Reduzierung der Barunterhaltspflicht durch Wohnungsüberlassung: Aktuelle Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main
Die Klärung unterhaltsrechtlicher Fragestellungen gewinnt vor allem bei komplexen Familienkonstellationen zunehmend an Bedeutung. Besonders relevant ist hierbei die Frage, wie sich die (teilweise) Überlassung einer Wohnung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil auf die Barunterhaltsverpflichtung auswirkt. Eine wichtige Entscheidung hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 24.09.2020 (Az.: 4 UF 176/19) getroffen. Im Vordergrund steht die Bewertung wohnwerter Vorteile bei kindesunterhaltsrechtlichen Berechnungen.
Grundsätzliche Struktur des Kindesunterhalts
Im deutschen Unterhaltsrecht schulden Eltern ihren minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern den sogenannten Kindesunterhalt. Regelmäßig werden die beiden Komponenten Naturalunterhalt und Barunterhalt unterschieden. Während der Elternteil, bei dem das Kind lebt, den Naturalunterhalt durch Pflege und Betreuung erbringt, ist der andere Elternteil zur Zahlung des Barunterhalts verpflichtet.
Die Überlassung von Wohnraum im Rahmen des Unterhalts
Bedeutsamkeit wohnwerter Vorteile
Kommt es zur Überlassung einer im Eigentum des Unterhaltspflichtigen stehenden Wohnung an das Kind und/oder den betreuenden Elternteil, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang hierdurch die Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt verringert wird. In der gerichtlichen Praxis ist dabei vor allem zu beleuchten, ob durch die Nutzungsmöglichkeit geldwerte Vorteile entstehen, die auf die Unterhaltsleistung anzurechnen sind.
Rückgriff auf die Rechtsprechung
Das OLG Frankfurt sieht in der einseitigen Nutzung der Wohnung durch das Kind bzw. durch den betreuenden Elternteil einen erheblichen Vorteil. Trotz kritischer Stimmen im Schrifttum und variierender Einzelfallkonstellationen ist anerkannt, dass dem unterhaltsverpflichteten Elternteil das Erbringen des Wohnvorteils als Bestandteil des Naturalunterhalts zugerechnet werden kann. Dies führt dazu, dass sich die “Bar”-Komponente des Unterhalts entsprechend reduziert.
Maßgebliche Aspekte für die unterhaltsrechtliche Anrechnung
Wertfeststellung und Bemessung
Die Minderung des Barunterhalts bemisst sich grundsätzlich nach dem objektiven Wohnwert, also dem Betrag, den das Kind beziehungsweise der betreuende Elternteil aufwenden müsste, um eine vergleichbare Unterkunft am Wohnort zu beziehen. Die Berechnung erfolgt regelmäßig auf Basis der örtlichen Mietspiegel oder geeigneter Vergleichswerte.
Grenzen der Anrechnung
Zu beachten ist jedoch, dass eine vollständige Anrechnung nicht in jedem Fall zulässig ist. Die Reduktion des Barunterhalts darf nicht dazu führen, dass dem Kind weniger Unterhalt als nach der unterhaltsrechtlichen Mindestbetragsregelung verbleibt. Ferner sind Besonderheiten des Einzelfalls, wie etwa die Größe und Ausstattung der Wohnung oder die Anzahl der dort wohnenden Unterhaltsberechtigten, einzubeziehen. Auch ist abzugrenzen, inwiefern der betreuende Elternteil selbst eine Nutzungsentschädigung schuldet oder bereits variable Kosten trägt.
Praxisrelevanz und Ausblick
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht die Bedeutung der differenzierten Betrachtung der Gesamtunterhaltssituation. Während die Wohnungsüberlassung grundsätzlich den Barunterhalt mindert, bleibt es in der Praxis erforderlich, sämtliche Umstände des Einzelfalls sorgfältig abzuwägen und fundiert zu dokumentieren. Unabhängig davon, ob eine Eigentumswohnung, ein Hauseigentum oder ein unentgeltlich gestellter Wohnraum betroffen ist: Die genaue Wertermittlung und die Berücksichtigung weiterer Unterhaltsleistungen – etwa Betreuung, Versorgung oder Sonderleistungen – werden maßgeblich für die Berechnung des geschuldeten Unterhalts.
Fazit
Die Überlassung einer Wohnung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil kann dazu führen, dass sich die Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt reduziert. Die genaue Ausgestaltung hängt jedoch von vielen Faktoren ab und erfordert eine sorgfältige Betrachtung individueller Konstellationen und regionaler Gegebenheiten. Die Rechtsprechung hierzu entwickelt sich stetig weiter; juristische Unsicherheiten und Abgrenzungsfragen bleiben bestehen.
Sollten sich im Zusammenhang mit der Überlassung von Wohnraum an unterhaltsberechtigte Kinder weiterführende Fragestellungen ergeben, bietet sich eine individuelle Prüfung durch erfahrene Rechtsanwälte an. Die bundesweit tätigen Anwältinnen und Anwälte bei MTR Legal stehen Ihnen – auch im internationalen Kontext – gerne beratend zur Seite.