Begriff und Grundlagen der Zurechnungsfortschreibung
Die Zurechnungsfortschreibung ist ein Begriff des deutschen öffentlichen Rechts und beschreibt die fortlaufende Fortschreibung der steuerrechtlichen Zurechnung von Grundstücken zu Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern, insbesondere im Rahmen der Grundsteuerveranlagung. Die Zurechnungsfortschreibung basiert auf den gesetzlichen Vorschriften der Abgabenordnung (AO), des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie der Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV), und dient der Aktualisierung und Korrektur von Eigentumsverhältnissen in den steuerlichen Einheitswertakten.
Der Zweck der Zurechnungsfortschreibung liegt dabei in der exakten Erfassung der/personengrundstücksbezogenen Steuerpflichtigen für steuerliche Belange. Sie gewährleistet, dass für jedes Grundstück die Steuerpflicht an die aktuell zutreffende natürliche oder juristische Person festgesetzt werden kann.
Rechtlicher Hintergrund
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtliche Regelung der Zurechnungsfortschreibung findet sich vorrangig in § 22 Abs. 2 BewG. Ergibt sich eine Veränderung hinsichtlich der Person, der ein Grundstück steuerlich zugerechnet wird, ist die Finanzbehörde verpflichtet, durch Zurechnungsfortschreibung den neuen Eigentümer in die Liegenschaftsakten aufzunehmen. Neben dem Bewertungsgesetz sind die Vorschriften der GrStDV sowie der AO für das Verfahren und die Mitwirkungspflichten maßgeblich.
§ 22 Abs. 2 BewG:
„Wird ein Grundstück auf eine andere Person überlassen oder fällt es einem anderen zu, so ist eine Fortschreibung auf den neuen Zurechnungsempfänger vorzunehmen (Zurechnungsfortschreibung).“
Anwendungsbereich
Die Zurechnungsfortschreibung findet insbesondere Anwendung bei Übertragungen des Eigentums an Grundstücken, wie etwa durch
- Kauf,
- Erbschaft oder Schenkung,
- Grundstücksteilungen oder Vereinigung von Grundstücken,
- Änderung von Eigentumsverhältnissen in Bruchteilsgemeinschaften oder Gesamthandsgemeinschaften,
- Ausscheiden oder Eintreten von Gesellschaftern in Personengesellschaften, die Eigentümer von Grundstücken sind.
Sie betrifft neben dem Eigentum auch andere Formen der steuerlichen Zurechnung (z. B. wirtschaftliches Eigentum gemäß § 39 AO).
Verfahren der Zurechnungsfortschreibung
Initiierung und Ablauf
Die Zurechnungsfortschreibung setzt entweder eine gesetzlich geregelte Mitteilung, wie etwa im Fall von Eigentumswechseln im Grundbuch, oder eine Anzeige des Steuerpflichtigen voraus. Sie wird von Amts wegen durchgeführt. Die Schritte des Verfahrens umfassen grundsätzlich:
- Feststellung der Änderung: Mitteilung über Eigentumswechsel, z. B. durch Grundbuchamt nach § 82 GrStDV an das Finanzamt.
- Prüfung durch die Finanzverwaltung: Überprüfung, ob eine tatsächliche Änderung des Eigentums vorliegt und wer der neue Zurechnungsempfänger ist.
- Erstellung des Zurechnungsfortschreibungsbescheids: Schriftlicher Bescheid über die Änderung in der Zurechnung mit Angaben zu Stichtag und neuem Zurechnungsempfänger.
- Mitteilung an Grundsteuerbehörde: Anpassung der Besteuerung zur Grundsteuer gegenüber dem neuen Eigentümer.
Stichtag und Wirksamkeit
Die Fortschreibung erfolgt nach § 22 Abs. 3 BewG immer zum Beginn des auf die Änderung folgenden Kalenderjahres, es sei denn, die Änderung erfolgt durch Rechtsnachfolge von Todes wegen oder es liegen gesetzliche Ausnahmeregelungen vor.
Bekanntgabe und Rechtsfolgen
Die Zurechnungsfortschreibung wird dem neuen Zurechnungsempfänger (grundsätzlich der neue Eigentümer) durch Verwaltungsakt bekanntgegeben. Ab Zugang des Bescheids ist dieser Inhaber der Rechte und Pflichten hinsichtlich der Grundsteuer für das betreffende Grundstück. Bereits festgesetzte Grundsteuerbeträge bleiben für frühere Zeiträume dem vormaligen Zurechnungsempfänger gegenüber bestehen.
Abgrenzung zu anderen Fortschreibungen im Bewertungsrecht
Die Zurechnungsfortschreibung ist von anderen im BewG geregelten Fortschreibungen zu unterscheiden:
- Wertfortschreibung: Anpassung des Einheitswertes wegen tatsächlicher Wertänderungen am Grundstück.
- Artfortschreibung: Änderungen hinsichtlich der Grundstücksart (z. B. von Ackerland zu Bauland).
- Nachfeststellung: Erstmalige Feststellung von Einheitswert, Art und Zurechnung, besonders für neu entstandene Grundstücke.
