BGH-Urteil zur Haftung von YouTube und Uploaded bei Urheberrechtsverletzungen

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Ausgangspunkt: Haftung von Plattformbetreibern im Urheberrecht

Die Verantwortung von Betreibern internetbasierter Plattformen für von Nutzern eingestellte Inhalte mit urheberrechtsverletzender Qualität ist ein vielbeachteter und zentraler Aspekt des internationalen Immaterialgüterrechts. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Juni 2022 (Az. I ZR 140/15 – „YouTube II“ u. a.) markiert einen bedeutsamen Meilenstein im Diskurs über die Reichweite der Haftung von Plattformanbietern wie YouTube und Uploaded im Zusammenhang mit der Verbreitung urheberrechtswidriger Inhalte. Im Folgenden werden die rechtlichen Maßgaben und die daraus resultierenden Anforderungen an Plattformbetreiber unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von Unternehmen und Investoren differenziert aufgearbeitet.

Rechtlicher Rahmen: Direkt- und Störerhaftung im Wandel

Historische Entwicklung und Vorfragen

Die Frage nach der Haftung intermediärer Dienstleister für Rechtsverletzungen Dritter wurde in der europäischen und nationalen Rechtsprechung traditionsgemäß entlang der Grenzlinie zwischen sogenannter Täter-, Teilnehmer- oder Störerhaftung entschieden. Bisweilen lag der Prüfungsmaßstab darin, ob der Plattformbetreiber sich das Verhalten der Nutzer rechtlich zurechnen lassen muss oder lediglich ab Kenntnis von Rechtsverletzungen tätig werden sollte.

Einfluss des Unionsrechts und EuGH-Vorgaben

Eine erhebliche Zäsur stellt hierbei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dar, insbesondere die Entscheidung vom 22. Juni 2021 in den Verfahren C-682/18 („YouTube“) und C-683/18 („Uploaded“). Der EuGH definierte die Haftungsposition der Betreiber informationsgesellschaftsrechtlicher Dienste europäisch einheitlich und stellte klar, dass eine sogenannte öffentliche Wiedergabe im Sinne der InfoSoc-Richtlinie grundsätzlich nicht bereits durch das bloße Vorhalten technischer Infrastrukturen gegeben ist. Piraterie verbleibt damit in erster Linie bei den unmittelbaren Rechtsverletzern – den Nutzern. Gleichwohl betonte der EuGH, dass Plattformbetreiber unter bestimmten Umständen für eigene Rechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden können, sofern sie eine „aktive Rolle“ etwa durch Selektion, Präsentation oder Handlungsempfehlung übernehmen oder zumutbare Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung unterlassen.

Die konkreten Sachverhalte: Anknüpfungspunkte und Entscheidungslinien

Der Fall „YouTube“: Video-Streaming und Verantwortungsabgrenzung

Im Ausgangsfall wurde YouTube vorgeworfen, durch das Bereithalten und Zugänglichmachen fremder, urheberrechtlich geschützter Musikwerke für eine öffentliche Wiedergabe zu sorgen. Hierbei stellten Dritte ohne Zustimmung der Rechteinhaber Musikaufnahmen zum Abruf ein. Kern der rechtlichen Bewertung war, inwiefern YouTube als Dienstanbieter für diese Veröffentlichungen haftet oder ob die Verantwortung ausschließlich auf Seiten der Nutzer verbleibt.

Der Fall „Uploaded“: File-Hosting als Geschäftsmodell

Analog gelagerte Fragestellungen wurden im Zusammenhang mit dem Dienst „Uploaded“ aufgeworfen, den die Beklagte als Sharehoster betreibt. Dabei lud ein Nutzer urheberrechtsgeschützte Werke zum Download hoch, ebenfalls ohne Einwilligung der Rechteinhaber. Die zentrale Rechtsfrage richtete sich darauf, ob der bloße technische Dienst des Hostings und die Gewährung von Zugriffsmöglichkeiten eine unmittelbare Haftung nach sich ziehen.

