Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Zusatzurteil

Zusatzurteil


Begriff und rechtliche Einordnung des Zusatzurteils

Das Zusatzurteil ist ein besonderes richterliches Erkenntnis im deutschen Zivilprozessrecht. Es wird erlassen, wenn ein Gericht über einen Teil des Streitgegenstands bereits durch (Haupt-)Urteil entschieden hat und über einen weiteren, bislang ausgesparten oder übersehenen Teil nachträglich zu entscheiden ist. Das Zusatzurteil dient insbesondere der Entscheidung über Anträge, die im ursprünglichen Urteil unbeachtet blieben, wie beispielsweise die Kostenentscheidung oder die vorläufige Vollstreckbarkeit. Die rechtliche Grundlage für das Zusatzurteil findet sich in § 321 der Zivilprozessordnung (ZPO).


Voraussetzungen und Anwendungsbereich

Sachliche Voraussetzungen

Ein Zusatzurteil kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht beim Erlass eines (Haupt-)Urteils über einen nicht unerheblichen Teil des Prozessstoffs – insbesondere über bestimmte Anträge – keine Entscheidung trifft. Dies kann insbesondere in folgenden Konstellationen geschehen:

  • Ohne Absicht werden vom Gericht einzelne Anträge übersehen (beispielsweise Säumnis von Nebenanträgen – etwa zur Kostentragung oder Zinszahlung).
  • Im Tenor des Urteils fehlt ein Ausspruch, der notwendig gewesen wäre (fehlende Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit).
  • Über unselbstständige Nebenentscheidungen oder weitere prozessuale Fragen wird versehentlich nicht befunden.

Das Zusatzurteil ergänzt also das bereits ergangene Urteil und beseitigt dessen Unvollständigkeit.

Rechtliche Grundlage

Die rechtliche Grundlage für das Zusatzurteil ist § 321 ZPO. Der Gesetzestext lautet:

„Hat das Gericht bei dem Urteil über einen nicht unerheblichen Teil des Streitgegenstandes nicht erkannt, so kann es diesen Teil auf Antrag durch ein nachträgliches Urteil entscheiden.“

Außerdem ist in § 329 Absatz 2 ZPO für Berufungsinstanzen explizit vorgesehen, dass auch dort ein Zusatzurteil ergehen kann.


Verfahren zur Erlassung eines Zusatzurteils

Antragsberechtigung und Antragsfrist

Das Zusatzurteil ergeht ausschließlich auf Antrag einer Partei. Ohne einen solchen Antrag wird das Gericht nicht selbständig tätig. Die Antragsfrist ist in § 321 Absatz 2 ZPO normiert und beträgt zwei Wochen nach Zustellung des Ursprungsurteils. Innerhalb dieser Frist muss der Antrag auf Erlass eines Zusatzurteils gestellt werden.

Inhalt und Form des Zusatzurteils

Das Zusatzurteil hat im Wesentlichen den gleichen formellen Aufbau wie ein „normales“ Urteil: Es besteht aus Rubrum, Tenor, Tatbestand, Entscheidungsgründen und Unterschrift der entscheidenden Richter. Es muss erkennen lassen, auf welche nicht entschiedenen Punkte des Ursprungsurteils es sich bezieht. Im Tenor sind die bislang übergangenen Anträge vollständig zu bescheiden.

Abgrenzung zu anderen gerichtlichen Entscheidungen

Das Zusatzurteil ist von anderen nachträglichen gerichtlichen Entscheidungen abzugrenzen:

  • Ergänzungsurteil (§ 321 ZPO): Der Begriff „Ergänzungsurteil“ und „Zusatzurteil“ werden häufig synonym gebraucht. Präzise meint das Zusatzurteil aber generell die Entscheidung über bislang unbehandelte Anträge, während das Ergänzungsurteil insbesondere die nachträgliche Entscheidung über Nebenentscheidungen (z. B. Kosten, Vollstreckbarkeit) betrifft.
  • Berichtigung nach § 319 ZPO: Dient der Korrektur von Schreib- oder Rechenfehlern, nicht aber zur Ergänzung unterlassener Entscheidungen.
  • Urteilsberichtigung von Amts wegen: Das Gericht kann Fehler im Sachverhalt oder Formulierungen von sich heraus berichtigen, übergangene Anträge aber nur mittels Zusatzurteil behandeln.

Rechtswirkungen und Bedeutung des Zusatzurteils

Bindungswirkung

Ein Zusatzurteil ergänzt das ursprüngliche Urteil in der Weise, dass beide Urteile zusammen als ein einheitliches Ganzes angesehen werden. Die Rechtskraft erstreckt sich nach Erlass des Zusatzurteils auf alle durch Ursprungs- und Zusatzurteil entschiedenen Teile.

