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Zusicherung im Verwaltungsverfahren


Begriff und Bedeutung der Zusicherung im Verwaltungsverfahren

Die Zusicherung im Verwaltungsverfahren ist ein bedeutendes Instrument des deutschen Verwaltungsrechts. Sie kennzeichnet die bindende Erklärung einer Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt künftig zu erlassen oder zu unterlassen. Die rechtlichen Grundlagen der Zusicherung finden sich im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Durch eine Zusicherung entsteht für den Beteiligten ein berechtigtes Vertrauen in eine bestimmte zukünftige Entscheidung der Behörde. Die Zusicherung unterscheidet sich dadurch von unverbindlichen Auskünften oder Absichtserklärungen und ist mit speziellen Voraussetzungen und Rechtsfolgen verbunden.

Rechtsgrundlage und Voraussetzungen

Gesetzliche Regelung

Die wesentliche rechtliche Grundlage der Zusicherung ist in § 38 Abs. 1 VwVfG geregelt. Diese Vorschrift beschreibt die Zusicherung als eine schriftliche Erklärung einer Behörde, einen Verwaltungsakt in Aussicht zu stellen. Die Regelung bezweckt die Schaffung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Verwaltungsverfahren.

Merkmale der Zusicherung

Eine Zusicherung liegt nur vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Behördliche Erklärung: Die Zusicherung muss von einer zuständigen Behörde abgegeben werden.
  • Zukünftiger Verwaltungsakt: Die Erklärung bezieht sich auf das Ergehen oder Unterlassen eines Verwaltungsakts in der Zukunft.
  • Verbindlichkeit: Die Behörde bindet sich rechtlich an diese Erklärung.
  • Schriftform: Die Zusicherung erfordert nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VwVfG grundsätzlich die Schriftform.
  • Konkretisierte Regelungsabsicht: Die spätere Entscheidung muss inhaltlich bereits so bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, dass der Betroffene die Tragweite absehen kann.

Abgrenzung zu anderen Erklärungen der Verwaltung

Von der Zusicherung sind unverbindliche Auskünfte (zum Beispiel Hinweise, Empfehlungen oder Prognosen) sowie verwaltungsinterne Absichtserklärungen abzugrenzen. Diese entfalten keine rechtliche Bindungswirkung und schützen insbesondere nicht das Vertrauen des Betroffenen im gleichen Maße wie die Zusicherung.

Arten und Anwendungsbereiche der Zusicherung

Positive und negative Zusicherung

Die Verwaltung kann sowohl eine positive Zusicherung (das Ergehen eines bestimmten Verwaltungsakts wird zugesichert) als auch eine negative Zusicherung (das Unterlassen eines Verwaltungsakts wird zugesichert) abgeben. Darüber hinaus sind Kombinationen und konditional formulierte Zusicherungen möglich, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen weiterhin gewahrt bleiben.

Praxisrelevante Anwendungsfelder

In der Praxis spielen Zusicherungen etwa eine Rolle bei:

  • Planungssicherheit für Investitionen (zum Beispiel Bauvorhaben)
  • Wohnraumschaffung (zum Beispiel im Rahmen von Förderprogrammen)
  • Vergabe öffentlicher Aufträge
  • Genehmigungsverfahren (zum Beispiel Immissionsschutz, Gaststättenrecht)

Bindungswirkung und Aufhebung der Zusicherung

Rechtliche Bindungswirkung

Eine wirksame Zusicherung begründet eine rechtliche Bindung der Verwaltung. Die Behörde ist verpflichtet, den angekündigten Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen. Dies schafft Vertrauensschutz auf Seiten des Zusicherungsempfängers. Ausnahmen von dieser Bindung sind jedoch gesetzlich geregelt.

Gründe für die Aufhebung einer Zusicherung (§ 38 Abs. 2 VwVfG)

Die Behörde ist an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn:

  • Gesetzesänderungen eintreten, durch die der zugesicherte Verwaltungsakt rechtswidrig würde,
  • wesentliche Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (beispielsweise neue Erkenntnisse) die Erfüllung rechtswidrig erscheinen lassen,
  • das öffentliche Interesse die Aufhebung oder Abänderung der Zusicherung gebietet.

In solchen Fällen ist die Behörde berechtigt, die Zusicherung zu widerrufen oder anzupassen. Einzelheiten regelt § 38 Abs. 2 und 3 VwVfG.

