Wohnvorteil: Definition, rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Begriffserklärung und allgemeine Bedeutung
Der Wohnvorteil bezeichnet im rechtlichen Kontext den geldwerten Nutzen, den eine Person durch das unentgeltliche oder verbilligte Wohnen in einer Immobilie hat. Er spielt insbesondere im Familienrecht, im Unterhaltsrecht und im Sozialrecht eine bedeutende Rolle. Die Berücksichtigung des Wohnvorteils erfolgt, wenn eine Wohnung, ein Haus oder eine vergleichbare Unterkunft genutzt wird, ohne dass hierfür eine marktübliche Miete gezahlt werden muss, zum Beispiel als Eigentümer einer Immobilie oder aufgrund eines mietfreien Nutzungsverhältnisses.
Rechtliche Grundlagen des Wohnvorteils
Im Familienrecht
Im Familienrecht ist der Wohnvorteil vor allem im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung und Unterhaltsberechnungen von erheblichem Belang. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in verschiedenen Grundsatzentscheidungen herausgestellt, dass der Wohnvorteil als Einkommen zu behandeln ist (§ 1577 Abs. 2 BGB).
Unterhaltsrechtliche Relevanz
Im Rahmen der Unterhaltsberechnung, sowohl beim Ehegatten- als auch beim Kindesunterhalt, wird der Wohnvorteil regelmäßig als zusätzliches Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder Unterhaltsberechtigten angerechnet. Dabei ist maßgeblich, ob die Nutzung der Immobilie über den eigenen Bedarf hinausgeht oder ob fremde Dritte in die Nutzung eingebunden sind. Der Wohnvorteil stellt somit einen fiktiven Einkommenswert dar, der die Leistungsfähigkeit der betreffenden Person erhöht.
Sozialrechtlicher Kontext
Auch im Sozialrecht, beispielsweise im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung, ist der Wohnvorteil von Bedeutung. Hier wird bei der Berechnung der Bedürftigkeit bzw. Anspruchsvoraussetzungen darauf abgestellt, ob eine mietfreie Wohnmöglichkeit als Einkommensersatz zu berücksichtigen ist.
Ermittlung und Berechnung des Wohnvorteils
Maßgebliche Bewertungsmethoden
Die Bemessung des Wohnvorteils erfolgt grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Bei selbstgenutztem Wohneigentum wird zunächst die marktübliche Miete (auch als „ortsübliche Vergleichsmiete“ bezeichnet) ermittelt, die für eine gleichartige Immobilie am jeweiligen Standort zu entrichten wäre. Von dieser Bruttomiete sind die anfallenden Kosten für Bewirtschaftung, Instandhaltung, Versicherungen, Schuldzinsen sowie laufende Lasten abzuziehen.
Abzug von Belastungen
Wird eine Immobilie wirtschaftlich noch durch Kredite belastet, kann der Betrag für Zins und nicht regelmäßig für Tilgung von dem Wohnvorteil abgezogen werden. Die Tilgung wird im Rahmen der Unterhaltsberechnung in der Regel nicht als abzugsfähige Belastung anerkannt, da sie als Vermögensbildung betrachtet wird. Reparaturkosten und laufende Aufwendungen (z. B. Grundsteuer, Gebäudeversicherung) sind hingegen regelmäßig absetzbar.
Besonderheiten bei teilweiser Nutzung
Sofern die Immobilie nur teilweise genutzt oder etwa an Dritte (Teilflächen) vermietet wird, ist nur der auf die eigene Nutzung entfallende Anteil beim Wohnvorteil zu berücksichtigen. In bestimmten Konstellationen (z. B. bei gemeinsam genutzten Wohnungen nach Trennung) sind im Rahmen der Wohnvorteilsberechnung besondere Aufteilungsmaßstäbe anzuwenden.
Wohnvorteil bei Nutzung durch mehrere Personen
Umgang mit Mitbewohnern und neuen Partnerschaften
Lebt der Wohnungsinhaber mit einem neuen Partner, Kindern oder anderen Personen zusammen, muss der Wohnvorteil entsprechend aufgeteilt werden. Jeder Nutzer trägt im Grundsatz anteilig einen wohnwertbezogenen Anteil.