Anfechtbarkeit

Das Zusatzurteil ist wie jedes Urteil mit den zulässigen Rechtsmitteln anfechtbar. Dabei gelten die regulären Fristen für die Berufung oder Beschwerde ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Zusatzurteils, sofern sich die Anfechtung ausschließlich auf den Gegenstand des Zusatzurteils bezieht. Greift eine Partei sowohl das Ersturteil als auch das Zusatzurteil an, sind beide Urteile mit dem jeweils zulässigen Rechtsmittel anzugreifen.


Praxisrelevanz und typische Anwendungsfälle

Häufige Anwendungsbeispiele

Das Zusatzurteil spielt insbesondere in der gerichtlichen Praxis eine Rolle, wenn:

  • Über Kostenanträge nicht entschieden wurde.
  • Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Haupturteil fehlt.
  • Der Streitgegenstand durch Teilurteil nur teilweise, über den restlichen Teil aber ungewollt nicht entschieden wurde.
  • Über eine Hilfsaufrechnung kein Urteil erging.

Bedeutung für die Parteien

Für die Parteien eines Rechtsstreits sichert das Zusatzurteil die vollständige Entscheidung über alle im Prozess gestellten Anträge und gewährleistet die umfassende Rechtsklarheit. Es dient zugleich dem effektiven Rechtsschutz, indem es die nachträgliche Korrektur von Lücken im Erkenntnisverfahren ermöglicht.


Sonderfälle und Besonderheiten im Zusatzurteil

Zusatzurteil im Berufungsverfahren

Gemäß § 329 Abs. 2 ZPO kann auch das Berufungsgericht ein Zusatzurteil erlassen, sofern es bei Entscheidung über die Berufung über Teile des Streitgegenstands nicht erkannt hat. Die Verfahrensregeln entsprechen im Wesentlichen denen des erstinstanzlichen Zusatzurteils.

Bindung an das Haupturteil

Das Zusatzurteil darf nicht inhaltlich den Bestand des Ersturteils in Frage stellen oder ändern. Es dient lediglich der nachträglichen Entscheidung über bislang nicht entschiedene Streitpunkte. Eine materielle Abänderung des erstinstanzlichen Urteils ist im Wege des Zusatzurteils nicht zulässig.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Zöller, ZPO, § 321 Rn. 1 ff.
  • Musielak/Voit, ZPO, § 321 Rn. 1 ff.
  • Thomas/Putzo, ZPO, § 321 Rn. 1 ff.
  • BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 360/13
  • Zivilprozessordnung (ZPO), § 321

Zusammenfassung

Das Zusatzurteil ist ein wichtiges Instrument zur Vervollständigung von Gerichtsentscheidungen im Zivilprozess. Es stellt sicher, dass über sämtliche Anträge und Prozessgegenstände eines Verfahrens vollständig entschieden wird. Seine rechtlichen Grundlagen sind vor allem in § 321 ZPO verankert. Das Zusatzurteil trägt maßgeblich dazu bei, Rechtssicherheit und Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zu sichern, indem es nachträglich übergangene Entscheidungsgegenstände ergänzt.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen kann ein Zusatzurteil ergehen?

Ein Zusatzurteil kommt immer dann in Betracht, wenn das Urteil über einen Teil des geltend gemachten Anspruchs oder über einen prozessualen Nebenpunkt – etwa über die Kosten oder die Vollstreckbarkeit – überhaupt nicht oder nicht ausdrücklich entschieden hat. Voraussetzung ist, dass insoweit eine „offen gebliebene Entscheidung“ vorliegt, dies also nicht auf eine konkludente Ablehnung des Begehrens hinausläuft. Typische Anwendungsfälle sind zum Beispiel das versehentliche Übergehen eines Hilfsantrags, die unterlassene Festsetzung der Kosten oder die unterlassene Entscheidung bezüglich der Zinsen. Das Zusatzurteil dient dazu, diese Spruchlücke zu schließen, ohne den ohnehin ergangenen Urteilstenor aufzuheben oder zu ändern. Ein Zusatzurteil ist allerdings nur möglich, solange das Haupturteil nicht rechtskräftig geworden ist, da mit Eintritt der Rechtskraft das Nachholen von Entscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Wie unterscheidet sich das Zusatzurteil vom Ergänzungsurteil?