Widerruf und Folgen für den Zusicherungsempfänger

Der Widerruf einer Zusicherung ist ein belastender Verwaltungsakt und daher an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Neben formellen Anforderungen muss die Behörde insbesondere das Vertrauensinteresse des Begünstigten gegen das öffentliche Interesse abwägen und gegebenenfalls eine Entschädigung leisten (§ 38 Abs. 3 VwVfG). Dies schützt den Betroffenen vor unangemessenen Nachteilen.

Rechtsschutz bei Zusicherungen

Rechtsschutzmöglichkeiten

Der Zusicherungsempfänger kann auf die Einhaltung der Zusicherung im Verwaltungsverfahren hinwirken und bei einem Widerruf oder einer Nichterfüllung der Zusicherung den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Im gerichtlichen Verfahren wird insbesondere geprüft, ob die Voraussetzungen und Grenzen einer Aufhebung oder Änderung der Zusicherung gewahrt wurden.

Entschädigung und Vertrauensschutz

Lässt die Behörde eine Zusicherung entfallen oder hebt sie diese auf, sind Vertrauensschutzgesichtspunkte maßgeblich. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit dem Betroffenen wegen getätigter Investitionen, Planungen oder sonstiger Dispositionen Ausgleichsansprüche zustehen (§ 38 Abs. 3 VwVfG).

Verhältnis zu anderen Verwaltungsakten und Handlungen

Unterschied zur Genehmigung mit Auflagen

Eine Zusicherung stellt einen Vor-Vorgang im Verwaltungsverfahren dar und ist abzugrenzen von einer Verwaltungsakte, der mit einer Nebenbestimmung erteilt wird. Während die Nebenbestimmung mit dem selbständigen Verwaltungsakt verbunden ist, bezieht sich die Zusicherung stets auf einen erst noch zu erlassenden Verwaltungsakt.

Abgrenzung zur Zusage

Im Bereich des öffentlichen Rechts gilt es zwischen der Zusicherung und der Zusage zu unterscheiden. Die Zusage (§ 38 VwVfG) betrifft die Erbringung oder Unterlassung eines tatsächlichen Verhaltens der Behörde, während die Zusicherung stets auf den Erlass eines künftigen Verwaltungsaktes zielt.

Zusicherung im europäischen Vergleich

Auch im europäischen Verwaltungsrecht existieren vergleichbare Institute, wobei die Zusicherung in Deutschland besonders detailliert geregelt ist. Auf europäischer Ebene wirkt der Grundsatz des Vertrauensschutzes ähnlich, jedoch ohne die ausgeprägte gesetzlichen Grundlagen wie im deutschen VwVfG.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) § 38 „Zusicherung“
  • Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar
  • Sodan/Ziekow, Verwaltungsverfahrensrecht
  • Pieroth/Schlink/Kniesel, Staats- und Verwaltungsrecht

Zusammenfassung:
Die Zusicherung im Verwaltungsverfahren stellt einen bedeutenden Bestandteil des deutschen Verwaltungsrechts dar. Sie dient der Sicherung berechtigten Vertrauens, schafft Planungs- und Investitionssicherheit und ist durch strenge rechtliche Voraussetzungen und Widerrufsregelungen gekennzeichnet. So garantiert das Instrument der Zusicherung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellen Vertrauen und öffentlichem Interesse im Verwaltungsverfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine wirksame Zusicherung im Verwaltungsverfahren vorliegen?

Für eine wirksame Zusicherung im Sinne des § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die Zusicherung von der zuständigen Behörde oder einer von ihr beauftragten Person abgegeben werden. Des Weiteren ist erforderlich, dass die Erklärung verbindlich, d. h. mit Bindungswillen, auf den Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts in Aussicht gestellt wird. Die Zusicherung muss dabei auf einen zukünftigen Verwaltungsakt gerichtet sein und zudem ausdrücklich, also unmissverständlich, gegenüber dem Betroffenen erklärt werden. Eine schlüssige, konkludente Erklärung genügt insoweit nicht. Schließlich darf es sich nicht um eine bloße Auskunft handeln, sondern es muss sich um eine rechtsverbindliche Aussage bezüglich eines künftigen konkreten Verwaltungsakts handeln. Die Einhaltung der Schriftform ist gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, wird jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit empfohlen.

Kann eine erteilte Zusicherung von der Behörde widerrufen oder aufgehoben werden?

