Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Ansprüchen von Wirecard-Aktionären im Insolvenzverfahren
Am 9. November 2023 befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob Aktionären der insolventen Wirecard AG Ansprüche als einfache Insolvenzgläubiger gegen die Insolvenzmasse zustehen (Az.: IX ZR 127/24). In dem veröffentlichten Urteil wurde entschieden, dass Aktionäre für den durch den Kursverfall der Aktie entstandenen Schaden keinen Anspruch als einfache Insolvenzgläubiger im Sinn der Insolvenzordnung haben.
Hintergrund des Verfahrens
Die Wirecard AG musste im Jahr 2020 Insolvenz anmelden, nachdem massive Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit nicht auffindbaren Treuhandgeldern bekannt wurden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde eröffnet und das zuständige Insolvenzgericht bestellte einen Insolvenzverwalter.
Streitgegenstand: Schadensersatz wegen Kursverlust
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob Aktionäre, die durch den Wertverlust ihrer Aktien nach der Veröffentlichung unwahrer Finanzberichte einen Schaden erlitten hatten, diesen Schaden als Forderung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft geltend machen können.
Anspruchsdurchsetzung im Insolvenzverfahren
Insolvenzrechtliche Einordnung
Grundsätzlich sind im Insolvenzverfahren lediglich Forderungen, die auf einem Schuldverhältnis außerhalb der Mitgliedschaft in der Gesellschaft beruhen, als Insolvenzforderungen anzumelden (§ 38 InsO). Der BGH stellte nun klar, dass der Schaden aus einem Kursverlust einer Aktie „keine solche Forderung“ darstellt.
Ausschluss als Insolvenzgläubiger
Der Bundesgerichtshof begründete, dass Aktionäre ihr wirtschaftliches Risiko aufgrund der Beteiligung an der Gesellschaft selbst tragen. Der Wertverlust der Aktie resultiert aus der Entwicklung der Gesellschaft und ist grundlegend von den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen geprägt. Kommt es zu einer Insolvenz, partizipieren Anteilseigner grundsätzlich nicht an der Insolvenzmasse, sondern sind nachrangig zu behandeln.
Keine Gleichstellung mit anderen Gläubigern
Eine Gleichbehandlung mit einfachen Insolvenzgläubigern kommt nicht in Betracht. Ansprüche, die sich unmittelbar aus der Stellung als Aktionär ergeben – dazu zählt insbesondere der reine Vermögensverlust aus Wertminderungen der Aktien – begründen keinen anmeldefähigen Anspruch im Insolvenzverfahren.
Auswirkungen für Aktionäre
Mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung steht fest, dass Aktionären der Wirecard AG – und in vergleichbaren Fällen – keine Teilnahme an der Verteilung der Insolvenzmasse als einfache Insolvenzgläubiger eröffnet ist, sofern sich ihre Forderung auf eine Kompensation des reinen Kursverlusts stützt. Lediglich Gläubiger, die auf sonstigen, von der Aktionärsstellung losgelösten Rechtsgrundlagen Ansprüche haben, sind zur Anmeldung berechtigt.
Hinweis auf laufende Strafverfahren und Quellenlage
Es ist darauf hinzuweisen, dass strafrechtliche Ermittlungen und Gerichtsverfahren hinsichtlich der Abläufe rund um die Insolvenz der Wirecard AG weiterhin andauern und die Unschuldsvermutung bis zum rechtskräftigen Abschluss gilt. Die getroffenen Feststellungen beruhen ausschließlich auf der Entscheidung des BGH vom 9. November 2023 (Az.: IX ZR 127/24). (Quelle: https://urteile.news/BGH_IX-ZR-12724_Wirecard-Aktionaere-haben-keinen-Anspruch-auf-kein-Geld-als-einfache-Insolvenzglaeubiger-aus-der-Insolvenzmasse~N35561)
Bedeutung für den insolvenzrechtlichen Schutz von Investoren
Diese Entscheidung verdeutlicht die Grenzen der insolvenzrechtlichen Absicherung für Anteilseigner börsennotierter Unternehmen im Falle eines Insolvenzverfahrens. Investoren tragen in ihrer Rolle das Risiko eines Totalverlusts und sind nach den Regelungen des Insolvenzrechts nicht mit einfachen Insolvenzgläubigern gleichgestellt.
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