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Zwischenstaatlicher Kraftfahrzeugverkehr


Zwischenstaatlicher Kraftfahrzeugverkehr

Der Begriff „Zwischenstaatlicher Kraftfahrzeugverkehr“ bezeichnet sämtliche grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen oder Gütern auf öffentlichen Straßen durch Kraftfahrzeuge zwischen zwei oder mehr Staaten. Dieser internationale Straßenverkehr ist durch eine Vielzahl rechtlicher Regelungen auf europäischer und globaler Ebene geprägt, die sowohl auf bilateraler als auch multilateraler Basis gestaltet sind. Die gesetzlichen Vorgaben dienen der Förderung des Verkehrs zwischen Staaten bei gleichzeitiger Sicherstellung von Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Steuer- und Abgabenregelungen sowie der Kontrolle und Harmonisierung technischer Anforderungen und verkehrsrechtlicher Vorschriften.

Grundlagen und Begriffsbestimmung

Der zwischenstaatliche Kraftfahrzeugverkehr findet unter Verwendung motorisierter Straßenfahrzeuge statt, die dafür ausgelegt sind, Landesgrenzen zu überschreiten. Die Beförderung kann gewerblich (insbesondere im Bereich Güter- und Personenbeförderung) oder privat erfolgen. Der Begriff ist abzugrenzen vom nationalen Kraftfahrzeugverkehr sowie vom Transitverkehr, bei dem lediglich ein Drittstaat durchquert wird.

Rechtliche Definitionen

In vielen internationalen und europäischen Abkommen, etwa der Genfer Konvention über den Straßenverkehr (1949), dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (1968) oder den Bestimmungen der Europäischen Union, ist der Begriff des zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehrs verankert. Beispielsweise definiert das deutsche Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) im Kontext des Güterkraftverkehrs zwischenstaatlichen Verkehr als die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, die über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausführt oder von ausländischem Hoheitsgebiet in die Bundesrepublik Deutschland führt.

Rechtsquellen und völkerrechtliche Grundlagen

Internationale Abkommen

Die wichtigsten internationalen Grundlagen zum zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr sind multilaterale sowie bilaterale Vereinbarungen, die eine gegenseitige Anerkennung von Zulassungen, Führerscheinen, technischen Standards und Verwaltungsakten ermöglichen.

Zu den wichtigsten multilateralen Abkommen zählen insbesondere:

  • Genfer Straßenverkehrskonvention (1949)
  • Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (1968)
  • Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR, 1970)
  • ECE-Regelungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa

Auf EU-Ebene sind u. a. folgende Rechtsquellen maßgeblich:

  • VO (EG) Nr. 1072/2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrsmarkt
  • VO (EG) Nr. 1073/2009 zur Regelung des grenzüberschreitenden gewerblichen Personenverkehrs
  • Richtlinien und Verordnungen zum Führerscheinrecht sowie zu technischen Standards

Nationale Umsetzung

Die Umsetzung dieser völkerrechtlichen Vereinbarungen erfolgt in den jeweiligen Staaten durch spezielle Regelungen. In Deutschland sind insbesondere das Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG), das Personenbeförderungsgesetz (PBefG), das Straßenverkehrsgesetz (StVG), die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) sowie steuerrechtliche Vorschriften relevant.

Genehmigungswesen und Erlaubnisverfahren

Voraussetzungen für grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr

Für die Durchführung zwischenstaatlichen Güterkraftverkehrs sind in der Regel besondere Genehmigungen erforderlich:

  • Gemeinschaftslizenz (EU-Lizenz): Für Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat, welche Güterverkehre in der EU/EWR durchführen, ist eine Gemeinschaftslizenz vorgeschrieben.
  • CEMT-Genehmigungen: Für Fahrten in und durch Staaten außerhalb der EU (insbesondere Nicht-EU-Mitglieder der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister, heute ITF).
  • Bilaterale Genehmigungen: Mit vielen Staaten existieren spezielle Monopol-, Kontingent- oder nichtkontingentierte Genehmigungsregelungen.

