Wirksamkeit formularmäßiger Verwahrentgelt-Klauseln im Bankrecht – Auswertung der aktuellen OLG-Entscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 10. Oktober 2023 mit seinem Urteil (Az.: 3 U 286/22) grundlegende Feststellungen zur rechtlichen Zulässigkeit formularmäßig vereinbarter Verwahrentgelte in Giroverträgen getroffen. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob Banken für Guthaben, die auf Girokonten verwahrt werden, ein gesondertes Verwahrentgelt durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einführen dürfen.
Hintergrund: Verwahrentgelte im Lichte der Niedrigzinspolitik
Angesichts jahrelanger Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank sind zahlreiche Kreditinstitute dazu übergegangen, Verwahrentgelte („Negativzinsen”) auf hohe Einlagen zu verlangen. Diese Entgelte wurden oftmals durch standardisierte Klauseln in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen – eine Praxis, die wiederholt Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen war.
Wesentliche Entscheidungsgründe des OLG
Das OLG Frankfurt am Main sah die Klausel, mit der ein Verwahrentgelt für auf einem Girokonto gehaltene Guthaben eingeführt wird, nach eingehender Prüfung als zulässig an. Das Gericht betonte insbesondere folgende Aspekte:
1. Keine unzulässige Doppelvergütung
Das Gericht teilte nicht die Auffassung, das Entgelt würde zu einer „Doppelbepreisung” von Leistungen führen. Während das Kontoführungsentgelt die Bereitstellung und Führung des Kontos sowie die Ausführung von Zahlungsdienstleistungen abdecke, beziehe sich das Verwahrentgelt ausschließlich auf die Verwahrung des Guthabens auf dem Konto. Kreditinstitute seien berechtigt, für verschiedene eigenständige Leistungen jeweils eigene Entgelte zu verlangen.
2. Transparenz und Verständlichkeit
Die Vereinbarungen über Verwahrentgelte müssen nach Ansicht des Gerichts hinreichend transparent und verständlich sein. Die zur Prüfung stehende Klausel erfülle diese Anforderungen, da sie den Zweck und die Höhe des Verwahrentgelts deutlich erkennen lasse.
3. Angemessenheit nach § 307 BGB
Eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vermochte das OLG nicht zu erkennen. Der Verwahrungsvertrag unterscheide sich wesentlich von typischen Zahlungsdiensten. Die Vertragsfreiheit gestattet es Banken grundsätzlich, auch für Guthabenverwahrung ein gesondertes Entgelt zu verlangen, sofern dies transparent in den Vertragsbedingungen geregelt ist.
Differenzierung zu bisherigen Rechtsprechungslinien
Bisherige Urteile, vor allem auf Instanzebene, haben Verwahrentgeltklauseln in AGB teilweise für unwirksam gehalten. Oftmals wurde die Auffassung vertreten, dass die Verwahrung entgeltlich vereinbarter Guthaben bereits mit dem Kontoführungsentgelt abgegolten sei und ein zusätzliches Entgelt gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoße. Das Urteil des OLG Frankfurt führt diese Dogmatik weiter aus und differenziert ausdrücklich zwischen Zahlungsdienstleistungen und Verwahrung des Bankguthabens.
Dabei nimmt das OLG insbesondere Stellung zur Abgrenzung zwischen typischer Konto(rück)führung und reiner Verwahrleistung. Das Gericht erkennt ausdrücklich die Möglichkeit, die Verwahrung als eigenständige Leistung zu bepreisen – eine Sichtweise, die in der aktuellen Praxis der Kreditinstitute und Bankenaufsicht von besonderer Relevanz ist.
Auswirkungen für Banken und Kundschaft
Mit seiner Entscheidung schafft das OLG Frankfurt am Main wichtige Orientierungspunkte für Banken, die Verwahrentgelte in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen einführen oder fortführen wollen. Gleichzeitig gibt das Urteil privaten und institutionellen Kontoinhabern Klarheit bezüglich der rechtlichen Tragfähigkeit entsprechender Vertragsklauseln.
Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich weitere Obergerichte der Bewertung des OLG Frankfurt anschließen werden oder ob der Bundesgerichtshof eine abschließende Klärung herbeiführen wird.
Rechtliche Bewertung und unternehmerische Implikationen
Die Bedeutung des Urteils liegt nicht nur in der rechtlichen Einordnung von Verwahrentgeltklauseln, sondern auch in der potenziellen strategischen Bedeutung für die Ausgestaltung von Bankprodukten und Geschäftsmodellen. Unternehmen, Banken und vermögende Privatpersonen sollten Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin eng beobachten, da die Gestaltung von Entgeltstrukturen und Vertragsbedingungen stets im Fokus aufsichtsrechtlicher und zivilrechtlicher Anforderungen steht.
Die Entscheidung demonstriert zudem, dass die Zulässigkeit von Entgelten für verschiedene Bankdienstleistungen einer differenzierten Prüfung unterliegt. Die Vertragsparteien sind gut beraten, die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu berücksichtigen, insbesondere um Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vermeiden.
Sollten Sie rechtliche Fragestellungen oder Beratungsbedarf bezüglich Vertragsbedingungen im Banken- und Kapitalmarktrecht haben, können Sie gerne mit den Rechtsanwälten von MTR Legal Kontakt aufnehmen.