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Wohnungserbbaurecht


Definition und Rechtsnatur des Wohnungserbbaurechts

Das Wohnungserbbaurecht ist eine besondere Form des Erbbaurechts, die das Recht beinhaltet, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Wohnungseigentum oder Teileigentum zu begründen und als solches eigenständig zu nutzen. Es verbindet die Systematik des Erbbaurechts mit den Grundsätzen des Wohnungseigentumsrechts und ermöglicht es, separate Wohneinheiten auf einem Grundstück zu schaffen, das nicht im Eigentum des Nutzungsberechtigten steht.

Das Wohnungserbbaurecht unterscheidet sich insoweit vom klassischen Erbbaurecht, als nicht nur ein Gebäude im Ganzen, sondern einzelne Wohnungen oder Nutzungseinheiten (Teileigentum) Bestandteil des Rechts werden. Die rechtliche Grundlage bilden das Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) sowie das Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Gesetzliche Grundlagen des Wohnungserbbaurechts

Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG)

Das ErbbauRG regelt die Bestellung und die Ausgestaltung des Erbbaurechts, dessen Übertragbarkeit und Belastbarkeit. Es definiert das Erbbaurecht (§ 1 ErbbauRG) als das veräußerliche und belastbare Recht, auf oder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben.

Wohnungseigentumsgesetz (WEG)

Das WEG regelt das Wohnungseigentum als das Sondereigentum an einer Wohnung verbunden mit dem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum. Nach § 30 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nach Maßgabe des WEG in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt werden.

Verbindung beider Rechtsgebiete

Die Verbindung beider Gesetze erlaubt es, das Erbbaurecht in einzelne Wohnungserbbaurechte zu unterteilen. Hierdurch entstehen rechtlich selbstständige, in das Grundbuch eintragbare Wohnungserbbaurechte, die unabhängig voneinander veräußert, belastet und genutzt werden können.

Entstehung und Begründung des Wohnungserbbaurechts

Bestellungsakt

Das Wohnungserbbaurecht entsteht durch einen schriftlichen Vertrag zwischen dem Grundstückseigentümer (Erbbaurechtsgeber) und dem Erwerber des Erbbaurechts (Erbbauberechtigter). Dieser Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung und ist in das Grundbuch (Erbbaugrundbuch) einzutragen.

Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum

Nach Bestellung des Erbbaurechts kann dieses nach Maßgabe des Wohnungseigentumsgesetzes in Wohnungs- oder Teileigentum unterteilt werden. Dabei wird das Erbbaurecht als Grundlage genutzt und auf einzelne Wohnungen aufgeteilt. Für jede Einheit wird ein eigenes Wohnungs- bzw. Teileigentum begründet und im Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch eingetragen.

Inhalt und Umfang des Wohnungserbbaurechts

Rechte und Pflichten des Erbbauberechtigten

Der Erbbauberechtigte erhält das Recht, das entsprechende Sondereigentum (Wohnung) sowie den zugehörigen Anteil am Gemeinschaftseigentum zu nutzen, zu verwalten und darüber zu verfügen. Pflichten bestehen insbesondere in der Zahlung des sogenannten Erbbauzinses sowie in der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und Instandhaltung der Wohnung und des Gemeinschaftseigentums.

Dauer

Die Laufzeit des Wohnungserbbaurechts ist regelmäßig auf einen festen Zeitraum, meist zwischen 50 und 99 Jahren, befristet. Eine Vertragsverlängerung kann individuell vereinbart werden.

Übertragbarkeit und Belastbarkeit

Das Wohnungserbbaurecht ist als grundstücksgleiches Recht frei übertragbar und kann insbesondere durch Grundpfandrechte (z. B. Hypothek, Grundschuld) belastet werden. Es kann veräußert, vererbt oder verschenkt werden, wobei die Zustimmung des Erbbaurechtsgebers häufig erforderlich ist.