Personenbeförderung

Im grenzüberschreitenden Personenverkehr ist die Genehmigungspflicht von der Verkehrsart abhängig:

  • Linienverkehr: Bedarf einer gesonderten Linienverkehrsgenehmigung, oft gemeinschaftlich im Rahmen der EU-Verordnungen
  • Gelegenheitsverkehr (z. B. Reisebusverkehr): Genehmigungsanforderungen nach den jeweiligen EU- oder bilateralen Vorschriften
  • Kabotage: Innerstaatliche Beförderungen durch ausländische Unternehmer im Rahmen des internationalen Verkehrs sind nur in engen gesetzlichen Grenzen gestattet.

Technische und administrative Anforderungen

Fahrzeugzulassung und Kennzeichnung

Fahrzeuge im zwischenstaatlichen Verkehr müssen für den internationalen Verkehr zugelassen und entsprechend gekennzeichnet sein. Maßgeblich sind dabei die Anforderungen der Herkunftsländer und international anerkannte Zulassungsdokumente, wie das Internationale Zulassungszeichen (Staatenkürzel) und internationale Zulassungsscheine.

Fahrerlaubnis und Fahrpersonal

Fahrer benötigen eine international oder europäisch anerkannte Fahrerlaubnis. Im Falle des gewerblichen Verkehrs sind zudem Qualifikationsnachweise und Arbeitszeitregelungen (insbesondere nach AETR bzw. EU-Sozialvorschriften, etwa VO (EG) Nr. 561/2006 und VO (EWG) Nr. 3821/85 [Digitaler Tachograph]) zu beachten.

Technische Standards

Fahrzeuge müssen die technischen Anforderungen sowohl des Abgangsstaates als auch die von internationalen und europäischen Regelwerken (beispielsweise ECE-Regelungen) erfüllen. Hierbei sind Normen zu Sicherheitsausstattungen, Emissionen und Dimensionen maßgeblich.

Steuer-, Versicherungs- und Haftungsrecht

Kfz-Steuern und Maut

Entsprechend bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen können Ausnahmen von der Kfz-Besteuerung im Transit- oder kombinierten Verkehr greifen. Zudem sind gegebenenfalls Straßennutzungsgebühren (Maut) oder Infrastrukturabgaben zu entrichten.

Versicherungsanforderungen

Fahrzeuge im internationalen Verkehr unterliegen der Pflicht zur Haftpflichtversicherung nach dem jeweiligen nationalen Recht des Staaten, auf dessen Gebiet sich das Fahrzeug befindet. Das Grüne-Karte-System dient dabei als Nachweis des Versicherungsschutzes innerhalb der angeschlossenen Staaten.

Haftungsvorschriften

Im Schadensfall kommen die Haftungsvorschriften des Landes zur Anwendung, in dem der Unfall eingetreten ist. Internationale Abkommen wie das Haager Straßenverkehrsübereinkommen oder tabellarische Regelungen bei Transportschäden (CMR – Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) können zur Anwendung gelangen.

Zollrechtliche Aspekte

Fahrzeuge im zwischenstaatlichen Verkehr unterliegen im Rahmen von Drittlandsverkehren zollrechtlichen Vorgaben. Bei Fahrten zwischen EU-Mitgliedstaaten besteht Zollfreiheit, wohingegen im Verkehr mit Drittländern zollrechtliche Formalitäten, etwa Carnets TIR und CMR-Frachtbriefe, zu beachten sind.

Besonderheiten und Ausnahmen

Vorübergehende Verwendung

Internationale Vereinbarungen, z. B. das Istanbul-Übereinkommen und das Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung, regeln die Möglichkeit, Fahrzeuge für begrenzte Zeit zollfrei und ohne weitere nationale Zulassungspflichten im Ausland einzusetzen.

Diplomatischer und militärischer Verkehr

Sonderregelungen gelten für Fahrzeuge im diplomatischen und militärischen Dienst, die von bestimmten Abgaben und administrativen Anforderungen befreit werden.