Ehegatten und Ex-Ehegatten
Während des Getrenntlebens oder nach der Scheidung steht dem Nutzungsberechtigten gemäß § 1361b BGB unter Umständen ein weiterer Vorteil zu, sofern die Nutzung der Ehewohnung allein erfolgt. Auch im Rahmen der Auseinandersetzung über die Ehewohnung ist die Anrechnung des Wohnvorteils ein wesentlicher Gesichtspunkt.
Wohnvorteil und steuerrechtliche Aspekte
In bestimmten Konstellationen, etwa bei der betrieblichen Nutzung von Wohnraum oder im Zusammenhang mit Betriebsvermögen, kann der Wohnvorteil auch steuerrechtlich relevant sein und als geldwerter Vorteil zu versteuern sein. In der Einkommensbesteuerung privater Haushalte bleibt die Eigennutzung selbstgenutzten Wohneigentums hingegen grundsätzlich steuerfrei (Stichwort: Steuerfreiheit des „fiktiven Mietwerts“ in Deutschland).
Rechtsprechung zum Wohnvorteil
Die Rechtsprechung hat zum Wohnvorteil zahlreiche wertvolle Leitlinien entwickelt. Die höchstrichterlichen Beschlüsse konkretisieren, wie die Bewertung des Wohnvorteils in der Praxis vorzunehmen ist. So legt der Bundesgerichtshof unter anderem fest, dass sich der Wohnwert zunächst nach der objektiven Marktmiete richtet und erst nach vollständiger Tilgung eines Grundschuld-Darlehens in voller Höhe berücksichtigt werden kann, während während der Tilgungsphase lediglich ein angemessener, reduzierter Wohnvorteil einzusetzen ist.
Relevanz und Auswirkungen in der Praxis
Der Wohnvorteil stellt einen zentralen Aspekt in der Vermögens- und Einkommensbewertung privater Haushalte dar, sowohl im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen als auch im gerichtlichen Verfahren. Die ordnungsgemäße und vollständige Erfassung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des Unterhalts, die Bedürftigkeit im Sozialrecht und etwaige steuerliche Beurteilungen.
Fazit
Der Wohnvorteil ist ein komplexer, rechtsübergreifender Begriff, der in verschiedenen Rechtsgebieten eine maßgebliche Rolle spielt. Eine sachgerechte Ermittlung und Bewertung ist insbesondere im Unterhaltsrecht und Sozialrecht von großer Bedeutung. Die ordnungsgemäße Berücksichtigung des Wohnvorteils trägt entscheidend zur Gerechtigkeit und Ausgewogenheit bei der Einkommens- und Bedürftigkeitsberechnung bei.
Siehe auch:
- Unterhaltspflicht
- Eigenheim
- Vergleichsmiete
- Zugewinnausgleich
- Trennungsunterhalt
Literaturhinweis:
- Bundesgerichtshof, Entscheidung XII ZR 11/13 – Wohnvorteil in der Unterhaltsberechnung
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage, § 1577 Rn. 16 ff.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Wohnvorteil bei der Unterhaltsberechnung?
Der Wohnvorteil ist im deutschen Familienrecht ein maßgeblicher Faktor zur Ermittlung der unterhaltsrelevanten Einkünfte, insbesondere bei Ehegatten- und Kindesunterhalt. Gesetzlich explizit geregelt ist er nicht, sondern ergibt sich aus der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH). Grundlage ist die Vorgabe, dass neben den steuerpflichtigen Einkünften sämtliche geldwerten Vorteile berücksichtigt werden müssen (§ 1603 BGB – Leistungsfähigkeit), wozu auch das mietfreie Wohnen in einer eigenen Immobilie zählt. Die gerichtliche Praxis verlangt daher, dass bei getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten, die allein oder mit Kindern in einer selbstgenutzten Immobilie wohnen, ein sogenannter fiktiver Wohnwert als Einkommen angesetzt wird. Maßgeblich ist hierbei regelmäßig der objektive Mietwert (Marktmiete) der Immobilie abzüglich berücksichtigungsfähiger Kosten (wie Zinsaufwendungen, nicht aber Tilgungen). Die genaue Berechnung unterliegt den Umständen des Einzelfalls, wobei regionale Mietspiegel und ortsübliche Vergleichsmieten heranzuziehen sind. Bei noch unverarbeiteten Trennungssituationen wird zudem oft zunächst ein geringerer „Wohnwert“ angenommen, bis die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse geklärt sind.