Erbbauzins und Heimfall

Der Erbbauberechtigte schuldet dem Grundstückseigentümer periodisch den vertraglich vereinbarten Erbbauzins. Bei Ablauf der Erbbaurechtsdauer oder im Fall bestimmter vertraglicher Kündigungsgründe fällt das Erbbaurecht an den Grundstückseigentümer zurück (sog. Heimfall). In diesem Fall ist regelmäßig eine Entschädigung für das Bauwerk zu entrichten.

Grundbuchrechtliche Behandlung

Erbbaugrundbuch und Wohnungsgrundbuch

Das Wohnungserbbaurecht wird zunächst im Erbbaugrundbuch eingetragen. Nach der Aufteilung des Erbbaurechts in einzelne Wohnungserbbaurechte werden für jedes Wohnungserbbaurecht eigenständige Wohnungs- bzw. Teileigentumsgrundbücher angelegt. Aus diesen ergeben sich sämtliche Rechte und Belastungen, die das jeweilige Wohnungserbbaurecht betreffen.

Rangfolge und Auswirkungen auf das Grundbuch

Die Eintragungen im Grundbuch erfolgen nach den allgemeinen grundbuchrechtlichen Vorschriften. Belastungen des Wohnungserbbaurechts, wie z. B. Hypotheken oder Grundschulden, sind jeweils im entsprechenden Wohnungsgrundbuch zu verzeichnen.

Besonderheiten im Vergleich zu Grundstückseigentum und herkömmlichem Erbbaurecht

Unterschiede zum klassischen Erbbaurecht

Im Gegensatz zum klassischen Erbbaurecht, bei dem regelmäßig das gesamte Gebäude einem einzigen Erbbauberechtigten zusteht, ermöglicht das Wohnungserbbaurecht die Schaffung von selbstständigen Einheiten, die rechtlich unabhängig voneinander bestehen.

Unterschiede zum Wohnungseigentum

Beim konventionellen Wohnungseigentum besteht das Volleigentum am Grundstück und an der Wohnung. Das Wohnungserbbaurecht hingegen ist in zeitlicher Hinsicht begrenzt und knüpft das Nutzungsrecht an die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags; die dingliche Verbindung zum Grundstück bleibt eingeschränkt auf das Erbbaurecht.

Vorteile und Risiken

Das Wohnungserbbaurecht bietet eine Möglichkeit, den Erwerb von Wohnungseigentum auf fremden Grundstücken zu ermöglichen und dabei die sozialen und wohnungswirtschaftlichen Ziele, etwa im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung, zu unterstützen. Risiken bestehen vor allem hinsichtlich der zeitlichen Befristung sowie der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Heimfall und der Höhe des Erbbauzinses.

Praxisrelevanz und Anwendungsbereiche

Das Wohnungserbbaurecht hat vor allem in Ballungsgebieten und in Fällen, in denen Grundstücke im Eigentum öffentlicher oder gemeinnütziger Träger verbleiben sollen, hohe praktische Bedeutung. Es dient der Förderung von Wohneigentum, der Sicherung sozialverträglicher Mieten sowie der langjährigen Nutzung staatlicher oder kirchlicher Grundstücke für Wohnzwecke ohne deren dauerhafte Veräußerung.

Beendigung und Heimfall des Wohnungserbbaurechts

Ablauf der Erbbaurechtslaufzeit

Mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit fällt das Wohnungserbbaurecht ohne weiteres Zutun an den Grundstückseigentümer zurück, sofern keine Verlängerung vereinbart wurde.

Rechte und Entschädigung beim Heimfall

Im Heimfall steht dem Erbbauberechtigten gemäß ErbbauRG grundsätzlich ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für die Baulichkeiten bzw. das Sondereigentum zu. Die Höhe der Entschädigung richtet sich in der Regel nach dem Verkehrswert im Zeitpunkt des Heimfalls.