Die Zurechnungsfortschreibung ist ausschließlich auf die Änderung in der Person des steuerlich Verantwortlichen gerichtet, nicht auf Wert oder Art des Grundstücks.
Bedeutung für Betroffene und Meldepflichten
Nach § 228 BewG und § 19 GrStDV trifft Eigentümer und im Einzelfall auch sonst zur Anzeige verpflichtete Personen (z. B. Erben) die Pflicht, bedeutsame Änderungen hinsichtlich der Zurechnung dem Finanzamt unverzüglich mitzuteilen. Das Finanzamt seinerseits wird regelmäßig über Grundbuchmitteilungen und amtliche Registerdaten automatisch informiert, jedoch bleibt die Anzeigepflicht zur Datensicherung bestehen.
Ein Verstoß gegen die Meldepflichten kann ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Rechtschutz und Anfechtungsmöglichkeiten
Gegen den Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch eingelegt werden (§ 347 AO). Der neue wie auch der alte Zurechnungsempfänger sind zur Einlegung eines Rechtsbehelfs befugt, wenn sie geltend machen, zu Unrecht oder nicht (mehr) steuerpflichtig zu sein.
Die Anfechtung ist etwa möglich, wenn
- keine tatsächliche Eigentumsübertragung oder Zurechnungsänderung stattfand,
- der Stichtag der Änderung fehlerhaft erfasst wurde,
- der falschen Person die Zurechnung zugewiesen wurde.
Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde; im weiteren Verlauf ist der Finanzrechtsweg nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) eröffnet.
Steuerliche und finanzielle Auswirkungen
Die Zurechnungsfortschreibung bewirkt, dass der neue Eigentümer rechtsverbindlich zur Zahlung der Grundsteuer verpflichtet ist. Sie hat ferner Auswirkungen auf etwaige Haftungsregelungen nach § 45 AO sowie auf die Adressierung sonstiger steuerlicher Verpflichtungen und Rechte (z. B. Steuerbescheide, Rechtsbehelfe) im Zusammenhang mit dem betroffenen Grundstück.
Fehler in der Zurechnungsfortschreibung können zu unberechtigten Zahlungsaufforderungen führen oder steuerliche Ansprüche vereiteln, was im Einzelfall haftungsrechtliche oder verzugsbedingte Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Literatur und Quellen:
- Abgabenordnung (AO)
- Bewertungsgesetz (BewG)
- Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV)
- Finanzgerichtsordnung (FGO)
- BMF-Schreiben, Fachaufsätze zum Bewertungs- und Grundsteuerrecht
Hinweis: Dieser Artikel stellt eine allgemeine und umfassende Information zur Zurechnungsfortschreibung im deutschen Steuerrecht dar und beansprucht keine abschließende Darstellung aller Ausnahmen oder Sonderfälle.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist eine Zurechnungsfortschreibung rechtlich zwingend vorzunehmen?
Eine Zurechnungsfortschreibung ist dann rechtlich zwingend vorzunehmen, wenn sich aufgrund von Veränderungen in den Rechtsverhältnissen an einem Grundstück, insbesondere durch Übertragung von Grundstücksteilen, Erbbaurechten oder durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen (z. B. Verschmelzung, Spaltung oder Einbringung) eine veränderte wirtschaftliche oder rechtliche Zugehörigkeit zu einer natürlichen oder juristischen Person ergibt. Dies ist im Bewertungsgesetz (BewG) sowie im Grundsteuergesetz (GrStG) geregelt. Die Zurechnungsfortschreibung dient hierbei der Vermeidung von Diskrepanzen zwischen tatsächlichen Eigentumsverhältnissen und den Katasterdaten beziehungsweise Steuerbescheiden. Maßgeblich ist, dass die Veränderung im Eigentum oder in der Verfügungsmacht so erheblich ist, dass sie rechtlich beachtlich wird und eine neue Festsetzung von Steuerschuldnerschaft oder -höhe erforderlich macht. Amtlich festgestellt wird die Zurechnungsfortschreibung in der Regel auf Antrag, sie kann aber auch von Amts wegen erfolgen, sobald die Finanzbehörde Kenntnis von der maßgeblichen Veränderung erhält.
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Zurechnungsfortschreibung?
Die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen für die Zurechnungsfortschreibung ergeben sich aus dem Bewertungsgesetz (BewG), insbesondere § 22 BewG i. V. m. § 34 BewG, sowie ergänzend dem Grundsteuergesetz (GrStG). Das Bewertungsrecht sieht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Zurechnung fortgeschrieben werden muss. Darüber hinaus regeln die Abgabenordnung (AO) sowie zugehörige Verordnungen und Verwaltungsvorschriften das Verfahren zur Feststellung und Durchsetzung der Fortschreibung. Ferner finden sich Regelungen zur Mitwirkungspflicht der Beteiligten insbesondere in der AO, die verpflichtet, Veränderungen in den maßgeblichen Zuordnungsverhältnissen unverzüglich der Finanzbehörde anzuzeigen. Die Umsetzung erfolgt auf Basis der Eintragungen im Grundbuch und/oder vom Notar mitgeteilten Rechtsänderungen.
