Besucherring bei Kartenvermittlung für Staatstheater ohne Handelsvertreterstatus

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Vermittlung von Theaterkarten im Rahmen eines Besucherrings: Kein Handelsvertreterstatus nach OLG Frankfurt am Main

Die Tätigkeit von Besucherringen im Rahmen der Kartenvermittlung für staatliche Theater bildet einen Schnittpunkt zwischen bürgerlichem Vertragsrecht und dem Vertriebsrecht. Diesbezüglich hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 16. Oktober 2015, Az. 5 U 43/15) klargestellt, dass Besucherringe, welche als Mittler zwischen Theatern und Endabnehmern auftreten, unter bestimmten Umständen keinen Anspruch auf die Rechtsstellung eines Handelsvertreters nach §§ 84 ff. HGB besitzen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der ausführlichen rechtlichen Analyse des Falles, den zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichts sowie den möglichen Auswirkungen für ähnliche Geschäftsmodelle im Veranstaltungsbereich.

Ausgangslage des Falles

Vertragskonstellation zwischen Staatstheater und Besucherring

Im Streitfall hatte ein Besucherring für seine Mitglieder Eintrittskarten zu Veranstaltungen eines Staatstheaters bezogen und diese sodann an die Mitglieder weitergeleitet. Ziel war es, einem festen Mitgliederkreis die Teilnahme an ausgewählten Aufführungen zu ermöglichen. Die Organisation und Verteilung der Karten erfolgte durch den Besucherring, der von seinen Mitgliedern einen Mitgliedsbeitrag erhob.

Streitgegenstand: Anspruch auf Handelsvertreterprovision

Die Auseinandersetzung drehte sich um die Frage, ob dem Besucherring ein Provisionsanspruch als Handelsvertreter gemäß den entsprechenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zusteht. Das Staatstheater verneinte dies mit dem Verweis, dass der Besucherring nicht für das Theater, sondern im eigenen Namen tätig gewesen sei.

Kernaussagen des Gerichts

Systematische Abgrenzung: Handelsvertreter und Eigenhändler

Das Oberlandesgericht Frankfurt differenzierte im vorliegenden Urteil sorgfältig zwischen der typischen Stellung eines Handelsvertreters und der eines Eigenhändlers (vgl. §§ 84 ff. HGB). Für die Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses ist maßgeblich, dass der Vertreter dauerhaft im fremden Namen und auf fremde Rechnung Geschäfte vermittelt oder abschließt.

Im Gegensatz dazu liegt ein Eigenhändlerverhältnis vor, wenn ein Unternehmer Waren oder Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreibt – unabhängig davon, ob die Produkte vom „Lieferanten“ stammen oder nicht.

Anwendung auf den Besucherring

Das Gericht stellte fest, dass der Besucherring die Eintrittskarten beim Theater eigenständig erwirbt und diese sodann eigenverantwortlich und im eigenen Namen an seine Mitglieder weiterveräußert. Demnach agiere der Besucherring nicht als Vermittler, der lediglich zwischen Theater und Endkunde steht, sondern als eigenständiger Käufer und Verkäufer. Die wirtschaftliche Risikoverteilung und die Vertragsbeziehungen bestätigten diese Einordnung.

Folglich sei weder ein Vermittlungs- noch ein Abschlussvertreterverhältnis im Rechtssinne gegeben. Dies schließt Ansprüche auf Handelsvertreterprovision und die einschlägigen Schutzrechte, wie sie das HGB vorsieht, aus.

Rechtliche Einordnung und Folgen für die Praxis

Vertriebsrechtliche Relevanz für Kunst- und Kulturveranstalter

Das Urteil schafft Klarheit für Veranstalter, Beziehergruppen und Besucherringe hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation solcher Beziehungen. Insbesondere eröffnet es eine klare Linie zur Abgrenzung von Handelsvertreterverhältnissen im künstlerischen Bereich, in welchem vielfach ähnliche Vertriebsmodelle anzutreffen sind.

Unternehmen, die auf Eintrittskartenvermittlung setzen, sind angehalten, die Vertragsstruktur präzise zu definieren und dabei die vermeintliche Beauftragung von Zwischenhändlern rechtlich einzuordnen. Die Frage der Risikotragung und der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Vermittlers oder Wiederverkäufers kann entscheidend dafür sein, ob handelsvertreterrechtlicher Schutz (z.B. Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB) in Betracht kommt oder nicht.

Bedeutung für zukünftige Vertragsgestaltungen

Das Urteil unterstreicht die Relevanz einer akkuraten und klaren Gestaltung der zugrundeliegenden Verträge. Sofern eine Partei im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agiert, liegt regelmäßig kein Handelsvertreterverhältnis vor. Im Falle einer Vermittlungs- oder Abschlussvertretertätigkeit sind hingegen die Kriterien des § 84 HGB zu prüfen. Dies betrifft insbesondere die Fragen, ob eine nachhaltige, eigenständige Vermittlungstätigkeit im fremden Namen und auf fremde Rechnung vorliegt, und welche wechselseitigen Rechte und Pflichten hieraus entstehen.

Potenzielle Vertragspartner sollten zudem die steuer- und gesellschaftsrechtlichen Implikationen einer solchen Zusammenarbeit im Auge behalten.

Schlussbemerkung

Das Urteil des OLG Frankfurt vom 16. Oktober 2015 verdeutlicht, dass bei der Vermittlung von Eintrittskarten durch Besucherringe die Einordnung als Handelsvertreter im Sinne des HGB nicht automatisch gegeben ist. Maßgeblich bleiben stets die konkreten vertraglichen und tatsächlichen Gegebenheiten.
Für Fragen im Zusammenhang mit der rechtlichen Gestaltung von Vertriebssystemen, insbesondere im Bereich der Veranstaltungswirtschaft, kann eine individuelle rechtliche Prüfung sinnvoll sein.
Die Rechtsanwälte bei MTR Legal stehen Ihnen für eine diskrete und fundierte Analyse Ihrer vertraglichen Strukturen gerne zur Verfügung.

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