Besteuerung von sexuellen Dienstleistungen: Regeln zur Vergnügungssteuer

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Einordnung sexueller Vergnügungen im Kontext der Vergnügungssteuer

Die Frage, ob entgeltliche sexuelle Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Vergnügungssteuer fallen, beschäftigt seit Jahren die Finanz- und Rechtswissenschaften. Anlass hierzu bot ein aufsehenerregendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 16.05.2011 – 2 S 196/10), in dem die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Vergnügungssteuer auf rein sexuelle Handlungen in einem Bordellumfeld zu beurteilen war. Die Entscheidung berührt zentrale Fragestellungen zur Reichweite kommunaler Steuerhoheit, zur Abgrenzung steuerbarer Tatbestände und zu den Grenzen steuerlicher Gestaltungsfreiheit im sensiblen Bereich der Erotikdienstleistungen.

Die steuerliche Qualifikation sexueller Vergnügungen

Rahmenbedingungen der Vergnügungssteuer

Die Vergnügungssteuer zählt zu den kommunalen Aufwandsteuern, deren Erhebungskompetenz gemäß Art. 105 Abs. 2a GG bei den Ländern liegt und durch kommunale Satzungen ausgestaltet wird. Traditionell war sie auf den Kinobesuch, Tanzveranstaltungen, Spielhallen sowie das Halten von Automaten beschränkt. In jüngerer Zeit erweiterten zahlreiche Städte und Gemeinden ihren steuerlichen Zugriff auf erotische Veranstaltungen und Angebote; so auch im zu entscheidenden Fall.

Steuergegenstand bei sexuellen Dienstleistungen

Kernfrage im entschiedenen Fall war, ob das entgeltliche Angebot sexueller Handlungen in Prostitutionsbetrieben – losgelöst von einer Automatisierungs- oder Veranstaltungsstruktur – als steuerbares „Vergnügen” im Sinne der kommunalen Steuergesetze zu werten ist. Der VGH Baden-Württemberg stellte klar, dass es für die Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist, dass ein Element der Veranstaltung, technischen Vorrichtung oder des Spielapparates vorliegt. Vielmehr reiche es aus, wenn die Möglichkeit zur Teilnahme an sexuellen Handlungen gegen Entgelt geschaffen werde und dieses Angebot – objektiv betrachtet – der Befriedigung des Vergnügungsbedürfnisses diene.

Verfassungsrechtliche Aspekte und Steuerzweck

Zulässigkeit der Ausweitung auf sexuelle Handlungen

Die Ausweitung der Vergnügungssteuer auf den Bereich der Prostitution wirft verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Besteuerungshoheit, der Gleichbehandlung und der Bestimmtheit von Steuertatbeständen auf. Der VGH Baden-Württemberg befand in der genannten Entscheidung die Erhebung der Vergnügungssteuer in diesem Kontext für grundsätzlich zulässig. Das Gericht sah keine unzulässige Überschreitung des Regelungsrahmens, da § 3 Abs. 1 KAG BW den Kommunen ausdrücklich die Möglichkeit eröffne, auf „Vergnügungen besonderer Art” Steuern zu erheben.

Abgrenzung zur Umsatz- und Einkommensteuer

Die Anwendung der Vergnügungssteuer auf sexuelle Dienstleistungen steht im Nebeneinander zur bereits bestehenden Umsatz- und Einkommensteuerpflicht in diesem Segment. Der Verwaltungsgerichtshof betonte, dass die Erhebung kommunaler Aufwandsteuern neben den Bundessteuern zulässig ist, solange sich die Steuerarten in Zielrichtung und Steuergegenstand unterscheiden. Während die Umsatzsteuer die unternehmerische Tätigkeit besteuert, knüpft die Vergnügungssteuer an den individuellen Aufwand des Konsumenten für eine gezielte Erlebnisbefriedigung an.

Praktische Auswirkungen für Bordellbetreiber und Kommunen

Erhebung, Bemessung und Kontrollmechanismen

Die Ausgestaltung der Steuerpflicht liegt im Ermessen des Satzungsgebers. Häufig wird die Steuer entweder pauschal pro Veranstaltung, Quadratmeterfläche oder anhand der Anzahl der angebotenen Dienstleistungen erhoben. Für Betreiber von Prostitutionsstätten bedeutet dies eine weitere administrative Herausforderung. Die Kommunen sind gehalten, ein in sich stimmiges Kontroll- und Durchsetzungskonzept zu etablieren, das einerseits einen effektiven Steuervollzug gewährleistet, andererseits aber die berechtigten Belange von Betrieben, Beschäftigten und Gästen angemessen berücksichtigt.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Dimensionen

Die zusätzliche steuerliche Belastung kann sich substanziell auf die Rentabilität der Betriebe auswirken. Diskutiert werden zudem Auswirkungen auf das Preisgefüge, die Wettbewerbsfähigkeit legaler Betriebe und einen möglichen Anreiz zur Verlagerung in den informellen Sektor. Kritisch hinterfragt wird in Rechtsprechung und Literatur, ob eine steuerliche Lenkungswirkung beabsichtigt oder nur fiskalische Motive im Vordergrund stehen.

Ausblick und rechtliche Herausforderungen

Angesichts der fortschreitenden Ausdifferenzierung kommunaler Steuergesetzgebungen und aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen bleibt abzuwarten, ob und wie sich die steuerliche Belastungssituation für Betriebe des Erotikgewerbes auf Bundes- oder Unionsebene weiterentwickelt. Inzwischen haben weitere Obergerichte ähnliche Rechtsauffassungen vertreten, doch können die konkreten Sachverhalte und Satzungsregelungen maßgeblich variieren. Im Einzelfall bilden Fragen der Steuerbemessung, der Abgrenzung steuerbarer von nicht steuerbarer Dienstleistungen sowie verfassungsrechtliche Prüfungen regelmäßig Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfungen.

Gerade Unternehmen und Investoren aus dem Bereich der Freizeit- und Unterhaltungsbranche, die grenzüberschreitend tätig sind, sehen sich vielfach mit komplexen Fragestellungen rund um Aufwandsteuern, deren Anrechnung und Folgen konfrontiert. Bei vertieften steuerrechtlichen Fragen und der Suche nach maßgeschneiderten Lösungen empfiehlt sich eine profunde Analyse der einschlägigen Vorschriften und laufenden Rechtsprechung. Gern stehen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von MTR Legal unter Rechtsberatung im Steuerrecht für eine individuelle und belastbare Beurteilung zur Verfügung.

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