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Zweiteilung der Straftaten


Begriff und Bedeutung der Zweiteilung der Straftaten

Die Zweiteilung der Straftaten bezeichnet eine grundlegende Systematik im Strafrecht, welche Straftaten in zwei Hauptkategorien unterteilt: Verbrechen und Vergehen. Diese Unterscheidung bildet das Kernstück der strafrechtlichen Einteilung und hat weitreichende Bedeutung für die Auslegung und Anwendung strafrechtlicher Vorschriften. Die Zweiteilung ist insbesondere für die Bestimmung des jeweiligen Strafrahmens, der Strafzumessung sowie der Verfahrensweisen im Strafprozess von zentraler Relevanz.

Historische Entwicklung

Entstehungsgeschichte

Die Zweiteilung der Straftaten hat eine lange Entwicklungsgeschichte. Ursprünglich wurden im deutschen Recht Vergehen, Verbrechen und Übertretungen voneinander abgegrenzt (Dreiteilung). Mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich im Jahr 1871 wurden erstmals die beiden Begriffe „Verbrechen“ und „Vergehen“ gesetzlich definiert. Die Kategorie der Übertretungen wurde mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz im Jahr 1968 in das Ordnungswidrigkeitenrecht ausgelagert.

Übergang von der Dreiteilung zur Zweiteilung

Das heutige System der Zweiteilung hat sich in Deutschland und zahlreichen anderen Staaten durchgesetzt. Die seit 1975 geltende Fassung des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) sieht nur noch die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen vor und grenzt Ordnungswidrigkeiten von strafbaren Handlungen ab.

Gesetzliche Grundlagen

Definitionen im Strafgesetzbuch (StGB)

Die maßgeblichen Definitionen zur Zweiteilung finden sich in § 12 StGB:

  • Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB).
  • Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 2 StGB).

Diese Definition erfolgt ausschließlich anhand des vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmens, nicht anhand der tatsächlichen Schwere der Schuld im Einzelfall.

Rechtliche Systematik

Die Einteilung ist gesetzlich zwingend. Sie ist für sämtliche Fragen der Tatbestandsauslegung, der Strafzumessung und der Verfahrensgestaltung relevant und wird im allgemeinen und besonderen Teil des StGB sowie in Nebengesetzen berücksichtigt.

Praxisrelevanz und Rechtsfolgen der Zweiteilung

Bedeutung im Strafverfahren

Die Zweiteilung der Straftaten wirkt sich auf verschiedene Aspekte des Strafverfahrens aus, etwa:

  • Versuchsbarkeit: Nach § 23 StGB ist der Versuch nur bei Verbrechen stets strafbar; bei Vergehen nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt.
  • Verfolgungsverjährung: Die Dauer der Verjährungsfrist richtet sich nach der Höchststrafe und hängt eng mit der Einordnung als Verbrechen oder Vergehen zusammen (§ 78 StGB).
  • Strafandrohung und Strafmaß: Die Kategorisierung beeinflusst das zulässige Strafmaß erheblich.
  • Maßregeln der Besserung und Sicherung: Manche Maßnahmen sind nur bei Verbrechen vorgesehen.

Auswirkungen auf Nebenstrafrecht und Nebengesetze

Auch außerhalb des StGB, etwa im Aufenthaltsrecht, im Gewerberecht oder im Disziplinarrecht, wird regelmäßig an den Begriff des Verbrechens und des Vergehens angeknüpft. Beispielsweise kann eine Verurteilung wegen eines Verbrechens erweiterte Konsequenzen nach sich ziehen, wie Berufsausübungsverbote oder Verlust von Amts- und Wahlrechten.

Bedeutung für Mitwirkungspflichten und Verfahrensbesonderheiten

Die Einordnung einer Tat als Verbrechen kann spezifische Verfahrensbestimmungen nach sich ziehen, etwa Mitwirkungspflichten für Zeugen oder Anwesenheitspflichten im Strafprozess.

Abgrenzungskriterien und Zweifelsfälle

Feststellung anhand des gesetzlichen Mindestmaßes

Maßgeblich für die Einordnung ist ausschließlich das gesetzliche Mindestmaß der angedrohten Strafe. Unerheblich ist die individuelle Strafzumessung oder das tatsächlich verhängte Strafmaß.

Beispiel: Die einfache Körperverletzung nach § 223 StGB ist ein Vergehen, da sie mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht ist. Dagegen stellt etwa schwerer Raub (§ 250 StGB) ein Verbrechen dar, da er mit einer Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht ist.

