Wirecard-Manager müssen Schadenersatz zahlen nach Urteil

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Urteil des Landgerichts München I: Persönliche Haftung ehemaliger Wirecard-Vorstände für Schadensersatz

Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 16. September 2024 (Az.: 5 HK O 17452/21) in einem bedeutenden Zivilverfahren festgestellt, dass frühere Mitglieder des Vorstands des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard AG gegenüber Aktionären auf Schadensersatz haften. Die Entscheidung verdeutlicht die persönliche Verantwortung von Organen börsennotierter Gesellschaften im Zusammenhang mit fehlerhaften oder unterlassenen Kapitalmarktinformationen und speziell auf Vorstandspflichten im Rahmen der Ad-hoc-Publizität ab. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Implikationen des Urteils sind weitreichend und reichen über den Einzelfall hinaus.

Vorstandshaftung nach § 93 AktG und Kapitalmarktrecht

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf das pflichtwidrige Verhalten einzelner Vorstandsmitglieder in Bezug auf ihre Publizitätspflichten gemäß § 15 WpHG a.F. (nunmehr Art. 17 MAR) sowie die allgemeinen Sorgfaltspflichten nach § 93 Aktiengesetz (AktG). Das Unterlassen rechtzeitiger, vollständiger und wahrheitsgetreuer Aufklärung des Kapitalmarkts über erhebliche Bilanzmanipulationen und wirtschaftliche Fehlentwicklungen wurde als schwerwiegende Pflichtverletzung bewertet. Nach Auffassung des Gerichts hatten die Vorstände spätestens seit Ende April 2020 Kenntnis von Unregelmäßigkeiten, ohne entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und den Markt zu unterrichten.

Bedeutung für die Handelbarkeit von Aktien und Anlegerschutz

Aktionäre, die nach dem inkriminierten Zeitpunkt Anteile an der Wirecard AG erworben hatten, wurden nicht vollständig über die tatsächliche wirtschaftliche Lage informiert. Das Gericht bewertet dies als ursächlich für ihre Anlageentscheidung und damit für eingetretene Verluste nach Zusammenbruch und Insolvenz der Gesellschaft im Juni 2020. Dieser Zurechnungszusammenhang ist im Kapitalmarktrecht von zentraler Bedeutung: Im Anwendungsbereich des Anlegerschutzes bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation (sogenanntes Marktinformationsdelikt) ist ein unmittelbarer Ersatzanspruch in Form des sogenannten Erwerbsschadens denkbar.

Rolle der Organhaftung im Lichte der Insolvenz

Im Insolvenzverfahren der Wirecard AG wurden zahlreiche Schadensersatzansprüche von Investoren zur Insolvenztabelle angemeldet. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der ehemaligen Vorstandsmitglieder besteht parallel zu etwaigen strafrechtlichen Ermittlungen und den laufenden Strafverfahren – für die weiterhin die Unschuldsvermutung gilt (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK). Der aktuelle Beschluss betrifft explizit die zivilrechtliche Haftung, unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung.

Innen- und Außenhaftung der Vorstandmitglieder

Für den Vorstand einer Aktiengesellschaft existieren (1) die sogenannte Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft (§ 93 Abs. 2 AktG), etwa im Falle von Vermögensschäden infolge einer Pflichtverletzung, und (2) die Außenhaftung gegenüber Dritten – hier konkret: Aktionären bzw. Kapitalmarktteilnehmern, deren Interessen im Rahmen spezifischer Schadenstatbestände, wie etwa nach § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), geschützt sind. Das Landgericht stellte insoweit auf eine direkte Außenhaftung ab, was Auswirkungen auf vergleichbare Verfahren haben kann.

Auswirkungen und Einordnung

Das Urteil ist richtungsweisend und zeigt einmal mehr die Relevanz effektiver Corporate Governance und strenger Compliance in börsennotierten Gesellschaften. Die Verpflichtung, den Kapitalmarkt über kursrelevante Entwicklungen unmittelbar und zutreffend zu unterrichten, ist eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen in die Integrität der Märkte. Das Urteil des Landgerichts München I sendet auch ein Signal an andere Organmitglieder börsennotierter Unternehmen, dass Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätsvorschriften gravierende persönliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Quelle und derzeitiger Verfahrensstand

Die Entscheidung erging nach mündlicher Verhandlung und ist – Stand 16.09.2024 – nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung kann noch Berufung eingelegt werden. Insbesondere aus Gründen der Fairness und unter Beachtung der Unschuldsvermutung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die betreffenden Vorstandsmitglieder gegen das Urteil vorgehen können und das Verfahren damit noch nicht abgeschlossen ist. (Quelle: LG München I, Urteil vom 16.09.2024, Az.: 5 HK O 17452/21; siehe auch:

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