Grundsätzlich ist eine einmal erteilte Zusicherung für die Behörde bindend. Allerdings sieht § 38 Absatz 2 VwVfG vor, dass eine Zusicherung zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sofern dies nach den für die Rücknahme oder den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten geltenden Vorschriften zulässig wäre. Dies bedeutet, dass insbesondere die Voraussetzungen der §§ 48 und 49 VwVfG zu prüfen sind. Ein Widerruf oder eine Rücknahme ist beispielsweise bei Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts oder bei besonders schwerwiegendem öffentlichen Interesse möglich. Zu beachten ist ferner, dass der Betroffene bei einem Widerruf oder einer Rücknahme gegebenenfalls einen Anspruch auf Entschädigung für sein im Vertrauen auf die Zusicherung vorgenommenes Verhalten haben kann (§ 38 Absatz 3 VwVfG).

Welche Rechtsfolgen hat eine rechtswirksame Zusicherung für die Beteiligten?

Eine rechtswirksame Zusicherung verpflichtet die Behörde rechtlich, den angekündigten Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen, es sei denn, sie wird rechtmäßig zurückgenommen oder widerrufen. Der Adressat der Zusicherung kann im Falle einer späteren Ablehnung des angekündigten Verwaltungsakts auf Ausstellung dieses Verwaltungsakts klagen (Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht). Die Bindung gilt nur in dem durch die Zusicherung bestimmten Umfang; hiervon abweichende Verwaltungsakte sind grundsätzlich rechtswidrig. Zudem kann aus der Bindungswirkung eventuell ein Anspruch auf Vertrauensschutz sowie auf Schadensersatz gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG erwachsen, sofern der Betroffene im Vertrauen auf die Zusicherung Dispositionen getroffen hat.

Was unterscheidet eine Zusicherung von anderen behördlichen Erklärungen wie Auskünften oder Absichtserklärungen?

Die Zusicherung unterscheidet sich von bloßen Auskünften und schlichten Wissenserklärungen dadurch, dass sie eine verbindliche, auf einen zukünftigen Verwaltungsakt gerichtete Erklärung der Behörde mit Bindungswillen darstellt. Während eine Auskunft lediglich eine rechtliche oder tatsächliche Information ist, ohne rechtliche Bindungswirkung, signalisiert die Zusicherung eine feste Verpflichtung der Behörde, künftig einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen. Absichtserklärungen hingegen bringen nur die Absicht, nicht aber die rechtliche Verpflichtung zum Ausdruck. Im Gegensatz dazu schafft die Zusicherung ein durchsetzbares öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen Behörde und Zusicherungsempfänger.

Inwieweit genießt der Empfänger einer Zusicherung Vertrauensschutz?

Der Empfänger einer wirksamen Zusicherung kann grundsätzlich auf ihren Bestand und die Erfüllung der in Aussicht gestellten Maßnahme vertrauen. Der Gesetzgeber hat dies über § 38 Absatz 3 VwVfG besonders betont. Danach steht demjenigen, der im berechtigten Vertrauen auf die Zusicherung Vermögensdispositionen getroffen oder sonstige Nachteile erlitten hat, ein Anspruch auf Entschädigung zu, sofern die Zusicherung später aufgehoben oder widerrufen wird und die Vertrauensbetätigung schützenswert ist. Allerdings kann dieses Vertrauen eingeschränkt werden, wenn der Betroffene die Unwirksamkeit der Zusicherung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte oder wenn das öffentliche Interesse überwiegt.

Sind Zusicherungen auch im förmlichen Verwaltungsverfahren (z.B. Planfeststellungsverfahren) zulässig?

Auch im förmlichen Verwaltungsverfahren können Zusicherungen abgegeben werden, sofern die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Verfahrenszweck nicht entgegensteht. Insbesondere im Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahren kommt dies jedoch selten vor, da das Ergebnis des Verfahrens zunächst offen ist und Zusicherungen die Entscheidungsfreiheit der Behörde einschränken könnten. Dennoch können Zusicherungen erfolgen, wenn etwa Randfragen oder bestimmte Detailregelungen betroffen sind. Hierbei ist stets eine genaue rechtliche Prüfung im Einzelfall geboten, da Planfeststellungsbeschlüsse i.d.R. eine umfassende Prüfung des Sachverhalts bis zum Verfahrensende voraussetzen und keine Vorfestlegung erfolgen soll.