Problematische Fälle bei Blankettnormen und Sonderkonstellationen

Bei Blankett- oder Auffangnormen kann die Einordnung im Einzelfall problematisch sein, insbesondere wenn das Strafmaß nicht eindeutig festgelegt ist. Entscheidend bleibt auch hier das durch das Gesetz bestimmte Mindestmaß der Strafe.

Reformdiskussionen und Kritik

Diskussion um die Zweckmäßigkeit

Die Zweiteilung der Straftaten ist Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussionen. Kritisiert wird teilweise, dass die starre Orientierung am Strafmaß nicht immer in Einklang mit graduellen Unterschieden in der Person des Täters oder der Tatschwere stehe. Dennoch wird die klare Systematik als vorteilhaft für die Rechtsanwendung und Rechtsklarheit angesehen.

Internationale Vergleiche

Auch in anderen Rechtsordnungen findet sich die Zweiteilung, etwa im österreichischen oder dem schweizerischen Recht. Teilweise bestehen dort jedoch unterschiedliche Abgrenzungskriterien oder Bezeichnungen (z. B. Verbrechen, Vergehen, Übertretung in der Schweiz).

Abgrenzung von Ordnungswidrigkeiten

Die Zweiteilung der Straftaten grenzt sich scharf von nicht-strafbaren Ordnungswidrigkeiten ab. Ordnungswidrigkeiten sind rechtswidrige Handlungen, die mit einer Geldbuße geahndet werden und nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz behandelt werden. Sie stellen keine Straftaten im Sinne der strafrechtlichen Zweiteilung dar.

Zusammenfassung

Die Zweiteilung der Straftaten ist ein zentrales Strukturmerkmal des Strafrechts und dient der klaren Systematisierung sowie Abgrenzung verschiedener Tatbestände. Maßgeblich ist ausschließlich das gesetzliche Mindestmaß der angedrohten Strafe. Die Systematik hat umfassende Auswirkungen auf strafrechtliche, prozessuale und außerstrafrechtliche Rechtsfolgen und ist ein unverzichtbares Instrumentarium für die Auslegung und Anwendung des Strafrechts.


Weitere Begriffe und Definitionen rund um das Strafrecht finden Sie im entsprechenden Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Welche praktische Bedeutung hat die Zweiteilung der Straftaten im deutschen Strafrecht?

Die Zweiteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen ist für das deutsche Strafrecht von erheblicher praktischer Relevanz. Sie beeinflusst maßgeblich die Anwendung und Auslegung zentraler strafrechtlicher Vorschriften. Dazu gehört unter anderem die Frage, ob ein Straftatbestand bereits bei Versuch strafbar ist, denn § 23 Absatz 1 StGB sieht dies grundsätzlich nur bei Verbrechen zwingend vor, während beim Vergehen ein ausdrücklicher gesetzlicher Hinweis notwendig ist. Auch im Bereich der Strafzumessung, Strafaussetzung zur Bewährung und bei Prognoseentscheidungen ist die Einstufung entscheidend, da Verbrechen als schwerwiegender und ein größeres Unrecht darstellend bewertet und entsprechend härter sanktioniert werden. Weiterhin hat diese Zweiteilung Auswirkungen auf diverse Nebenstrafgesetze, z. B. bei Fragen der Ausweisung, des Verlusts bestimmter Rechte oder beim Strafverfolgungszwang durch die Staatsanwaltschaft, etwa im Bereich des Opportunitätsprinzips (§ 153 StPO), das bei Vergehen in Betracht kommt, bei Verbrechen jedoch kaum. Letztlich strukturiert die Zweiteilung die gesamte Systematik des Strafrechts und bildet die Grundlage für viele verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Abgrenzungen.

Welche Rolle spielt die Zweiteilung bei der Strafzumessung und Strafandrohung?

Die Einordnung einer Tat als Verbrechen oder Vergehen wirkt sich direkt auf die Strafzumessung sowie auf die zugehörigen Strafandrohungen aus. Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) sind Straftaten, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht sind, sodass Gerichte zu einer deutlich strengeren Strafe verpflichtet sind. Auch der Strafrahmen lässt bei Verbrechen häufig geringere Flexibilität bei der Strafzumessung zu, da das Mindestmaß nicht unterschritten werden darf. Im Gegensatz dazu ermöglicht das Gesetz bei Vergehen (Straftaten mit geringerem Mindeststrafmaß) eine viel differenziertere und an der konkreten Schuld ausgerichtete Strafe bis hin zu Geldstrafen oder kurzen Freiheitsstrafen. Besonders bedeutsam ist der Unterschied auch im Jugendstrafrecht und bei Nebenfolgen wie Einträgen ins Führungszeugnis, da die Begehung eines Verbrechens oft zu schwerwiegenderen Konsequenzen führt.

