Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Wissenschaftsrat

Wissenschaftsrat


Wissenschaftsrat – Rechtliche Definition und Struktur

Der Wissenschaftsrat ist ein zentrales Beratungsgremium der Bundesrepublik Deutschland, das sich auf die wissenschaftspolitische Beratung von Bund und Ländern konzentriert. Seine rechtliche Verankerung, Zusammensetzung und Aufgabenstellung sind von entscheidender Bedeutung für das deutsche Wissenschaftssystem. Im Kontext eines Rechtslexikons bietet dieser Artikel eine umfassende, differenzierte Betrachtung des Wissenschaftsrats unter rechtlichen Gesichtspunkten.


Rechtsgrundlagen und Stellung des Wissenschaftsrats

Rechtsrahmen und institutionelle Verankerung

Der Wissenschaftsrat ist ein unabhängiges, übergreifendes Beratungsgremium gemäß der Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung eines Wissenschaftsrates zwischen Bund und Ländern. Diese Verwaltungsvereinbarung wurde erstmals 1957 geschlossen und in der Folge mehrfach angepasst, zuletzt am 31.01.2008 (BGBl. I S. 497). Die Vereinbarung stellt die Grundlage für die Tätigkeit des Wissenschaftsrats und regelt dessen Aufgaben, Zusammensetzung sowie die institutionellen Verhältnisse. Rechtlich ist der Wissenschaftsrat als nicht rechtsfähige, selbständige Gemeinschaftseinrichtung organisiert, deren Geschäftsstelle ihren Sitz in Köln hat.

Aufgaben nach der Verwaltungsvereinbarung

Die wesentlichen Aufgaben des Wissenschaftsrats lassen sich direkt aus § 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung ableiten. Er hat die Aufgabe, Empfehlungen und Stellungnahmen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Wissenschaft, zur Sicherung der Qualität von Forschung und Lehre sowie zum Ausbau der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu erarbeiten. Die Empfehlungen werden sowohl an die Bundesregierung als auch an die Landesregierungen gerichtet.

Wesentliche Aufgabenfelder sind:

  • Beratung in allen Angelegenheiten bezüglich des Aufbaus und der Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems,
  • Begutachtung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen,
  • Mitwirkung an der Entwicklung von Kriterien für die Finanzierung von Wissenschaftseinrichtungen,
  • Empfehlungen zur strategischen Entwicklung und Prioritätensetzung in der Forschungspolitik.

Rechtsnatur und Selbstverwaltung

Der Wissenschaftsrat nimmt im Sinne des deutschen Verwaltungsrechts eine Sonderstellung ein, da er als Gemeinschaftseinrichtung von Bund und Ländern den Gedanken des kooperativen Föderalismus verkörpert. Er handelt unabhängig und unterliegt keinen ministeriellen Weisungen. Seine Empfehlungen sind für die Adressaten – Bund und Länder – rechtlich unverbindlich, entfalten jedoch aufgrund der politischen und wissenschaftlichen Autorität des Rates erheblichen faktischen Einfluss.


Zusammensetzung und Rechtsbestimmungen bezüglich der Mitgliedschaft

Personelle Zusammensetzung

Gemäß § 2 der Verwaltungsvereinbarung besteht der Wissenschaftsrat aus zwei Mitgliedergruppen:

  1. Wissenschaftliche Mitglieder, die auf Vorschlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der wissenschaftlichen Akademien durch den Bundespräsidenten berufen werden,
  2. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere aus Wirtschaft und kulturellen Bereichen, die ebenfalls vom Bundespräsidenten ernannt werden.

Die Amtszeit beträgt in der Regel drei Jahre, eine wiederholte Berufung ist zulässig. Die Auswahl der Mitglieder orientiert sich an festgelegten Regularien, um eine ausgewogene und kompetente Besetzung sicherzustellen.

Rechtsstellung der Mitglieder

Die Mitgliedschaft beim Wissenschaftsrat begründet ein öffentliches Ehrenamt. Die Mitglieder sind im Rahmen ihrer Tätigkeit zur unabhängigen Beratung verpflichtet und unterliegen keinen Weisungen. Für die Teilnahme an Sitzungen und für die Erstattung von Gutachten besteht ein Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen.


Verfahren und Arbeitsweise

Einrichtung und Gremienstruktur

Der Wissenschaftsrat setzt sich aus dem Plenum, dem Präsidium sowie verschiedenen Ausschüssen und Kommissionen zusammen. Die Geschäftsordnung des Wissenschaftsrats regelt die Verfahrensabläufe, darunter die Einberufung von Sitzungen, Beschlussfassung und die Veröffentlichung von Empfehlungen.

Entscheidungsfindung

Beschlüsse des Wissenschaftsrats ergehen im Plenum durch Mehrheitsentscheid. Im Einzelfall können Ausschüsse oder Arbeitsgruppen eingesetzt werden, um spezifische Fragen vertieft zu bearbeiten. Die Sitzungen und Beratungen sind grundsätzlich nicht öffentlich; Ergebnisse werden in schriftlicher Form – meist als Empfehlungen oder Stellungnahmen – publiziert.

