinformationen verarbeiten und damit werben, sollten sorgfältig prüfen, dass sämtliche Angaben eindeutig, richtig und vollständig sind. Insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Bonitätsbeurteilung ist eine besondere Zurückhaltung bei werblichen Übertreibungen geboten.
Die Entscheidung verdeutlicht zugleich, dass nicht nur aufsichtsrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Klagen wegen irreführender Werbung und Datenschutzverstößen erhebliche Folgen für Anbieter digitaler Dienste haben können.
Das Verfahren wurde auf Basis der zum Urteilszeitpunkt bekannten Sach- und Rechtslage entschieden; es bleibt vorbehaltlich einer rechtkräftigen Entscheidung durch etwaige Rechtsmittelinstanzen.
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Quellen: Landgericht Berlin, Urteil vom 15.09.2023 – 52 O 65/23, abrufbar unter https://urteile.news/Landgericht-Berlin-II_52-O-6523_Irrefuehrende-Werbung-fuer-Bonitaets-Check-und-mangelnder-Datenschutz-bei-Immobilienscout24~N35393
Sollten bei der Implementierung von Werbemaßnahmen oder der Verarbeitung personenbezogener Daten Unsicherheiten bestehen, kann eine individuelle rechtliche Prüfung im Einzelfall ratsam sein. MTR Legal Rechtsanwälte steht für eine weiterführende rechtliche Begleitung bei Fragen rund um wettbewerbs- und datenschutzrechtliche Anforderungen im Digitalbereich zur Verfügung.