Keine automatische Anpassung betrieblicher Altersversorgung an Kaufkraftverlust – Klarstellung durch das BAG
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 2025 (Az: 3 AZR 242/5) zentrale Fragen zur Anpassungsverpflichtung der betrieblichen Altersversorgung im Lichte der Inflationsentwicklung präzisiert. Konkret stellt das Gericht klar, dass Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet sind, Betriebsrenten ohne Weiteres in gleichem Maße, wie es Kaufkraftverluste nahelegen könnten, anzupassen. Diese Entscheidung greift wesentliche wirtschafts- und arbeitsrechtliche Aspekte auf, die für Unternehmen und Versorgungsempfänger gleichermaßen von Relevanz sind.
Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung und Anpassungsprüfung
Die betriebliche Altersversorgung stellt einen zentralen Baustein der Altersabsicherung im deutschen Arbeitsrecht dar und ist rechtlich insbesondere im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt. Nach § 16 BetrAVG haben Arbeitgeber grundsätzlich im Dreijahresrhythmus zu prüfen, ob die laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an den aktuellen Stand angepasst werden müssen.
Entscheidend hierbei ist die Beachtung der wirtschaftlichen Belastbarkeit des Unternehmens sowie der Aspekt des Kaufkraftverlustes und der allgemeinen Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Dabei ist Arbeitgebern ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen – eine vollautomatische Erhöhung der Betriebsrente um die Inflationsrate sieht das Gesetz nicht vor.
Maßgebliche Kriterien der Anpassungsentscheidung
Im Zentrum des durch das BAG entschiedenen Falles stand die Frage, wie Bezugnahmen auf den Kaufkraftverlust sowie unternehmerische Interessen im Rahmen der gesetzlichen Anpassungsprüfung konkret miteinander in Einklang zu bringen sind. Die Rechtsprechung betont, dass die Anpassungsbedürftigkeit der Versorgungsleistung auf Basis eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Versorgungsempfänger ausgelotet werden muss.
Kaufkraftverlust als eines von mehreren Beurteilungselementen
Ein reiner Verweis auf die Preissteigerungsrate ist nach der BAG-Entscheidung nicht ausreichend, um eine Anpassungsverpflichtung auszulösen. Arbeitgeber müssen im Rahmen ihrer Prüfung verschiedene Faktoren gegeneinander abwägen, wobei auch der Verlauf der Kaufkraftberechnung zu berücksichtigen ist. Das Ausbleiben einer vollständigen Anpassung an Kaufkraftveränderungen ist dabei für sich genommen regelmäßig nicht als unangemessen zu qualifizieren.
Wirtschaftliche Lage des Unternehmens
Ein zentrales Kriterium stellt die wirtschaftliche Leistbarkeit der Anpassung für das jeweilige Unternehmen dar. Insbesondere sollen Arbeitgeber nicht durch gesetzliche Vorgaben dazu gezwungen werden, Betriebsrenten anzupassen, wenn dies die wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens auf unverhältnismäßige Weise belasten würde. Mit dieser Systematik wird sichergestellt, dass die betriebliche Altersversorgung sowohl Element der Verantwortung gegenüber den Versorgungsempfängern als auch der betrieblichen Stabilität bleibt.
Besonderheiten der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem aktuellen Urteil verdeutlicht, dass eine automatische Bindung der Anpassungshöhe an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, etwa mittels Indexierung an einschlägige Verbraucherpreisindizes, ausbleibt. Damit wurde die allgemeine Rechtsprechungslinie fortgeführt, nach der auch eine längere Phase ausbleibender Anpassungen nicht zwangsläufig als Verstoß gegen die Anpassungspflicht zu bewerten ist, wenn diese Entscheidung sachlich begründet und dokumentiert wurde.
Zudem hebt das Gericht hervor, dass die konkrete Ausgestaltung der Anpassungsprüfung einzelfallbezogen und nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien erfolgen muss. Ein Automatismus bei der Übernahme der Inflationsrate als Anpassungsmaßstab ist ausdrücklich nicht vorgesehen.
Praxisfolgen für Unternehmen und Versorgungsempfänger
Gerade in Zeiten steigender Inflation gewinnen die Anforderungen an die regelmäßig durchzuführende Anpassungsprüfung an Bedeutung. Unternehmen sind angehalten, die Entscheidung transparent und nachvollziehbar zu treffen und sowohl interne wirtschaftliche Daten als auch externe Wirtschaftsindikatoren heranzuziehen.
Versorgungsempfänger wiederum haben keinen Anspruch auf eine rein automatische Anhebung ihrer Betriebsrenten, solange die Prüfung gemäß § 16 BetrAVG sachgerecht erfolgt und die Interessen des Versorgungsempfängers angemessen mit den wirtschaftlichen Belangen des Unternehmens abgewogen werden.
Fazit und Ausblick
Das Urteil betont die Notwendigkeit einer ausgewogenen und sachbezogenen Entscheidung im Rahmen der gesetzlichen Anpassungsprüfung von Betriebsrenten. Die maßgeblichen Parameter finden ihre Grenzen dort, wo erhebliche wirtschaftliche Belastungen für das Unternehmen entstehen oder die Anpassung als missbräuchlich anzusehen wäre. In Anbetracht der von der Rechtsprechung dargestellten Anforderungen sollten sowohl Unternehmen als auch Versorgungsempfänger die komplexe Interessenlage sorgfältig im Blick behalten.
Für Unternehmen und Arbeitnehmer, die sich mit Fragen zur betrieblichen Altersversorgung und dem Umgang mit inflationsbedingten Anpassungsbegehren konfrontiert sehen, empfiehlt sich eine eingehende Prüfung der individuellen Situation. Bei weitergehenden rechtlichen Fragestellungen zum betrieblichen Versorgungssystem und seinen Anpassungsmechanismen können Sie eine fundierte Rechtsberatung im Arbeitsrecht durch MTR Legal Rechtsanwälte in Anspruch nehmen.