Vorzeitige Beendigung

Ein vorzeitiger Heimfall kann durch schwere Pflichtverletzungen des Erbbauberechtigten eintreten (z. B. erheblicher Zahlungsrückstand beim Erbbauzins oder erhebliche Vernachlässigung der Instandhaltung).

Fazit

Das Wohnungserbbaurecht ist ein komplexes Rechtsinstitut, das die Rechtsfiguren des Erbbaurechts und des Wohnungseigentumsrechts miteinander verknüpft. Es ermöglicht die Bildung von selbstständigen Wohneinheiten auf fremden Grundstücken, unter Wahrung der Interessen von Grundstückseigentümern und Nutzungsberechtigten. Wegen seiner umfangreichen rechtlichen Besonderheiten kommt dem Wohnungserbbaurecht eine bedeutende Rolle bei der Wohnraumversorgung sowie in der Immobilienwirtschaft zu.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte hat der Erbbauberechtigte bei der Ausgestaltung und Nutzung der Wohnung im Erbbaurecht?

Der Erbbauberechtigte erhält im Rahmen des Erbbaurechts das grundsätzliche Recht, auf dem Erbbaugrundstück eine Wohnung zu errichten, zu nutzen, zu vermieten oder in sonstiger Weise zu gebrauchen, soweit dies im Erbbaurechtsvertrag beziehungsweise in den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen nicht ausdrücklich anders geregelt ist. Der Nutzung sind insbesondere durch den Erbbaurechtsvertrag, durch etwaige Auflagen der Gemeinde oder durch das Bauordnungs- und planungsrechtliche Umfeld (z. B. BauNVO, Landesbauordnung) Grenzen gesetzt. Der Erbbauberechtigte bleibt dabei regelmäßig für die laufende Instandhaltung und Verkehrssicherung der Wohnung verantwortlich und muss sich an die Vorgaben des Vertrags hinsichtlich Art, Umfang und gegebenenfalls auch Qualität der Bebauung halten. Werden Wohnungen errichtet, ist der Erbbauberechtigte im Grundsatz auch Eigentümer des darauf stehenden Gebäudes, solange der Erbbaurechtsvertrag besteht. Einschränkungen können zudem im Hinblick auf bauliche Veränderungen oder Überlassung an Dritte bestehen, sofern dies im Erbbaurechtsvertrag vorgesehen ist, etwa durch Zustimmungsvorbehalte des Grundstückseigentümers.

Welche Pflichten treffen den Erbbauberechtigten hinsichtlich Erbbauzinsen und weiteren Kosten?

Der Erbbauberechtigte ist vertraglich verpflichtet, regelmäßig einen sogenannten Erbbauzins an den Grundstückseigentümer zu zahlen. Die Höhe und Zahlungsmodalitäten des Erbbauzinses werden im Erbbaurechtsvertrag geregelt; Anpassungen können beispielsweise an die allgemeine Preisentwicklung gebunden sein. Neben dem Erbbauzins trägt der Erbbauberechtigte sämtliche mit der Bebauung verbundenen Lasten, insbesondere Grundsteuer, Versicherungen sowie sämtliche Bau- und Instandhaltungskosten. Kommt der Erbbauberechtigte seinen finanziellen Pflichten nicht nach, kann der Grundstückseigentümer – nach erfolgloser Abmahnung und unter den engen Voraussetzungen des § 9 ErbbauRG – sogar eine Heimfällung des Erbbaurechts betreiben, d. h., das Erbbaurecht vorzeitig beenden.

Was passiert im Falle des Ablaufs oder der vorzeitigen Beendigung des Erbbaurechts mit der darauf errichteten Wohnung?