Das deutsche Zivilprozessrecht unterscheidet zwischen Zusatzurteil und Ergänzungsurteil. Während das Zusatzurteil gemäß § 321 ZPO (Zivilprozessordnung) die fehlende Entscheidung zu einem tatsächlich geltend gemachten, aber unbeachteten Punkt nachholt, dient das Ergänzungsurteil dazu, eine vergessene Kostenentscheidung nachzuholen. In der Praxis werden die Begriffe allerdings oftmals vermischt gebraucht, was fachlich nicht korrekt ist. Wichtig ist auch, dass das Ergänzungsurteil in der Regel weiter gefasst ist und nicht nur prozessuale Nebenentscheidungen betrifft; das Zusatzurteil kann sich dagegen sowohl auf den nicht beschiedenen Klageanspruch selbst als auch auf prozessuale Nebenentscheidungen beziehen.

Ist die Antragstellung für ein Zusatzurteil fristgebunden?

Die Antragstellung auf Erlass eines Zusatzurteils ist grundsätzlich fristgebunden. Nach § 321 Abs. 2 ZPO kann der Antrag nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des vollständigen Urteils gestellt werden. Die Zweiwochenfrist dient dem Zweck der Verfahrensbeschleunigung und der Rechtssicherheit. Versäumt die Partei diese Frist, ist der Antrag auf Erlass eines Zusatzurteils unzulässig, es sei denn, die Versäumung ist unverschuldet oder das Gericht entscheidet von Amts wegen nachträglich. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, im Rahmen der Berufung oder Revision die fehlende Entscheidung zu rügen, sofern das Haupturteil noch nicht rechtskräftig ist.

Welche Wirkungen hat das Zusatzurteil auf das ursprüngliche Urteil?

Das Zusatzurteil ergänzt ausschließlich das bereits ergangene Urteil um die bislang fehlende Entscheidung und lässt dessen übrige, bereits getroffene Feststellungen unberührt. Es wirkt dabei rückwirkend, das heißt, der tatsächliche Eintritt der materiellen Rechtskraft bezieht sich auf das Datum des ursprünglichen Urteils. Dadurch können keine widersprüchlichen Entscheidungen entstehen. Etwaige Rechtsmittel gegen das Haupturteil erstrecken sich aufgrund ihres Zusammenhangs auch auf das Zusatzurteil, sofern die jeweilige Beschwer noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Auch ist zu beachten, dass der Lauf der Berufungsfrist unter Umständen beeinflusst wird, insbesondere wenn mit dem Zusatzurteil erstmals eine vollständige Entscheidung über den Streitgegenstand ergeht.

Inwiefern steht das Zusatzurteil unter dem Vorbehalt der Rechtskraft?

Das Zusatzurteil ist ebenso wie das Haupturteil berufungsfähig und wird nicht automatisch rechtskräftig, weil das Haupturteil bereits Formkraft erlangt hat. Tatsächlich ist die Nachholung einer versäumten Entscheidung durch Zusatzurteil nur möglich, wenn das Haupturteil im nachgeholten Punkt noch nicht rechtskräftig ist. Mit Eintritt der Rechtskraft über den betreffenden Streitgegenstand ist der Rechtsweg für das Zusatzurteil versperrt. Dies dient der Rechtssicherheit und beugt einer dauerhaften Unsicherheit über den Bestand richterlicher Entscheidungen vor.

Können im Zusatzurteil auch materielle Fehler des Haupturteils korrigiert werden?

Nein, das Zusatzurteil darf lediglich die unterlassene Entscheidung nachholen. Materielle Fehler des Haupturteils, wie etwa eine fehlerhafte Auslegung des Sachverhalts oder der Norm, können nicht im Rahmen eines Zusatzurteils berichtigt werden. Hierfür stehen nur die klassischen Rechtsmittel wie Berufung, Revision oder die Anhörungsrüge zur Verfügung. Das Zusatzurteil hat eine rein ergänzende Funktion und ist nicht darauf angelegt, eine vollständige Neubewertung oder Änderung der bereits getroffenen Entscheidungen vorzunehmen.

Welche Rechtsmittel stehen gegen ein Zusatzurteil zur Verfügung?

Gegen das Zusatzurteil stehen grundsätzlich die gleichen Rechtsmittel zur Verfügung wie gegen das Haupturteil. Dies ist in der Regel die Berufung oder – bei bestimmten Wertgrenzen bzw. Zulassung – die Revision oder Beschwerde. Darüber hinaus können Fehler bei Erlass eines Zusatzurteils, etwa wenn unzulässigerweise eine rechtskräftige Sache nochmals entschieden wurde, mit der Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) oder in besonderen Fällen mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Die Rechtsmittelfristen richten sich regelmäßig nach der förmlichen Zustellung des Zusatzurteils und sind unabhängig von den Fristen des Haupturteils.