In welchem Stadium der Trennung oder Scheidung wird der Wohnvorteil dem Einkommen zugerechnet?
Juristisch relevant wird der Wohnvorteil grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Trennung, wenn ein Ehegatte weiterhin im gemeinsamen Haus oder der Wohnung verbleibt, während der andere auszieht. In der ersten Trennungsphase gesteht die Rechtsprechung üblicherweise einen sogenannten „angemessenen Wohnvorteil“ zu, der unter Umständen niedriger als der objektive Marktwert ausfallen kann – etwa, wenn der Verbleib in der Wohnung aus familiären Gründen zunächst geboten ist oder das sofortige Nutzen des Wohnwerts nicht zumutbar erscheint. Spätestens mit der Scheidung (und nach Ablauf von etwa einem Jahr nach Trennung) wird regelmäßig die volle Marktmiete als Wohnvorteil angesetzt, sodass dieser in voller Höhe als Einkommen gilt. Eine Ausnahme kann es geben, wenn das Haus oder die Wohnung mangels Verkaufbarkeit oder Vermietbarkeit objektiv nicht verwertbar ist. Im Rahmen des Unterhaltsverfahrens ist der Wohnvorteil dann auf Seiten des in der Immobilie verbliebenen Ehegatten aufzuführen.
Welche Kosten dürfen vom Wohnvorteil abgesetzt werden?
Zur Bestimmung des wohnwertbezogenen Einkommens werden von der erzielbaren Marktmiete bestimmte Aufwendungen abgezogen. Rechtlich anerkannt sind insbesondere laufende Kosten wie Zinsaufwendungen für eventuelle Immobiliendarlehen, Grundsteuer, Gebäudeversicherung und übliche Instandhaltungskosten. Nicht abzugsfähig sind hingegen Tilgungsleistungen auf ein Immobiliendarlehen, da sie der Vermögensbildung und nicht dem Erhalt der Immobilie dienen. Ferner können außergewöhnliche Modernisierungs- oder Reparaturkosten im Einzelfall berücksichtigt werden, wenn sie zur Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit erforderlich sind. Hinzu kommen verbrauchsunabhängige Betriebskosten, soweit sie auf den Eigentümer entfallen und bei einer Vermietung nicht umlagefähig wären. Diese vorgenannten Abzüge orientieren sich an den Regeln zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach steuerrechtlichen Grundsätzen, wobei der Unterhaltsrelevanz stets der tatsächliche wirtschaftliche Nutzen des mietfreien Wohnens zugrunde gelegt wird.
Wie wird der Wert des Wohnvorteils bemessen und welche Methoden sind zulässig?
Die Höhe des Wohnvorteils bestimmt sich nach der ortsüblichen Miete für eine vergleichbare Wohnung oder Immobilie am jeweiligen Wohnort. Zugrunde gelegt wird der sogenannte objektive Mietwert, den die Immobilie am Markt erzielen könnte, wenn sie fremdvermietet würde. Rechtlich anerkannt sind als Ermittlungsmethoden die Heranziehung von Vergleichsmieten anhand regionaler Mietspiegel, Auskünfte von Immobilienmaklern oder Sachverständigengutachten. Die Größe, Lage, Ausstattung und der allgemeine Zustand der Immobilie sind bei der Bewertung zu berücksichtigen. In der Praxis genügt oft eine Schätzung anhand des örtlichen Mietspiegels; eine exakte Wertermittlung ist nur bei großen Differenzen oder Streitigkeiten notwendig. Bei teilweiser Eigennutzung (z.B. nach Auszug eines Ehegatten) ist der Wohnvorteil anteilig zu berechnen. Mängel, Leerstand einzelner Räume oder besondere Nutzungsbeschränkungen können den Wert des Wohnvorteils mindern, wobei die Darlegungslast hierfür beim Wohnungsnutzer liegt.