Nach Ablauf des im Erbbaurechtsvertrag festgelegten Zeitraums – meist 60 bis 99 Jahre – oder bei vorzeitiger Heimfällung fällt das Erbbaurecht kraft Gesetzes an den Grundstückseigentümer zurück (Heimfallprinzip). Der Erbbauberechtigte verliert damit das Recht am Grundstück und an allen darauf errichteten Gebäuden, somit auch an der Wohnung. Der Grundstückseigentümer wird in der Folge auch Eigentümer der Wohnung. Im Regelfall steht dem ehemaligen Erbbauberechtigten jedoch ein Anspruch auf Entschädigung für den noch vorhandenen Gebäudewert zu. Die Bemessung und Auszahlung der Entschädigung wird in den meisten Verträgen konkret geregelt. Sie erfolgt in der Praxis meist anhand des Zeitwerts, nicht des ursprünglichen Herstellungswerts.

Wie wird das Wohnungserbbaurecht im Grundbuch gesichert und welche Besonderheiten sind zu beachten?

Das Erbbaurecht wird als selbstständiges dingliches Recht an dem Grundstück im Grundbuch Abteilung II des betroffenen Grundstücks eingetragen. Zusätzlich erhält es regelmäßig ein eigenes Grundbuchblatt, das sogenannte Erbbaugrundbuch, auf dem auch Belastungen wie Grundpfandrechte oder andere Dienstbarkeiten eingetragen werden können. Bei Wohnungserbbaurechten (typischerweise in Verbindung mit Wohnungseigentum nach WEG) wird zusätzlich das Erbbaurecht nach § 30 Abs. 1 WEG in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt und dies im Wohnungs- bzw. Teileigentumsgrundbuch verlautbart. Hierbei ist zu beachten, dass sowohl das Erbbaurecht als auch die einzelnen Wohnungs- und Teileigentumsrechte unabhängig belastbar und veräußerbar sind, aber eng miteinander verknüpft bleiben. Bei lastenfreier Übergabe oder im Falle von Zwangsversteigerungen ist besonders auf die Einhaltung der formellen und materiellen Voraussetzungen zu achten.

Sind Veräußerungen, Belastungen oder Vererbungen des Wohnungserbbaurechts ohne weiteres zulässig?

Das Erbbaurecht ist grundsätzlich veräußerlich, vererblich und kann durch Eintragung von Grundpfandrechten belastet werden. Einschränkungen können sich jedoch aus Erbbaurechtsvertrag und den gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Nicht selten enthalten Verträge Zustimmungsvorbehalte des Grundstückseigentümers für die Veräußerung oder Belastung – beispielsweise bei Bestellung einer Grundschuld oder Hypothek. Diese Zustimmung darf nicht willkürlich verweigert werden, sondern muss auf sachliche Gründe gestützt sein. Auch die Vererbung ist ausgeschlossen, soweit vertraglich vereinbart. Typischerweise entfällt aber ein umfassender Schutz des Grundstückseigentümers nach Eingang der ersten Zustimmung. Für etwaige Erwerber eines Wohnungserbbaurechts gilt, dass sie mit sämtlichen aus dem Erbbaurechtsvertrag resultierenden Pflichten und Beschränkungen belastet werden.

Welche Besonderheiten gelten bei der Zwangsverwertung von Wohnungserbbaurechten?

Wohnungserbbaurechte können ebenso wie „normales“ Grundeigentum der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung unterliegen. Die Besonderheit liegt darin, dass durch die engen Vorschriften des Erbbaurechtsgesetzes und die vertraglichen Bindungen (Erbbauzins, Heimfallklausel, Zustimmungsvorbehalt etc.) zusätzliche Risiken für die Erwerber bestehen. Im Rahmen einer Versteigerung ist insbesondere zu prüfen, welche Rechte und Pflichten fortbestehen und wie der Erbbauberechtigte in Bezug auf Erbbauzins- oder Heimfallproblematiken abgesichert ist. Gläubiger und Erwerber haben daher eine erhöhte Erkundigungs- und Prüfungspflicht hinsichtlich etwaiger im Vertrag fixierter Einschränkungen, Kündigungsrechte oder Wertausgleichsansprüche.