Transparenz und Veröffentlichungspflicht

Die Beschlüsse und Empfehlungen des Wissenschaftsrats sind öffentlich zugänglich und unterliegen einer Veröffentlichungspflicht, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit der wissenschaftspolitischen Beratung sicherzustellen. Die Geschäftsstelle administriert den Prozess und sorgt für die formelle Bekanntgabe.


Finanzielle und administrative Grundlagen

Finanzierung

Die Finanzierung des Wissenschaftsrats erfolgt zu gleichen Teilen durch den Bund und die Länder gemäß dem Königsteiner Schlüssel. Die Einzelheiten finden sich in der Verwaltungsvereinbarung sowie ergänzenden haushaltsrechtlichen Regelungen. Die Finanzmittel sind für die Wahrnehmung der Aufgaben, insbesondere die Durchführung von Begutachtungen, die Erstellung von Gutachten und den Geschäftsbetrieb, zweckgebunden.

Rechtsaufsicht

Die Rechtsaufsicht über den Wissenschaftsrat üben Bund und Länder gemeinsam aus. Inhaltliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sind jedoch rechtlich garantiert. Lediglich die Einhaltung der haushaltsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben unterliegt einer nachträglichen Kontrolle.


Bedeutung im deutschen Wissenschaftsrecht

Wirkung und rechtliche Bindungswirkung

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats haben keine Rechtsverbindlichkeit im klassischen Sinne; sie sind als unverbindliche Ratschläge ausgestaltet. Dennoch kommt den Empfehlungen faktisch große Bedeutung zu, da sie regelmäßig die Grundlage für gesetzgeberische und administrative Maßnahmen im Bereich der Wissenschafts- und Hochschulentwicklung bilden.

Bezug zu anderen Rechtsvorschriften

Der Wissenschaftsrat agiert im Zusammenwirken mit anderen maßgeblichen Rechtsgrundlagen des Wissenschaftsrechts, darunter:

  • Grundgesetz (GG), insbesondere in Bezug auf die Kulturhoheit der Länder (§ 70 GG) und die Rahmenkompetenz des Bundes (§ 75 GG a.F., § 91b GG n.F.),
  • Hochschulrahmengesetz (HRG),
  • sonstige Landeshochschulgesetze,
  • Haushaltsrecht von Bund und Ländern.

Verhältnis zu internationalen und europäischen Gremien

Der Wissenschaftsrat kann in bestimmten Konstellationen auch mit internationalen wissenschaftlichen Beratungsgremien kooperieren. Seine rechtliche Rolle ist jedoch auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Im Wissenschaftsrat selbst besteht keine unmittelbare Anbindung an das Recht der Europäischen Union, allerdings finden internationale Standards und Empfehlungen im Rahmen seiner Gutachten Berücksichtigung.


Zusammenfassung

Der Wissenschaftsrat ist eine durch Verwaltungsvereinbarung rechtlich fixierte Gemeinschaftseinrichtung von Bund und Ländern zur wissenschaftspolitischen Beratung. Er ist als unabhängiges Gremium mit eigener Geschäftsordnung konstituiert, dessen Empfehlungen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Wissenschaftssystems ausüben. Seine rechtliche Ausgestaltung beruht auf föderalem Konsens, der Unabhängigkeit in der Beratung und einer institutionellen Struktur, die Transparenz und Verbindlichkeit der wissenschaftspolitischen Diskurse gewährleistet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Wissenschaftsrats machen ihn zu einem der zentralen institutionellen Akteure im deutschen Wissenschaftsrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich für die Ernennung der Mitglieder des Wissenschaftsrates verantwortlich?

Die Zuständigkeit für die Ernennung der Mitglieder des Wissenschaftsrats ist in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) geregelt. Rechtliche Grundlage bildet hauptsächlich die Verwaltungsvereinbarung über die gemeinsame Förderung der Wissenschaft, Forschung und Lehre durch Bund und Länder (kurz: GWK-Verwaltungsvereinbarung). Demnach erfolgt die Ernennung der Mitglieder durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung bzw. der zuständigen Bundesministerien und der Regierungen der Länder. Hierbei ist zu beachten, dass die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten nach einem bestimmten Quotensystem vorgenommen wird, das die unterschiedlichen Interessenlagen von Bund, Ländern, Wissenschaftseinrichtungen und gesellschaftlichen Gruppen abbildet. Für die Gruppe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgt die Nominierung in der Regel durch hochschulpolitische Organe und wissenschaftliche Vereinigungen, während Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durch Bund und Länder vorgeschlagen werden. Der formale Ernennungsakt durch den Bundespräsidenten sichert die staatsrechtliche Legitimation der Mitglieder.

Wie ist die rechtliche Stellung des Wissenschaftsrates gegenüber Bund und Ländern?