Können auch andere Nutzungen (z.B. Nutzung durch volljährige Kinder) den Wohnvorteil beeinflussen?
Soweit nicht der Unterhaltsverpflichtete, sondern ein Dritter – etwa volljährige Kinder – in der Immobilie wohnt, kann sich das rechnerische Einkommen aus dem Wohnvorteil für den ursprünglichen Eigentümer mindern. Rechtlich maßgeblich ist, dass ausschließlich der tatsächlich genutzte (und damit ersparte) Wohnwert als Einkommen zählt. Wird etwa nur ein Teil einer großen Immobilie selbst genutzt, wird der Wohnwert nach dem Anteil der selbstgenutzten Fläche bemessen. Die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum an Dritte kann – sofern keine marktübliche Miete erzielt wird – zu einem geringeren Wohnvorteil führen (anteilige Anrechnung). Zudem können Eltern verpflichtet sein, ihren unverheirateten, privilegierten, volljährigen Kindern (im Regelfall bis zum Abschluss der Erstausbildung) Wohnraum mietfrei zu gewähren, ohne dass sich dies auf die unterhaltsrechtliche Anrechnung des Wohnvorteils nachteilig auswirkt.
Was geschieht mit dem Wohnvorteil, wenn die Immobilie nicht (mehr) genutzt werden kann oder ein Verkauf erforderlich ist?
Kann die Immobilie aus objektiven Gründen nicht länger eigen genutzt werden – beispielsweise wegen Unbewohnbarkeit, Existenzgefährdung infolge finanzieller Belastung oder zwingend notwendigen Verkaufs -, entfällt der Wohnvorteil. In der unterhaltsrechtlichen Praxis wird eine sog. Verwertungsobliegenheit angenommen: Der Eigentümer ist grundsätzlich gehalten, die Immobilie im Zweifel zu veräußern oder zu vermieten, sofern das zumutbar ist und dadurch der Wert nutzbar gemacht werden kann. Liegt eine solche Pflicht vor, wird nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist der erzielbare Verkaufserlös oder eine zu erzielende Miete als fiktives Einkommen angesetzt. Können wirtschaftliche Gründe oder Unvermietbarkeit nachgewiesen werden, entfällt der Wohnvorteil entsprechend. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit oder objektive Nutzlosigkeit liegt beim betroffenen Eigentümer.
Wie wird der Wohnvorteil bei gemeinsam genutzten Immobilien unter noch verheirateten Ehegatten berücksichtigt?
Bewohnen beide Ehegatten trotz Trennung weiterhin gemeinsam die Immobilie, erhalten grundsätzlich beide Seiten einen anteiligen Wohnvorteil zugerechnet. Rechtlich ist dabei von den jeweiligen Nutzungsanteilen auszugehen. Jeder erhält einen Teil als fiktives Einkommen angerechnet, der seinen tatsächlichen Gebrauch widerspiegelt. Kommt es im Laufe der Trennungszeit zu einer alleinigen Nutzung durch einen Ehegatten, erfolgt die Anrechnung des vollen Wohnvorteils ab diesem Zeitpunkt auf dessen Einkommen. Bei lediglich vorübergehender gemeinsamer Nutzung, z.B. aus Rücksicht auf minderjährige Kinder, kann die vollständige Anrechnung hinausgezögert werden. Kommt es zu Mietzahlungen des einen an den anderen Ehegatten für die Nutzung der Immobilie, ist dies bei der Einkommensberechnung im Rahmen einer Gegenüberstellung zu berücksichtigen.