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Wohnungsbaugenossenschaft


Begriff und rechtliche Einordnung der Wohnungsbaugenossenschaft

Die Wohnungsbaugenossenschaft ist eine spezielle Form der eingetragenen Genossenschaft (§ 1 Genossenschaftsgesetz – GenG), deren primäres Ziel die Förderung der Mitglieder durch wohnwirtschaftliche Versorgung ist, insbesondere durch das Errichten, Bewirtschaften und Verwalten von Wohnungen für die Mitglieder. Sie stellt eine rechtlich eigenständige Gesellschaftsform dar und ist im deutschen Genossenschaftsgesetz umfassend geregelt. Die Wohnungsbaugenossenschaft ist in Deutschland ein wichtiger Akteur im Bereich des bezahlbaren und gemeinnützigen Wohnraums.


Gründung und Rechtsnatur

Gründungsvoraussetzungen

Die Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft erfolgt gemäß §§ 3 ff. GenG durch mindestens drei Gründerinnen oder Gründer, die einen schriftlichen Genossenschaftsvertrag (Satzung) schließen. Die Satzung muss bestimmte Mindestanforderungen nach § 6 GenG erfüllen, insbesondere Angaben zur Firma, zum Sitz sowie zu Gegenstand und Zweck der Genossenschaft. Die Genossenschaft erhält mit Eintragung in das Genossenschaftsregister (geführt bei den Amtsgerichten) Rechtsfähigkeit.

Rechtsform

Wohnungsbaugenossenschaften sind juristische Personen des Privatrechts (§ 17 Abs. 1 GenG). Anders als Kapitalgesellschaften verfolgen Genossenschaften den Förderzweck für ihre Mitglieder; eine Gewinnerzielung steht grundsätzlich nicht im Vordergrund. Sie sind nach dem demokratischen Prinzip aufgebaut – jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Zahl seiner Geschäftsanteile (§ 43 Abs. 2 GenG).


Mitglieder und Mitgliedschaftsrechte

Erwerb der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft in einer Wohnungsbaugenossenschaft setzt den Erwerb eines oder mehrerer Geschäftsanteile und die Anerkennung der Satzung voraus (§§ 15, 17 GenG). Mit Aufnahme entsteht ein umfassendes vertragliches Verhältnis zwischen Mitglied und Genossenschaft.

Rechte der Mitglieder

Wesentliche Rechte umfassen insbesondere:

  • das Recht auf Nutzung einer genossenschaftlichen Wohnung (Nutzungsrecht, § 14 GenG)
  • die Beteiligung an der demokratischen Willensbildung in der Mitgliederversammlung (§ 43 GenG)
  • das Recht auf Auskunft und Einsichtnahme (§ 34 GenG)
  • Anspruch auf Auseinandersetzungsguthaben bei Austritt (§ 73 GenG)

Ein Alleinstellungsmerkmal ist das vom Mitglied durch Erwerb von Geschäftsanteilen abgesicherte Nutzungsrecht an einer Genossenschaftswohnung; es handelt sich um eine besondere Form des Dauernutzungsvertrags.

Pflichten der Mitglieder

Zu den Mitgliedspflichten zählen:

  • Einzahlung des gezeichneten Geschäftsanteils (§ 15 GenG)
  • Anteil an etwaigen Nachschüssen laut Satzung (§§ 22, 105 GenG)
  • Beachtung der satzungsmäßigen und vertraglichen Regelungen, insbesondere ordnungsgemäßer Gebrauch der genossenschaftlichen Leistungen

Organe der Wohnungsbaugenossenschaft

Mitgliederversammlung

Die zentrale Willensbildungsinstanz ist die Mitgliederversammlung (§ 43 GenG). Sie entscheidet über grundlegende Angelegenheiten wie Satzungsänderungen, die Verwendung von Überschüssen oder die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern.

Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat (§§ 9, 35-41 GenG) überwacht und berät den Vorstand, prüft Jahresabschluss und Geschäftsführung und ist für die Bestellung und Abberufung des Vorstands zuständig.

Vorstand

Der Vorstand (§§ 24-28 GenG) vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich und führt die Geschäfte eigenverantwortlich.


Rechtliche Besonderheiten im Wohnungswesen

Genossenschaftliche Nutzung statt Mietvertrag

Im Unterschied zu herkömmlichen Mietverhältnissen tritt bei Wohnungsbaugenossenschaften der sogenannte Dauernutzungsvertrag (§§ 14, 16 GenG) an die Stelle des gewöhnlichen Mietvertrags. Das Mitglied erhält ein umfassendes, sicheres Nutzungsrecht an einer Wohnung, ohne Eigentum an der Wohnung selbst zu erwerben. Die Kündigung des Dauernutzungsvertrags ist in der Regel nur aus wichtigem Grund möglich, was eine hohe Wohnsicherheit gewährt.

