Abwerbung von Mitarbeitenden: Rechtliche Einordnung und aktuelle Entwicklungen
Die gezielte Ansprache von Arbeitnehmenden durch konkurrierende Unternehmen ist ein wiederkehrendes Thema in der unternehmerischen Praxis. Im Zentrum steht dabei der Balanceakt zwischen zulässigem Wettbewerb und dem Schutz berechtigter Interessen des bisherigen Arbeitgebers. Die aktuelle Entscheidung des Landgerichts Koblenz (Az.: 11 O 12/24, Urteil vom 25.04.2024; Quelle: urteile.news) beleuchtet diese Thematik mit Blick auf eine zunehmende Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sowie wachsende Herausforderungen beim Umgang mit Know-how und Kontaktnetzwerken.
Rahmenbedingungen der Mitarbeiterabwerbung im Wettbewerbsrecht
Zulässigkeit des Abwerbens als Ausdruck von Wettbewerb
Die gezielte Kontaktaufnahme mit Beschäftigten eines konkurrierenden Unternehmens ist grundsätzlich von der durch das Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit gedeckt. Das Recht zum Arbeitswechsel steht sowohl der abgeworbenen Person als auch dem konkurrierenden Unternehmen zu. Die Grenzen des Zulässigen ergeben sich jedoch insbesondere aus § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Unzulässigkeit bei unangemessener Einflussnahme oder Rechtsverletzung
Unlautere Methoden, etwa das Ausnutzen von Geschäftsgeheimnissen, das systematische Herauskaufen ganzer Teams oder gezielte Maßnahmen zur Destabilisierung des Mitbewerbers, können einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen. Auch die Verwendung nichtöffentlicher interner Daten oder die Anstiftung zum Vertragsbruch kann eine Grenze überschreiten. Zentral ist die Abgrenzung zwischen bloßer Kontaktaufnahme und dem Einsatz von Zwangsmitteln, Täuschung oder unerlaubtem Wissenstransfer.
Wesentliche Inhalte des Urteils des LG Koblenz
Verfahrensverlauf und Streitstand
Im zugrundeliegenden Fall machte ein Unternehmen geltend, der Wettbewerber habe durch gezielte Ansprache von Mitarbeitenden wesentliche Geschäftsinteressen verletzt. Dabei wurde behauptet, die kontaktierte Person sei unter Zuhilfenahme besonderer Mittel – etwa durch Ausnutzung vertraulicher Informationen – zum Wechsel bewegt worden. Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht rechtskräftig abgeschlossen; es gilt die Unschuldsvermutung (§ 261 StPO).
Kernaussagen und rechtliche Erwägungen
Das Landgericht stellte klar, dass die bloße Kontaktaufnahme eines konkurrierenden Unternehmens mit Beschäftigten des Mitbewerbers nicht per se als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Ein Unterlassungsanspruch wird erst dann begründet, wenn weitere wettbewerbswidrige Umstände hinzutreten, beispielsweise das Heranziehen von Geschäftsgeheimnissen oder das systematische Abwerben mit dem Ziel der existenziellen Schwächung des Konkurrenten. Im vorliegenden Sachverhalt erkannte das Gericht keine unlauteren Methoden, da weder eine rechtswidrige Informationsbeschaffung noch eine besondere Drucksituation festzustellen war.
Folgen für den Markt und Unternehmenspraxis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Abwerbungsversuche einer strengen Differenzierung unterliegen: Während die unternehmerische Freiheit zur Kontaktaufnahme weiterhin ein tragendes Prinzip darstellt, wird zugleich ein deutlicher Schutzmechanismus zugunsten des bisherigen Arbeitgebers gezogen, sobald Wettbewerbsverzerrung oder Rechtsverletzungen in Rede stehen. Unternehmen sind daher gehalten, derartige Kontaktaufnahmen im Lichte der wettbewerbsrechtlichen Leitlinien zu gestalten.
Sensibilisierung für Risiken und Präventionspotenziale
Herausforderungen im Spannungsfeld von Arbeitnehmermobilität und Wettbewerbsschutz
Globalisierte Arbeitsmärkte, Fachkräftemangel und der Wandel hin zu digitalen Geschäftsmodellen haben die strategische Akquise von Schlüsselkräften für Unternehmen attraktiver und zugleich komplexer gemacht. Gleichwohl bleibt der Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Know-how und Kundenbeziehungen ein rechtlich sensibles Feld. Die Grenze zwischen erlaubtem Recruiting und wettbewerbswidrigem Verhalten ist ausfüllungsbedürftig und stark einzelfallabhängig.
Bedeutung der aktuellen Entscheidung für die Unternehmenspraxis
Die Ausführungen des Landgerichts Koblenz geben Anlass, interne Richtlinien zur Ansprache fremder Mitarbeitender kritisch zu reflektieren und bestehende vertragliche Schutzmechanismen – wie nachvertragliche Wettbewerbsverbote oder Geheimhaltungsklauseln – konsequent zu aktualisieren. Gleichzeitig sind bestehende Mitarbeitende für das Bewusstsein über den Umgang mit vertraulichen Informationen im Wechselprozess zu sensibilisieren.
Ausblick
Vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung und der vielschichtigen praxisrelevanten Fragen zur Abwerbung von Mitarbeitenden empfiehlt sich eine individuelle Prüfung im Wettbewerbsrecht, um potenzielle Haftungsquellen oder kostenintensive Streitigkeiten zu vermeiden. Für weiterführende Fragen oder vertiefende Analysen zu spezifischen Risikolagen finden Sie weitere Informationen zur Rechtsberatung im Wettbewerbsrecht bei MTR Legal.