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WpÜG

WpÜG: Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz im Überblick

Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) ist das zentrale Regelwerk in Deutschland für öffentliche Angebote zum Erwerb von Aktien börsennotierter Gesellschaften und für Unternehmensübernahmen. Es legt fest, wie solche Angebote vorbereitet, veröffentlicht, durchgeführt und überwacht werden. Ziel ist ein geordneter Ablauf von Übernahmen, der Schutz aller Aktionärinnen und Aktionäre sowie Transparenz und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts.

Zweck und Anwendungsbereich

Das WpÜG regelt öffentliche Erwerbs- und Übernahmeangebote für Aktien und aktienvertretende Wertpapiere von Gesellschaften, deren Aktien an einem regulierten Markt gehandelt werden. Es sorgt dafür, dass bei einem Kontrollwechsel alle Aktionäre gleich behandelt werden und ausreichende Informationen erhalten, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

  • Aktionärsschutz: Gleichbehandlung, faire Preisfindung und umfassende Information.
  • Marktordnung: Klar definierte Verfahren, Fristen und Veröffentlichungspflichten.
  • Aufsicht: Überwachung des Prozesses durch die zuständige Behörde (BaFin).

Zentrale Begriffe und Beteiligte

Bieter, Zielgesellschaft und Aktionäre

Der Bieter ist die Person oder das Unternehmen, das ein öffentliches Angebot abgibt. Zielgesellschaft ist die börsennotierte Gesellschaft, deren Aktien erworben werden sollen. Aktionäre sind Inhaber der Wertpapiere, an die sich das Angebot richtet.

Kontrollerwerb und Pflichtangebot

Erwirbt ein Bieter die Kontrolle über eine Zielgesellschaft, muss er in der Regel ein Pflichtangebot an sämtliche übrigen Aktionäre unterbreiten. Als Kontrolle gilt in Deutschland typischerweise das Erreichen oder Überschreiten von 30 Prozent der Stimmrechte. Das Pflichtangebot soll allen verbleibenden Aktionären einen Ausstieg zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.

Handeln in gemeinsamer Absprache

Stimmen mehrere Personen ihr Verhalten im Hinblick auf die Zielgesellschaft ab, können ihre Beteiligungen zusammengerechnet werden. Das ist relevant, um festzustellen, ob die Kontrollschwelle erreicht wird und ob ein Pflichtangebot auszulösen ist.

Arten öffentlicher Angebote

Übernahmeangebot

Ein Übernahmeangebot ist auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet. Es kann freiwillig erfolgen, wenn der Bieter die Kontrolle anstrebt, oder verpflichtend, wenn die Kontrollschwelle bereits erreicht wurde.

Erwerbsangebot

Ein Erwerbsangebot zielt nicht auf Kontrollerlangung, sondern bietet Aktionären die Möglichkeit, ihre Anteile zu einem festgelegten Preis zu veräußern.

Delisting-Angebot

Bei einem geplanten Rückzug der Aktien vom regulierten Markt muss den Aktionären ein Angebot unterbreitet werden, das ihnen den Ausstieg vor dem Widerruf der Börsenzulassung ermöglicht.

Verfahrensablauf eines öffentlichen Angebots

Bekanntmachung der Absicht und Angebotsunterlage

Der Bieter macht seine Absicht öffentlich und erstellt eine Angebotsunterlage. Diese muss klar, vollständig und verständlich über Ziel, Preis, Bedingungen, Finanzierung und Zeitplan informieren. Die Unterlage wird der Aufsichtsbehörde vorgelegt und veröffentlicht.

Annahmefrist und zusätzliche Frist

Nach Veröffentlichung läuft eine Annahmefrist, innerhalb derer Aktionäre das Angebot annehmen können. Nach Abschluss folgt regelmäßig eine zusätzliche Annahmefrist, damit auch zögerliche Aktionäre reagieren können.

Bedingungen und Genehmigungen

Angebote können an Bedingungen geknüpft sein, etwa an die Freigabe durch Kartellbehörden oder das Erreichen einer Mindestbeteiligung. Solche Bedingungen müssen transparent und für alle Aktionäre einheitlich sein.

Preisfindung und Finanzierung

Mindestpreisregeln

Der Angebotspreis unterliegt Mindeststandardregeln. Er orientiert sich insbesondere am Marktpreis und an vorangegangenen Erwerbspreisen des Bieters. Bezahlt der Bieter außerhalb des Angebots höhere Preise, sind Anpassungen des Angebotspreises vorgesehen, um Gleichbehandlung sicherzustellen.

Gleichbehandlung und Gegenleistungsformen

Alle Aktionäre müssen für dieselbe Wertpapiergattung die gleiche Gegenleistung erhalten. Üblich ist eine Barzahlung; möglich sind auch Aktien oder Mischformen, sofern die Transparenzanforderungen erfüllt sind.

Finanzierungsbestätigung

Der Bieter muss nachweisen, dass die Gegenleistung vollständig finanzierbar ist. Dazu ist eine Bestätigung eines zugelassenen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts erforderlich, das für die Richtigkeit einzustehen hat.

Rechte von Mehrheits- und Minderheitsaktionären

Squeeze-out (Ausschluss von Minderheitsaktionären)

Erreicht der Bieter nach einem Angebot eine sehr hohe Beteiligungsquote, kann er innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens den Übertrag der verbleibenden Aktien gegen angemessene Abfindung verlangen (Übernahme-spezifischer Squeeze-out). In der Praxis liegt die dafür erforderliche Quote bei 95 Prozent der Aktien.

Sell-out (Übernahmerecht der Minderheitsaktionäre)

Minderheitsaktionäre können ihrerseits unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass der neue Mehrheitsaktionär ihre Aktien zu angemessenen Bedingungen erwirbt. Das schützt vor einer faktischen „Einschließung“ nach einem Kontrollwechsel.