Ausschluss von Eigenbedarfskündigung

Eine genossenschaftliche Wohnung kann – anders als eine vermietete Eigentumswohnung – vom Vermieter (der Genossenschaft) nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, da die Genossenschaft kein „persönliches Wohnbedürfnis“ geltend machen kann.

Entgeltregelung

Die Nutzungsentgelte (vergleichbar mit der Miete) werden nach dem genossenschaftlichen Kostenprinzip kalkuliert. Überschüsse verbleiben in der Regel in der Genossenschaft und dienen der Instandhaltung oder der Bildung von Eigenkapital.


Aufsicht und Prüfung

Wohnungsbaugenossenschaften unterliegen einer regelmäßigen Prüfung durch Prüfungsverbände nach §§ 53 ff. GenG. Die Prüfung umfasst die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Satzung.

Die Mitgliedschaft in einem gesetzlichen Prüfungsverband ist zwingend vorgeschrieben (§ 56 GenG). Die Ergebnisse der Prüfungen werden in Prüfungsberichten dokumentiert und den Mitgliedern bekanntgegeben.


Steuern und Gemeinnützigkeit

Wohnungsbaugenossenschaften sind grundsätzlich steuerpflichtig, können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen als gemeinnützig anerkannt werden (§ 52 Abgabenordnung – AO), wodurch steuerliche Vergünstigungen gewährt werden. Die Voraussetzung ist, dass der Zweck der Förderung der Allgemeinheit dient – insbesondere durch die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum.


Auflösung und Abwicklung

Die Auflösung der Wohnungsbaugenossenschaft erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung (§ 76 GenG), durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder durch Wegfall aller Mitglieder. Im Fall der Auflösung findet eine Liquidation (§§ 79 ff. GenG) statt, bei der das Vermögen nach Befriedigung der Gläubiger an die Mitglieder entsprechend ihrer Geschäftsanteile verteilt wird, sofern in der Satzung keine andere Verwendung vorgesehen ist.


Abgrenzung zu anderen Wohnungsformen

Wohnungsbaugenossenschaften sind von anderen Gesellschaftsformen wie der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder der Wohnungsbaugesellschaft (GmbH, AG) abzugrenzen. Der wesentliche Unterschied liegt im Förderprinzip, dem gemeinschaftlichen Eigentum und den besonderen Mitgliedschaftsrechten.


Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Genossenschaftsgesetz (GenG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 535 ff. (Mietrecht)
  • Abgabenordnung (AO)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)

Hinweis: Dieser Beitrag stellt eine umfassende Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen und Besonderheiten der Wohnungsbaugenossenschaft dar und dient der allgemeinen Information. Für spezifische Angelegenheiten empfiehlt sich die Konsultation einschlägiger Rechtsquellen oder qualifizierter Rechtsberatung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte hat ein Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft gegenüber der Genossenschaft?

Mitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft besitzen eine Vielzahl rechtlich garantierter Rechte, die sich insbesondere aus dem Genossenschaftsgesetz (GenG) sowie aus der jeweiligen Satzung der Genossenschaft ergeben. Zentrale Rechte sind das Stimmrecht in der Generalversammlung oder Vertreterversammlung (vgl. §§ 43, 46 GenG), das Recht auf Auskünfte und Einsicht in bestimmte Unterlagen (§ 51 GenG), das Recht auf Beteiligung am Gewinn (Dividende) sowie das Recht, eine durch die Mitgliedschaft vermittelte Wohnung zu nutzen (Nutzungsrecht). Darüber hinaus können Mitglieder Anträge zur Tagesordnung einreichen und Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Organe erheben. Die Satzung kann weitere Mitwirkungsrechte vorsehen, darf aber die gesetzlichen Mindeststandards nicht unterschreiten. Die Rechte können grundsätzlich nur persönlich wahrgenommen werden, wobei in bestimmten Fällen eine Vertretung zulässig ist.

Welche Pflichtbeiträge und finanziellen Verpflichtungen bestehen für Mitglieder?