Inwiefern beeinflusst die Zweiteilung die Vorschriften über Versuch und Rücktritt?

Der Versuch ist bei Verbrechen stets strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB), bei Vergehen hingegen nur, wenn das Gesetz es ausdrücklich anordnet. Somit entscheidet die Einteilung, ob eine vorbereitende Handlung unter Strafe gestellt werden kann. Im Kontext des Rücktritts vom Versuch (§ 24 StGB) wird bei Verbrechen regelmäßig ein strengerer Maßstab an die Ernsthaftigkeit und den Umfang der Bemühungen zur Verhinderung der Tatvollendung angelegt als bei Vergehen. Abschließend beeinflusst die Zuordnung, ob überhaupt eine Versuchsstrafbarkeit eröffnet wird und in welcher Form strafmildernde oder strafbefreiende Umstände gelten.

Welche Auswirkungen hat die Zweiteilung auf das Strafverfahren?

Auch im Strafprozessrecht spielt die Zweiteilung eine zentrale Rolle. Schon bei der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) ist die Schwere der Tat von Bedeutung; bei Verbrechen gibt es beispielsweise keine Einstellungen im Bagatellverfahren (§ 153a StPO findet regelmäßig nur bei Vergehen Anwendung). Weiterhin ist bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen, wie dem Erlass von Haftbefehlen (§ 112 StPO), die Annahme eines Verbrechens oft Voraussetzung für die Beurteilung von Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr. Die Pflichtverteidigung (§ 140 StPO) wird bei Verbrechen ebenfalls leichter begründet. Zudem haben Opfer eines Verbrechens in bestimmten Fällen weitergehende Rechte, insbesondere im Hinblick auf Nebenklage oder Schmerzensgeld.

Welche Bedeutung hat die Zweiteilung bei Nebenstrafen und freiheitsentziehenden Maßnahmen?

Die Zweiteilung wirkt sich auch auf die Verhängung von Nebenstrafen und Sicherungsmaßnahmen aus. Bestimmte Nebenfolgen, z. B. der Verlust der Amtsfähigkeit, Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 StGB), treten regelmäßig nur bei Verbrechensverurteilungen ein. Auch die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, wie Sicherungsverwahrung oder Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, kann an die Begehung eines Verbrechens geknüpft sein. Im Ausländerrecht führt die Verurteilung wegen eines Verbrechens deutlich schneller zur Ausweisung als eine bloße Vergehensverurteilung. Der Gesetzgeber wollte damit eine klare Unterscheidung der Folgen abhängig vom Schweregrad der Tat gewährleisten.

Welche Bedeutung hat die Zweiteilung für die Eintragungen ins Bundeszentralregister und das Führungszeugnis?

Die Art der Straftat beeinflusst die Frage, ob und wie lange Eintragungen im Bundeszentralregister und im Führungszeugnis erfolgen. Verbrechen führen zu längerfristigen und schwerer wiegenden Einträgen, die auch für die sogenannte „Tilgungsfrist“ maßgeblich sind. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf das berufliche und gesellschaftliche Fortkommen des Verurteilten, insbesondere bei beruflichen Zulassungen, Genehmigungen oder der Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit (z.B. im Waffenrecht oder im Beamtenrecht).

Spielt die Zweiteilung auch im internationalen Recht eine Rolle?

Auch im internationalen Kontext hat die Zweiteilung Bedeutung, etwa bei Auslieferungsersuchen. Viele Staaten machen die Strafbarkeit und Auslieferungsfähigkeit einer Handlung davon abhängig, ob sie im ersuchenden Staat als Verbrechen eingestuft wird. Die Definitionen können dabei voneinander abweichen, sodass die Einordnung in Deutschland regelmäßig anhand der deutschen gesetzlichen Vorgaben zu erfolgen hat. Außerdem beeinflusst die Einstufung, ob bestimmte völkerrechtliche Verpflichtungen, wie die Auslieferung oder die Zusammenarbeit bei der internationalen Strafverfolgung, erfüllt werden müssen.

Wie wirkt sich die Zweiteilung auf das Opportunitätsprinzip im Strafverfahren aus?

Im deutschen Strafverfahren erlaubt das Opportunitätsprinzip (§§ 153, 153a StPO) grundsätzlich eine Einstellung von Verfahren wegen Geringfügigkeit. Dieses Prinzip ist jedoch weitgehend beschränkt auf Vergehen und findet bei Verbrechen kaum Anwendung. Insoweit schafft die Zweiteilung einen entscheidenden Filter, durch den sichergestellt wird, dass nur Verfahren geringerer Bedeutung und Schuld eingestellt werden können, während bei schwereren Taten der staatliche Strafanspruch konsequenter durchzusetzen ist.