Pflichten der Zielgesellschaft während des Angebots

Informationspflichten

Der Vorstand der Zielgesellschaft muss eine begründete Stellungnahme zum Angebot veröffentlichen. Diese bezieht die Interessen der Gesellschaft, der Aktionäre und der Beschäftigten ein und würdigt die angebotene Gegenleistung.

Abwehrmaßnahmen und Neutralität

Nach Bekanntwerden eines Angebots sind Maßnahmen, die den Erfolg des Angebots vereiteln könnten, nur in begrenztem Umfang zulässig. Bestimmte Schritte bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung. Damit wird verhindert, dass übereilte Abwehrhandlungen den Aktionärsschutz beeinträchtigen.

Transparenz- und Veröffentlichungspflichten

Das Verfahren ist von umfassenden Publizitätspflichten geprägt: Entscheidungen über Angebote, Angebotsunterlagen, Fristen, Zwischenergebnisse und das Endergebnis sind zu veröffentlichen. Erwerbe von Aktien außerhalb des Angebots sind offenzulegen und können zu einer Anpassung der Gegenleistung führen.

Aufsicht und Durchsetzung

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht den Prozess. Sie prüft Angebotsunterlagen auf Vollständigkeit, Klarheit und Widerspruchsfreiheit, erlässt Anordnungen, genehmigt Ausnahmen und kann Verstöße ahnden. Sanktionen reichen von Bußgeldern bis zu Beschränkungen der Stimmrechte. Unzutreffende oder irreführende Angaben können Haftungsfolgen auslösen.

Grenzüberschreitende Angebote

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich die Zuständigkeit nach einem einheitlichen europäischen Rahmen. In der Regel ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem die Zielgesellschaft ihren Marktbezug hat. Aspekte des Gesellschaftsrechts der Zielgesellschaft bleiben unberührt. Veröffentlichungen und Dokumente müssen für die betroffenen Märkte zugänglich sein.

Verhältnis zu weiteren Regelwerken

Das WpÜG wirkt mit anderen Gesetzen zusammen. Relevante Bezüge bestehen insbesondere zum Aktienrecht (z. B. Strukturmaßnahmen), zum Börsenrecht (Zulassung und Delisting), zum Marktmissbrauchsrahmen (Insiderrecht, Ad-hoc-Publizität) und zum Kartellrecht (Fusionskontrolle). Diese Normen können zeitliche Abläufe, Informationsinhalte und Wirksamwerden einzelner Schritte im Übernahmeverfahren beeinflussen.

Praktische Bedeutung

Das WpÜG schafft verlässliche Regeln für öffentliche Angebote und Übernahmen. Es stärkt Vertrauen in den Kapitalmarkt, ermöglicht effiziente Kontrollwechsel und schützt Minderheitsaktionäre. Für Marktteilnehmer liefert es einen klaren Prozessrahmen, der Transparenz, Gleichbehandlung und Fairness in den Mittelpunkt stellt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum WpÜG

Was regelt das WpÜG grundlegend?

Das WpÜG regelt öffentliche Angebote zum Erwerb von Aktien börsennotierter Gesellschaften sowie den Ablauf von Übernahmen. Es legt fest, wie Angebote bekannt gemacht, dokumentiert, finanziert, bepreist und durchgeführt werden und enthält Schutzmechanismen für alle Aktionäre.

Für welche Unternehmen gilt das WpÜG?

Das WpÜG gilt für öffentliche Angebote, die sich auf Aktien von Gesellschaften beziehen, deren Aktien an einem regulierten Markt in Deutschland gehandelt werden. Bei grenzüberschreitenden Fällen greift ein europäischer Zuständigkeitsrahmen.

Welche Arten von Angeboten unterscheidet das WpÜG?

Unterschieden werden Übernahmeangebote (kontrollerwerbsbezogen), Pflichtangebote (bei bereits erreichtem Kontrollerwerb), Erwerbsangebote (ohne Kontrollziel) sowie Delisting-Angebote (im Zusammenhang mit dem Rückzug vom regulierten Markt).

Wann entsteht die Pflicht zu einem Angebot?

Erreicht oder überschreitet ein Bieter die Kontrolle über die Zielgesellschaft, muss er in der Regel ein Pflichtangebot an alle übrigen Aktionäre unterbreiten. In Deutschland wird Kontrolle praxisgemäß an einer Stimmrechtsschwelle von 30 Prozent festgemacht, wobei abgestimmtes Verhalten mitzurechnen sein kann.

Wie wird der Angebotspreis bestimmt?

Der Angebotspreis unterliegt Mindeststandards. Er orientiert sich an Marktpreisen und an zuvor gezahlten Erwerbspreisen des Bieters. Höhere Erwerbe außerhalb des Angebots können zu einer Anpassung des Angebotspreises führen, um Gleichbehandlung sicherzustellen.

Welche Rolle hat die BaFin im Übernahmeverfahren?

Die BaFin überwacht das Verfahren, prüft Angebotsunterlagen auf Vollständigkeit und Verständlichkeit, veröffentlicht Entscheidungen, erteilt Ausnahmen und sanktioniert Verstöße. Sie stellt damit die Einhaltung der Regeln und den Schutz der Anleger sicher.

Welche Rechte haben Minderheitsaktionäre nach einem erfolgreichen Angebot?

Minderheitsaktionäre können unter bestimmten Voraussetzungen den Erwerb ihrer Aktien durch den Mehrheitsaktionär verlangen (Sell-out). Umgekehrt kann der Mehrheitsaktionär nach Erreichen sehr hoher Beteiligungsquoten den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Abfindung betreiben (Squeeze-out).