Überwachung, Kontrolle und Sanktionen

Zuständige Behörden des jeweiligen Landes sind berechtigt, Fahrzeuge im zwischenstaatlichen Verkehr hinsichtlich Zulassungs-, Genehmigungs-, Maut- und Technikanforderungen zu kontrollieren. Verstöße können Sanktionen von Bußgeldern über Stilllegung bis hin zu Einreiseverboten nach sich ziehen.

Zusammenfassung

Der zwischenstaatliche Kraftfahrzeugverkehr ist ein komplex regulierter Bereich des internationalen Verkehrsrechts, der durch zahlreiche internationale, europäische und nationale Vorschriften bestimmt wird. Die Regelungen gewährleisten nicht nur einen reibungslosen Ablauf grenzüberschreitender Straßenbeförderungen, sondern dienen zugleich der Verkehrs- und Betriebssicherheit, der Wahrung von Wettbewerbsbedingungen, dem Schutz der Umwelt sowie der steuerlichen und administrativen Kontrolle. Eine sorgfältige Beachtung aller einschlägigen rechtlichen Vorgaben ist sowohl für Unternehmen als auch private Verkehrsteilnehmer im internationalen Kraftfahrzeugverkehr unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Zulassung von Kraftfahrzeugen im zwischenstaatlichen Verkehr zuständig?

Im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr richtet sich die Zuständigkeit für die Zulassung grundsätzlich nach dem Wohn- bzw. Unternehmenssitz des Fahrzeughalters. Dabei gilt das Territorialitätsprinzip: Das Kraftfahrzeug muss in dem Staat zugelassen sein, in dem der Halter seinen regelmäßigen Wohnsitz oder Geschäftssitz hat. Die nationale Zulassungsbehörde prüft die Einhaltung der technischen und rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen nach nationalem und teils europäischem Recht. Bei temporärer Nutzung in einem anderen Staat – etwa bei vorübergehendem Aufenthalt oder im Rahmen des sog. internationalen Kraftfahrzeugverkehrs – werden die Zulassungsdokumente und das amtliche Kennzeichen des Ursprungsstaates in der Regel im Zielstaat anerkannt, jedoch nur für eine begrenzte Dauer (i. d. R. bis zu 12 Monaten gemäß Art. 35 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr). Bei dauerhafter Verbringung des Fahrzeugs in einen anderen Staat ist eine Um- bzw. Neuzulassung im jeweiligen Land erforderlich.

Welche Vorschriften gelten hinsichtlich der Haftpflichtversicherung im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr?

Im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr besteht grundsätzlich die Pflicht, eine den Anforderungen des jeweiligen Transit- oder Aufenthaltsstaates entsprechende Kfz-Haftpflichtversicherung nachzuweisen. Im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz genügt in der Regel das amtliche Kennzeichen als Nachweis einer gültigen Haftpflichtversicherung (Kennzeichenabkommen). Für Fahrten außerhalb des EWR und in Staaten, die nicht dem Kennzeichenabkommen angehören, ist die Mitführung einer Internationalen Versicherungskarte für den Kraftverkehr („Grüne Karte“) erforderlich. Die Mindestdeckungssummen können sich von Land zu Land unterscheiden und müssen im Vorfeld überprüft werden. Bei Verstoß gegen die Nachweispflicht drohen empfindliche Bußgelder, die Beschlagnahme des Fahrzeugs oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.

Unter welchen Bedingungen dürfen ausländische Fahrer ihren nationalen Führerschein im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr verwenden?

Personen, die im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr aktiv sind, dürfen ihren nationalen Führerschein grundsätzlich verwenden, solange dieser im Aufenthalts- oder Transitstaat anerkannt wird. Innerhalb der EU/EWR-Staaten ist die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen rechtlich durch die Richtlinie 2006/126/EG garantiert. Für Drittstaaten gilt die Anerkennung oftmals nur in Verbindung mit einem internationalen Führerschein, der zusammen mit dem nationalen Führerschein mitzuführen ist. Die Anerkennung erfolgt in der Regel zeitlich begrenzt (z. B. bis zu sechs Monate Aufenthalt in Deutschland gemäß § 29 FeV). Bei dauerhafter Ansiedlung muss meist eine Umschreibung in einen nationalen Führerschein des Aufnahmestaates erfolgen.