Mitglieder sind laut Genossenschaftsgesetz verpflichtet, mindestens einen Geschäftsanteil zu übernehmen (§ 7 Nr. 2 GenG), dessen Höhe in der Satzung geregelt ist. Neben der Einlage können weitere Pflichtanteile oder Nachschüsse verlangt werden, wenn dies die Satzung vorsieht (§ 17 GenG). Die Verpflichtung zur Zahlung von Einlagen ist Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft sowie für einen Anspruch auf Überlassung einer Genossenschaftswohnung. In einigen Fällen kann eine Rücklagebildung zur Finanzierung der Genossenschaft verlangt werden. Die finanzielle Haftung der Mitglieder beschränkt sich auf die geleisteten oder satzungsmäßig noch zu leistenden Einlagen und etwaige Pflichtnachschüsse. Eine persönliche Haftung über diese Summen hinaus ist ohne ausdrückliche satzungsmäßige Regelung ausgeschlossen.

Kann das Nutzungsrecht der Wohnung ohne weiteres entzogen werden?

Das Nutzungsrecht eines Mitglieds ist in der Satzung konkretisiert und genießt grundsätzlich Bestandsschutz, solange das Mitglied seinen Verpflichtungen nachkommt, insbesondere die Miete (Nutzungsgebühr) zahlt und die Hausordnung einhält. Eine Kündigung der Wohnungsnutzung seitens der Genossenschaft ist nur bei Vorliegen wichtiger Gründe möglich (z. B. Zahlungsverzug, erhebliche Pflichtverletzungen), wobei der gesetzliche Kündigungsschutz nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (insbesondere §§ 573 ff. BGB) entsprechend Anwendung findet. Eine willkürliche oder unbegründete Entziehung des Nutzungsrechts ist rechtlich nicht zulässig, und betroffene Mitglieder können gerichtlich auf Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses klagen.

Wie erfolgt der Austritt aus der Genossenschaft und welche Fristen gelten?

Der Austritt aus einer Wohnungsbaugenossenschaft erfolgt durch schriftliche Kündigung der Mitgliedschaft, wobei die Fristen in der Satzung geregelt sind, meist zwischen sechs und zwölf Monaten zum Geschäftsjahresschluss (§ 67 Abs. 1 GenG). Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die Mitgliedschaft, nicht jedoch automatisch das Miet- oder Nutzungsverhältnis bezüglich einer bewohnten Genossenschaftswohnung; Letzteres muss separat gekündigt werden. Nach Ausscheiden hat das Mitglied einen Anspruch auf Rückzahlung seines Geschäftsanteils, sofern dieser nicht zur Deckung von Verlusten herangezogen werden muss (§ 73 GenG). In der Praxis kann die Auszahlung verzögert erfolgen, insbesondere wenn zahlreiche Mitglieder gleichzeitig austreten und Rücklagen gebildet werden müssen.

Welche Mitsprachemöglichkeiten haben Mitglieder bei wichtigen Entscheidungen der Genossenschaft?

Die Mitglieder üben ihre Mitbestimmungsrechte primär über die Generalversammlung oder Vertreterversammlung aus (§§ 43, 46 GenG). Dort können sie über grundlegende Angelegenheiten wie Satzungsänderungen, die Wahl des Aufsichtsrats, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Fusionen, Auflösung oder andere bedeutende Maßnahmen abstimmen. Zudem haben Mitglieder das Recht, eigene Anträge zu stellen, die Bestellung von Organmitgliedern mitzubestimmen und sich zum Organ wählen zu lassen, sofern sie die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllen. Wichtige Entscheidungen erfordern teilweise qualifizierte Mehrheiten, die in der Satzung geregelt sind. Im Falle von Missbrauch oder gravierenden Pflichtverletzungen der Organe haben Mitglieder Klagemöglichkeiten, etwa auf Schadensersatz oder auf Maßnahmen gegen Vorstand und Aufsichtsrat.

Inwieweit haften Mitglieder bei Insolvenz oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Genossenschaft?

Die Haftung der Mitglieder im Insolvenzfall der Genossenschaft ist grundsätzlich auf die satzungsmäßigen Einlagen und eventuell in der Satzung vorgesehene Pflichtnachschüsse beschränkt (§ 105 GenG). Eine persönliche Nachschusspflicht oder eine weitergehende Haftung ist nur zulässig, wenn dies ausdrücklich in der Satzung geregelt ist. Mit dem Ausscheiden eines Mitglieds bleibt eine Nachschusspflicht für Verbindlichkeiten aus der Zeit der Mitgliedschaft bis zu zwei Jahre bestehen (§ 73 Abs. 3 GenG). Die Gläubiger der Genossenschaft können sich jedoch nur in dem Rahmen an die Mitglieder wenden, wie es das Genossenschaftsgesetz und die Satzung vorsehen; eine persönliche Haftung über den anteiligen Beitrag hinaus ist nicht vorgesehen.