BGH bestätigt Haftung der KfW für Vergleichskosten beim Telekom-Börsengang

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Hintergrund des BGH-Urteils zur Haftung der KfW im Zusammenhang mit dem dritten Börsengang der Deutschen Telekom

Im Jahr 2011 befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 31. Mai (II ZR 141/09) mit grundlegenden Fragen der Organhaftung, Kostenübernahme und den rechtlichen Implikationen von Vergleichsaufwendungen Dritter. Der Kontext war der dritte Börsengang der Deutschen Telekom AG im Jahr 2000 und daran anknüpfende wertpapierrechtliche Haftungsverfahren. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gegenüber ihrem Tochterunternehmen für Aufwendungen aus einem Vergleich gegenüber geschädigten Aktionären einzustehen hat.

Relevanz des Falls für das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Das Urteil berührt mehrere zentrale Bereiche des Gesellschaftsrechts sowie Aspekte der öffentlichen Unternehmensbeteiligung. Die Deutsche Telekom AG war im Rahmen des dritten Börsengangs Teil eines umfangreichen öffentlichen Aktienverkaufs. Die KfW, als staatliche Bank mit Anteilseignerschaft an der Telekom, handelte im Zuge des Börsengangs abgestimmt mit der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik selbst trat bei dem betreffenden Aktienverkauf als unmittelbare Verkäuferin auf, während die KfW diesen Prozess unterstützte, insbesondere durch ihre Rolle in der Platzierung der Aktien.

Sachverhalt und Prozessgeschichte

Ausgangspunkt: Dritter Börsengang und Klagewellen

Im Rahmen der Emission wurde zahlreichen Anlegern Telekom-Aktien zum Ausgabepreis angeboten. Nachdem der Kurs der Aktien in der Folge massiv einbrach, reichten zahlreiche Aktionäre Schadensersatzklagen gegen verschiedene beteiligte Institutionen ein. Im Zuge der rechtlichen Auseinandersetzungen kam es seitens der Telekom AG in mehreren Gerichtsverfahren zu Vergleichen mit den Anlegern. Die Telekom AG nahm daraufhin die KfW aus dem Titel Rückgriffsanspruch wegen gemeinsamer Verantwortlichkeit für die Vergleiche in Anspruch.

Prozessverlauf und Vorinstanzen

Bereits die Vorinstanzen hatten sich mit der Haftungssituation zwischen der KfW und der Telekom befasst. Während zunächst uneinheitliche Auffassungen hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Vergleichskosten bestanden, konkretisierte letztlich der BGH den Maßstab, unter welchen Bedingungen die Durchgriffshaftung und damit die Aufwandsersatzpflicht greifen.

Kernaussagen und rechtliche Würdigung des BGH

Voraussetzungen für die Ersatzpflicht der KfW

Der BGH führte aus, dass eine Gesellschaft, welche im Rahmen eines Börsengangs als Verkäuferin von Aktien auftritt und dabei durch ein Tochterunternehmen bzw. eine abhängige Gesellschaft unterstützt wird, unter Umständen im Innenverhältnis zur Übernahme von Vergleichskosten verpflichtet ist. Voraussetzung ist das Vorliegen eines besonderen Näheverhältnisses zwischen Mutter- und Tochterunternehmen, das über eine bloße gesellschaftsrechtliche Beteiligung hinausgeht. In Betracht stehen hier insbesondere Fälle, in denen das Mutterunternehmen aktiv an der Veräußerung teilnimmt oder diese maßgeblich prägt.

Entscheidend war im konkreten Fall: Die KfW hatte nicht nur formal, sondern auch wirtschaftlich die Emissionsentscheidung maßgeblich mitbestimmt und die Durchführung des Börsengangs in erheblicher Weise mitgestaltet. Hieraus erwuchs eine faktische Mitverantwortung für die im Nachgang entstandenen kapitalmarktrechtlichen Risiken.