Welche Regelungen finden auf Kennzeichen und Zulassungsdokumente im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr Anwendung?

Kennzeichen und Zulassungsdokumente, die im Heimatstaat ordnungsgemäß ausgestellt wurden, erfahren im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr grenzüberschreitende Anerkennung. Im EU- und EWR-Raum ist diese Anerkennung durch mehrere EU-Verordnungen und -Richtlinien harmonisiert, insbesondere durch die Richtlinie 1999/37/EG über Zulassungsbescheinigungen für Fahrzeuge. Die Fahrzeuge müssen ein Länderkennzeichen gemäß Anlage 3 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntKfzV) führen. Bei längeren Aufenthalten oder dauerhafter Verwendung im Aufnahmeland ist jedoch eine Umschreibung des Kennzeichens und der Papiere unverzüglich notwendig.

Was gilt für die technische Überwachung (wie Hauptuntersuchung/TÜV) im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr?

Die technische Überwachung von Fahrzeugen im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr ist auf Basis internationaler und EU-rechtlicher Vorgaben geregelt. Fahrzeuge müssen die technischen Prüfungen ihres Zulassungsstaates lückenlos nachweisen können. Bei Einreise bzw. Nutzung eines Fahrzeugs im Ausland wird der dortige Nachweis meist akzeptiert, sofern er gültig ist. Nach Art. 4 der Richtlinie 2014/45/EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Prüfbescheinigungen für die Dauer ihrer Gültigkeit anzuerkennen. Erst wenn das Fahrzeug dauerhaft in einem anderen Staat zugelassen werden soll, sind die dortigen gesetzlichen Anforderungen (z. B. Periodizität und Umfang der Prüfung) zu erfüllen.

Wie ist die Haftung bei Unfällen im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr geregelt?

Die zivilrechtliche Haftung bei Unfällen im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr wird durch internationales Privatrecht, insbesondere die Rom-II-Verordnung (EG Nr. 864/2007) und Vorschriften des jeweiligen nationalen Haftpflichtrechts bestimmt. In der Regel gilt als anzuwendendes Recht dasjenige Landes, in dem sich der Unfall ereignet hat. Außerdem regelt das System der Grünen Karte sowie das System der Verkehrsopferhilfe die Anspruchstellung gegenüber dem ausländischen Haftpflichtversicherer. In EU-Staaten können Betroffene über sogenannte Schadensregulierungsbeauftragte im Heimatland Ansprüche geltend machen. Die Klärung der Haftung erfolgt somit unter Berücksichtigung beider nationaler und unionsrechtlicher Vorschriften.

Welche Besonderheiten gelten für die Zollabwicklung im zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr?

Im Rahmen des zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehrs unterliegt das Verbringen von Fahrzeugen über EU-Außengrenzen – also aus oder in Drittländer – besonderen zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften. Kraftfahrzeuge gelten als Waren, für deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr grundsätzlich eine Zollanmeldung erforderlich ist. Im privaten Reiseverkehr ist die vorübergehende Verwendung ohne Zollabfertigung nach Art. 137 ff. Zollkodex unter bestimmten Voraussetzungen möglich; das Fahrzeug muss jedoch dem vorübergehenden Verwendungszweck entsprechend wieder ausgeführt werden. Bei dauerhafter Verbringung ins Inland sind die Einfuhrumsatzsteuer bzw. nationale Steuern zu entrichten. Im innergemeinschaftlichen Verkehr (innerhalb der EU) gibt es hingegen keine Zollgrenzen, allerdings bleibt die Umsatzsteuerpflicht (Erwerbsbesteuerung bei Neufahrzeugen) zu beachten.