Der Wissenschaftsrat ist ein gemeinsames Beratungsgremium von Bund und Ländern, das keine Hoheitsbefugnisse besitzt und daher rechtlich als unabhängige Einrichtung agiert. Die Stellung als Beratungsgremium ist in der bereits genannten GWK-Verwaltungsvereinbarung rechtlich verankert und grenzt den Wissenschaftsrat zugleich von administrativen und exekutiven Funktionen ab. Seine Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend, besitzen jedoch aufgrund ihres entstehenden Konsenscharakters und der Besetzung mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten ein großes Gewicht in der politischen und administrativen Entscheidungsfindung. Der Wissenschaftsrat ist im Übrigen der Wissenschaftsfreiheit verpflichtet und agiert weisungsunabhängig – weder der Bund noch die Länder dürfen Einfluss auf das inhaltliche Zustandekommen der Gutachten und Empfehlungen nehmen. Die Unabhängigkeit wird durch Satzung und Geschäftsordnung des Gremiums zusätzlich abgesichert.

Wie ist der Wissenschaftsrat rechtlich organisiert und wie erfolgt seine Finanzierung?

Der Wissenschaftsrat ist rechtlich nicht als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert, sondern als institutionelles Beratungsgremium auf Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern. Die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates mit Sitz in Köln hat keine eigene Rechtsfähigkeit, sondern wird administrativ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung betreut und finanziert. Die Finanzierung der laufenden Geschäfte erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel anteilig durch Bund und Länder. Die personelle Besetzung der Geschäftsstelle unterliegt den einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes, wobei Einstellungen, Vergütungen und Arbeitsverträge durch den Verwaltungsträger, in der Regel das BMBF, abgewickelt werden.

Sind die Empfehlungen und Gutachten des Wissenschaftsrates rechtlich bindend?

Die Empfehlungen und Stellungnahmen des Wissenschaftsrates haben im rechtlichen Sinne ausschließlich beratenden Charakter und sind daher nicht bindend. Diese rechtliche Unverbindlichkeit ist in der GWK-Verwaltungsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Dennoch entwickeln die Gutachten und Empfehlungen durch ihre fachliche Fundierung regelmäßig einen erheblichen politischen und administrativen Einfluss auf die Wissenschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ministerien, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen orientieren sich in der Praxis häufig an den Vorgaben des Wissenschaftsrates bei der Vergabe von Fördermitteln und bei Reformen im Wissenschaftssektor, sind dazu jedoch nicht rechtlich verpflichtet.

Unterliegt der Wissenschaftsrat spezifischen rechtlichen Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen?

Der Wissenschaftsrat ist rechtlich zur Transparenz hinsichtlich seiner Arbeitsweise, der Veröffentlichung von Empfehlungen und zur periodischen Berichterstattung gegenüber der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz verpflichtet. Seine Transparenzpflichten resultieren insbesondere aus dem öffentlichen Interesse an unabhängiger wissenschaftlicher Politikberatung sowie aus den Grundsätzen von Good Governance im öffentlichen Bereich. Alle Gutachten, Berichte und Empfehlungen werden regelmäßig veröffentlicht und stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die Geschäftsordnung des Wissenschaftsrates sieht vor, dass interne Beratungen vertraulich behandelt werden, während die Ergebnisse und Annahmen für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dargestellt werden müssen und auf Anforderung gegenüber der GWK erläutert werden.

Welche rechtlichen Vorgaben bestehen für die Auswahl und Bestellung von Arbeitsgruppen im Wissenschaftsrat?

Bei der Einsetzung von Arbeitsgruppen innerhalb des Wissenschaftsrates gelten die rechtlichen Vorgaben aus der Satzung und Geschäftsordnung des Wissenschaftsrates sowie die allgemeinen Grundsätze der Wissenschaftsfreiheit und des Diskriminierungsverbots. Mitglieder werden nach wissenschaftlichen und fachlichen Kriterien sowie unter Berücksichtigung der Repräsentativität beauftragt. Die Ernennung erfolgt durch das Plenum des Wissenschaftsrates, während die Geschäftsstelle für die administrativen Rahmenbedingungen zuständig ist. Die Arbeit der Gruppen unterliegt der Verschwiegenheitspflicht, um die Unabhängigkeit des Beratungsprozesses zu gewährleisten, die Ergebnisse werden jedoch nach Abschluss veröffentlicht.

Bestehen rechtliche Möglichkeiten zur Überprüfung oder Anfechtung von Entscheidungen des Wissenschaftsrates?

Da der Wissenschaftsrat lediglich als beratendes, nicht jedoch als entscheidendes Organ im verfassungsrechtlichen Sinne wirkt, bestehen keine unmittelbaren rechtlichen Anfechtungs- oder Überprüfungsmechanismen hinsichtlich seiner Gutachten oder Empfehlungen. Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen Empfehlungen sind daher nicht statthaft. Sollten jedoch im Rahmen der Tätigkeit individuelle Rechtspositionen von Mitgliedern verletzt werden, stünden diesen verwaltungs- oder arbeitsrechtliche Beschwerdemechanismen offen, die sich jedoch ausschließlich auf interne Abläufe und nicht auf die inhaltlichen Empfehlungen des Gremiums beziehen.