Maßstab für den Ersatz von Vergleichsaufwendungen

Ein zentrales Element des Urteils ist die Bewertung, ob und inwieweit durch Vergleiche entstandene Kosten erstattungsfähig sind. Der BGH stellte insoweit klar, dass nicht jede freiwillige Vergleichszahlung einen Erstattungsanspruch begründet. Vielmehr müsse die getroffene Vergleichsvereinbarung wirtschaftlich geboten, sachlich vertretbar und unter Berücksichtigung des Prozessrisikos angemessen erscheinen. Nur infolge dieses Maßstabs bestehe eine Erstattungspflicht der Mutter gegenüber der Tochter. Die Darlegungslast liegt bei der Ersatz fordernden Gesellschaft.

Rechtsfolgen und Zurechnung im Konzernverbund

Der Entscheidung kommt im Konzernverbund eine hervorgehobene Relevanz zu: Sie verdeutlicht, dass die faktisch bestimmenden Gesellschaften unter bestimmten Bedingungen entsprechend der Dogmatik der Drittschadensliquidation, aber insbesondere auch aus einer eigenen Haftung heraus, für Kosten der Rechtsverteidigung und Zufriedenstellung anspruchsstellender Dritter einzustehen haben. Im Kontext von Emissionen und Börsengängen betrifft dies insbesondere die Komplexität aus Public-Private-Partnership-Strukturen, wie sie zwischen Bund, KfW und Telekom bestanden.

Auswirkungen und Bedeutung für den Kapitalmarkt

Das Urteil stärkt die Position von emittierenden Aktiengesellschaften im Verhältnis zu mitverantwortlichen Großaktionären – namentlich im Bereich der Bundesbeteiligungen und öffentlich-rechtlicher Banken. Es schafft Klarheit über die Rückgriffsmöglichkeiten bei Vergleichsaufwendungen nach Anlegerklagen, insbesondere wenn mehrere Akteure einem gemeinsamen Risiko ausgesetzt sind und die tatsächlichen Entscheidungsstrukturen im Konzern die Verantwortlichkeit determinieren. Zugleich präzisiert das Urteil die Anforderungen an die Dokumentation und Begründung der Begleichung von Vergleichsforderungen im Innenverhältnis.

Gerade vor dem Hintergrund der markanten Schadenssummen bei Großemissionen und massenhaften Anlegerverfahren ist die Entscheidung ein Leitbild für die Ausgestaltung interner Haftungsvereinbarungen und die Absicherung von Regressrisiken im Rahmen von öffentlichen Aktienplatzierungen und darauf folgenden Sekundärmarktprozessen.

Rechtlicher Ausblick und Hinweise

Das Urteil des BGH hat Signalwirkung für die interne Risikoverteilung im Rahmen komplex strukturierter Kapitalmarkttransaktionen und prägt die künftige Vertrags- und Haftungspraxis bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften und Börsengängen mit staatlicher Beteiligung. Zugleich zeigt die Entscheidung auf, dass präzise Dokumentations- und Abgrenzungspflichten hinsichtlich Verantwortlichkeiten in kapitalmarktrechtlich sensiblen Konstruktionen erfolgen sollten, um langwierige Auslegungslasten vermeiden zu helfen.

Für Unternehmen, Investoren sowie weitere Akteure des Kapitalmarkts ergeben sich daraus signifikante Einflussfaktoren für die Ausgestaltung von Prospekt- und Emissionsverfahren, aber auch für die Haftungsabsicherung im Konzern. Unternehmen, die in vergleichbare Konstellationen involviert sind, könnten in Erwägung ziehen, Haftungsfragen bereits im Vorfeld von Kapitalmarkttransaktionen klar vertraglich zu regeln und interne Rückgriffsmöglichkeiten zu strukturieren.

Bei weitergehenden rechtlichen Fragestellungen rund um Haftungsrisiken, Schadensersatz oder Rückgriffskonstellationen im Bereich des Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechts kann es hilfreich sein, spezialisierte Unterstützung einzubeziehen, um Risiken zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. Weitere Informationen und eine individuelle Rechtsberatung im Kapitalmarktrecht bietet MTR Legal unter folgendem Link: Rechtsberatung im Kapitalmarktrecht.

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