Klärung der Bemessung des angemessenen Ausgleichs für Minderheitsaktionäre im Rahmen eines Beherrschungsvertrags
Die Ermittlung eines angemessenen Ausgleichs für Minderheitsaktionäre im Zusammenhang mit einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen einer herrschenden und einer abhängigen Gesellschaft zählt zu den tragenden Themen im Bereich des Gesellschaftsrechts. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main (Beschluss vom 6. April 2021, Az.: 21 W 139/19) beleuchtet die Möglichkeit, den maßgeblichen Ausgleich nicht auf der Grundlage des Börsenkurses der abhängigen Gesellschaft, sondern anhand des Börsenwerts der herrschenden Gesellschaft zu bestimmen.
Grundlegende Erwägungen zur Angemessenheit des Ausgleichs
Nach den Vorgaben des Aktiengesetzes (§ 304 AktG) ist bei Schließung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ein Ausgleich für Minderheitsaktionäre zu leisten, der die wirtschaftlichen Interessen der außenstehenden Aktionäre schützen soll. Die Höhe dieses Ausgleichs orientiert sich dabei am hypothetischen Ertrag, den die Anteile der Minderheitsaktionäre bei einem Weiterbestehen der Gesellschaft und ohne Beherrschungsvertrag abwerfen würden.
Maßstab Börsenkurs: Entscheidende Bewertungsansätze
Traditionell erfolgt die Ermittlung des angemessenen Ausgleichs mittels einer Unternehmensbewertung, die häufig auf das Ertragswertverfahren oder den Börsenkurs der abhängigen Gesellschaft abstellt. Das OLG Frankfurt am Main präzisiert in seiner Entscheidung jedoch, dass auch der Börsenwert der herrschenden Gesellschaft als Bezugsgröße herangezogen werden kann, sofern dieser eine realitätsnahe Grundlage bietet und der Wert der abhängigen Gesellschaft im Börsenkurs der herrschenden Gesellschaft hinreichend reflektiert ist.
Voraussetzungen für die Anwendung des Börsenkurses der herrschenden Gesellschaft
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- Verbundene wirtschaftliche Entwicklung: Es ist erforderlich, dass sich die Wertentwicklung und Ertragskraft der abhängigen Gesellschaft substanziell im Börsenkurs der herrschenden Gesellschaft abbilden.
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- Nachvollziehbare Bewertungsmethodik: Es muss gewährleistet sein, dass keine einseitigen Bewertungsverschiebungen zu Lasten der Minderheitsaktionäre eintreten. Der gewählte Maßstab muss das Ziel der Ausgleichszahlung nach § 304 AktG, die Wahrung der Teilhaberechte der Minderheitsaktionäre, gewährleisten.
Bedeutung der Entscheidung für Minderheitsaktionäre und Gesellschaften
Der Beschluss des OLG Frankfurt am Main erweitert den Bewertungsrahmen für die Ermittlung des Ausgleichs bei Beherrschungsverträgen. Minderheitsaktionäre erhalten dadurch einen erweiterten rechtlichen Anknüpfungspunkt, um die Ansetzung der Ausgleichszahlung überprüfen zu lassen – insbesondere dann, wenn der Börsenkurs der abhängigen Gesellschaft möglicherweise verzerrt ist oder unzureichend das unternehmerische Potenzial widerspiegelt.
Zudem entsteht für die Vertragsparteien eines Beherrschungsvertrags ein höherer Prüfungs- und Dokumentationsaufwand, da die Heranziehung des Börsenkurses der herrschenden Gesellschaft nur dann zulässig ist, wenn die Umstände des Einzelfalls sachgerecht und umfassend dargelegt werden. Regelmäßig wird es erforderlich sein, nachzuweisen, dass der Beteiligungswert der abhängigen Gesellschaft auf den Börsenkurs der herrschenden Gesellschaft durchschlägt und die Interessen der außenstehenden Aktionäre wahrt.
Rechtlicher Kontext und Perspektiven
Das OLG Frankfurt am Main betont, dass die Wahl des Bewertungsmaßstabs immer von den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt. Damit bleiben Gerichte und Vertragsparteien gefordert, alle relevanten Tatsachen sorgfältig zu würdigen und unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Minderheitsaktionäre zu entscheiden.
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, inwieweit weitere obergerichtliche Entscheidungen oder höchstrichterliche Rechtsprechung diese Linie bestätigen oder weiterentwickeln werden. Für laufende Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass die rechtliche Bewertung stets am Stand der jeweils aktuellen Rechtsprechung zu orientieren ist.
Schlussbemerkung
Die präzisierte Möglichkeit, den Börsenkurs der herrschenden Gesellschaft als Maßstab für die Bemessung des Ausgleichs von Minderheitsaktionären heranzuziehen, erweitert die Bewertungsoptionen und ist von großer praktischer Bedeutung für die Ausgestaltung und Umsetzung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen.
Bei weitergehenden Fragen zu den rechtlichen Anforderungen und möglichen Optionen im Kontext der Angemessenheit von Ausgleichszahlungen bei Unternehmensverträgen stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal gerne für eine weiterführende Prüfung der individuellen Sachlage zur Verfügung.