Die Kernpunkte der BGH-Entscheidung

Differenzierung zwischen Plattform- und Nutzerverantwortung

Nach der Zurückverweisung durch den EuGH legte der BGH in seiner Entscheidung fest, dass die Haftung von Plattformanbietern präzise zu unterscheiden ist. Es genügt nicht, allein auf die technische Bereitstellung abzustellen, solange keine eigennützige und zielgerichtete Förderung von Urheberrechtsverletzungen hinzutritt oder der Betreiber sich die Inhalte ausdrücklich zu eigen macht. Somit verbleibt die unmittelbare Verantwortlichkeit regelmäßig bei den Nutzern, die rechtswidrige Inhalte verbreiten.

Pflichten ab Kenntniserlangung und Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung

Erhebt ein Rechteinhaber konkrete Beanstandungen und setzt der Plattformbetreiber sich trotz offensichtlicher und eindeutiger Hinweisgebung nicht hinreichend mit der Entfernung – der sogenannten Notice-and-Takedown-Obliegenheit – auseinander, kann eine eigene Haftung begründet werden. Plattformen trifft daher eine gesteigerte Pflicht, nach Eingang entsprechender Hinweise unverzüglich zu agieren, um fortdauernde Rechtsverletzungen zu unterbinden.

Zur „öffentlichen Wiedergabe“ als Haftungsmaßstab

Entscheidend ist die Frage, ob der Plattformbetreiber zur öffentlichen Wiedergabe „beiträgt“ – etwa durch gezielte Content-Empfehlungen, redaktionelle Selektionen, Monetarisierungsinteressen oder wirtschaftliche Förderung illegaler Uploads. Bleibt die Rolle im Wesentlichen passiv, etwa auf die Bereitstellung von Speicherplatz und technischen Funktionen beschränkt, ist regelmäßig keine Zurechnung im Sinne einer Täterschaft möglich. In den streitgegenständlichen Fällen verneinte der BGH das Vorliegen einer eigenen öffentlichen Wiedergabe durch YouTube und Uploaded.

Konsequenzen für die Unternehmenspraxis

Wirtschaftliche Auswirkungen und Compliance-Pflichten

Für Unternehmen, Investorengruppen und Betreiber digitaler Plattformen ergibt sich aus der BGH-Entscheidung eine Stärkung der Rechtsposition, solange angemessene Kontroll- und Reaktionsmechanismen implementiert sind und insbesondere ab Hinweis auf konkrete Verstöße angemessen reagiert wird. Gleichzeitig bleibt eine sorgfältige Dokumentation der Maßnahmen und eine kritische Überprüfung der eigenen Plattformstrukturen unerlässlich, um eine Haftungsverschärfung aufgrund unterlassener Handlung auszuschließen.

Europarechtliche Einflüsse und künftige Gesetzgebung

Die tragenden Erwägungen des BGH stehen im Kontext fortlaufender europarechtlicher Harmonisierungsbestrebungen, namentlich im Zuge der Umsetzung der DSM-Richtlinie (EU), wonach Plattformen ab Inkrafttreten neue, teilweise verschärfte Sorgfaltspflichten treffen. Die Auslegung der bestehenden Rechtsprechung muss angesichts der Dynamik der Gesetzeslage laufend überprüft werden, da die endgültige Rechtssicherheit vielfach von weiteren wegweisenden Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene abhängt.

Laufende Entwicklungen und Ausblick

Die Debatte um die Verantwortung von Intermediären für digital vermittelte Urheberrechtsverletzungen bleibt ein dynamisches Rechtsgebiet, das durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und technische Innovationen geprägt wird. Die Entscheidungen des BGH und des EuGH entfalten Signalwirkung weit über die betrachteten Einzelfälle hinaus und stellen zugleich die Weichen für weitere, praktisch bedeutsame Abgrenzungen zur Plattformhaftung.

Gerade mit Blick auf die Interessen von Unternehmen, Rechteinhabern, Investoren und Technologieanbietern sind rechtliche Bewertungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes mit größtmöglicher Präzision vorzunehmen und fortlaufend an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Für weiterführende Fragen und eine vielschichtige Bewertung Ihrer individuellen Ausgangssituation stehen Ihnen unsere Ansprechpartner im Bereich Rechtsberatung im Urheberrecht bereit.

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