Wer ist bei einer Änderung der Zurechnung fortschreibungsbefugt und fortschreibungspflichtig?
Im rechtlichen Kontext sind sowohl die Finanzverwaltung als auch die betroffenen Grundstückseigentümer oder Verfügungsberechtigten fortschreibungspflichtig. Die Finanzbehörden sind fortschreibungsbefugt, sobald sie von einer Änderung der maßgeblichen Zurechnungsverhältnisse Kenntnis erlangen, etwa aufgrund von Mitteilungen durch das Grundbuchamt, Notare oder andere öffentliche Stellen. Die Steuerpflichtigen beziehungsweise ihre Rechtsnachfolger haben die Pflicht, relevante Änderungen (z. B. Erwerb, Verkauf, Schenkung oder Erbgang) der Behörde unverzüglich anzuzeigen (§ 19 BewG, § 153 AO). Die Initiative zur Zurechnungsfortschreibung kann somit von beiden Seiten ausgehen, wobei die Finanzbehörde bei unterlassener Anzeige auch von Amts wegen tätig werden kann.
Welche Auswirkungen hat die Zurechnungsfortschreibung auf die steuerliche Behandlung eines Grundstücks?
Die steuerlichen Auswirkungen der Zurechnungsfortschreibung sind wesentlich: Die Fortschreibung führt dazu, dass das Grundstück steuerlich ab dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels oder der sonstigen maßgeblichen Rechtsänderung der neuen Person zugerechnet wird. Dies betrifft insbesondere die Erhebung der Grundsteuer sowie etwaige Bewertungsstichtage im Rahmen von Erbschaft- oder Schenkungsteuerverfahren. Eine verspätete oder unterbliebene Fortschreibung kann notfalls zu rückwirkenden Korrekturen und Nachzahlungen führen, insbesondere wenn der ursprünglich zugerechnete Steuerpflichtige mit den Grundbesitzabgaben in Rückstand geraten ist. Auch die Bemessungsgrundlagen etwa im Rahmen der Einheitswert- oder Grundsteuerwertfeststellung werden mit der Zurechnungsfortschreibung aktualisiert.
Wie ist das Verfahren zur Durchführung der Zurechnungsfortschreibung ausgestaltet?
Das Verfahren zur Durchführung setzt in aller Regel eine Mitteilung (Anzeige) durch die Beteiligten oder eine Information durch öffentliche Stellen voraus. Nach Eingang der relevanten Daten prüft die Finanzverwaltung, ob und mit welchem Stichtag eine Fortschreibung zu erfolgen hat. Der Vorgang wird mit einem Zurechnungsfortschreibungsbescheid abgeschlossen, der den neuen Rechtsträger sowie das Datum der Rechtsänderung ausweist. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, gegen den Fortschreibungsbescheid im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens (z. B. Einspruch nach § 347 AO) vorzugehen, wenn sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind. Im Streitfall entscheidet das zuständige Finanzgericht. Die rückwirkende Korrektur ist möglich, wenn die Änderung der rechtlichen Zuordnung für zurückliegende Besteuerungszeiträume relevant ist.
Welche Fristen bestehen im Zusammenhang mit der Zurechnungsfortschreibung?
Aus rechtlicher Sicht sind verschiedene Fristen zu beachten. Gemäß § 153 AO ist jede Änderung in den maßgeblichen Eigentumsverhältnissen unverzüglich der Finanzverwaltung anzuzeigen. Die Behörde ist sodann gehalten, die Fortschreibung zeitnah zu veranlassen, soweit alle notwendigen Informationen vorliegen. Formelle Fristen für die Bearbeitung sind gesetzlich nicht konkretisiert, gleichwohl sind die Fortschreibungen zeitnah vorzunehmen, um steuerliche Nachteile für die Beteiligten zu vermeiden. Die Einspruchsfrist gegen den Fortschreibungsbescheid beträgt grundsätzlich einen Monat ab Bekanntgabe (§ 355 AO).
Kann es zu rückwirkenden Korrekturen durch die Zurechnungsfortschreibung kommen?
Eine rückwirkende Korrektur ist rechtlich grundsätzlich zulässig, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass eine Änderung in den maßgeblichen Zurechnungsverhältnissen bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten, aber noch nicht fortgeschrieben wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn die rechtliche Wirkung – z. B. durch Umschreibung im Grundbuch oder durch eine wirksame vertragliche Übertragung – bereits wirksam geworden ist. In diesen Fällen kann und muss die Finanzbehörde die Zurechnungsfortschreibung mit Wirkung zum tatsächlichen Änderungsstichtag nachholen; dies kann zu nachträglichen Steuerfestsetzungen oder -berichtigungen führen (§ 175 AO, § 22 BewG). Betroffene werden hierüber durch einen entsprechenden Bescheid informiert und können innerhalb der genannten Frist Rechtsmittel einlegen.