Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Wirtschaftsgut

Wirtschaftsgut


Begriff und rechtliche Einordnung des Wirtschaftsguts

Der Begriff Wirtschaftsgut ist ein zentrales Element im deutschen Steuerrecht und wird insbesondere im Einkommensteuerrecht vielfach verwendet. Ein Wirtschaftsgut bezeichnet einen Vermögensposten, der im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt oder gehalten wird. Die rechtliche Einordnung und Bedeutung eines Wirtschaftsguts ist maßgeblich für die Bilanzierung, Abschreibung sowie die steuerliche Behandlung im Unternehmen und in der Einkommensteuer.


Definition und Wesensmerkmale des Wirtschaftsguts

Wirtschaftliche Betrachtungsweise

Grundlegend kennzeichnet das Wirtschaftsgut ein Objekt oder Recht, das am Markt bewertet werden kann und für den Betrieb von wirtschaftlichem Nutzen ist. Das Steuerrecht folgt hier der sogenannten wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 39 AO), welche den entscheidenden wirtschaftlichen Gehalt eines Sachverhalts und nicht lediglich die zivilrechtliche Eigentumslage in den Mittelpunkt stellt.

Kriterien eines Wirtschaftsguts

Ein Wirtschaftsgut liegt nach herrschender Auffassung vor, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:

  • Selbstständige Bewertbarkeit: Das Wirtschaftsgut muss einzeln bewertbar und identifizierbar sein.
  • Greifbarkeit: Das Wirtschaftsgut muss einer bestimmten Person oder einem bestimmten Betrieb zurechenbar sein.
  • Wirtschaftlicher Wert: Es muss im Wirtschaftsleben einen Verkehrswert besitzen oder nutzbar sein.
  • Funktionelle Bedeutung: Das Wirtschaftsgut muss für den Betrieb von nicht unerheblicher Bedeutung sein.

Diese Kriterien sind im Wesentlichen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere durch den Bundesfinanzhof (BFH), geprägt worden.


Arten und Beispiele von Wirtschaftsgütern

Materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter

Ein Wirtschaftsgut kann körperlich (materiell) oder unkörperlich (immateriell) sein. Zu den materiellen Wirtschaftsgütern zählen insbesondere Grundstücke, Maschinen, Vorräte und Waren. Immaterielle Wirtschaftsgüter umfassen beispielsweise Patente, Lizenzen, Software, den Firmenwert („Goodwill“), aber auch den Kundenstamm.

Bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter

Eine weitere Einteilung erfolgt nach der Beweglichkeit: Bewegliche Wirtschaftsgüter sind etwa Fahrzeuge oder betriebliche Anlagen, während Immobilien und Grundstücke als unbewegliche Wirtschaftsgüter gelten.

Greifbare und nicht greifbare Wirtschaftsgüter

Nicht greifbare Wirtschaftsgüter sind solche, bei denen die Eigenständigkeit und Bewertbarkeit zwar gegeben ist, eine körperliche Greifbarkeit jedoch fehlt. Beispiele sind Schutzrechte, bestimmte Forderungen oder Geschäftsbeziehungen mit wirtschaftlichem Nutzen.


Wirtschaftsgut im Steuerrecht

Bedeutung im Rahmen des § 4 Abs. 1 EStG

Nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Wirtschaftsgüter Bestandteil des Betriebsvermögens, sofern sie dem Betrieb dauerhaft dienen und diesem zugeordnet werden können. Die Abgrenzung ist entscheidend für die Einkünfteermittlung sowie für die Bilanzierungspflicht.

Betriebsvermögen und Privatvermögen

Es ist zu unterscheiden, ob ein Wirtschaftsgut dem Betriebs- oder dem Privatvermögen zuzuordnen ist. Ausschlaggebend hierfür ist, inwieweit das Wirtschaftsgut (mindestens zu 10 %) dem Betrieb für eigene gewerbliche oder berufliche Zwecke dient.

  • Notwendiges Betriebsvermögen: Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unentbehrlich für den Betrieb verwendet werden.
  • Gewillkürtes Betriebsvermögen: Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb zugeordnet werden können, aber nicht zwingend zugeordnet werden müssen.
  • Notwendiges Privatvermögen: Wirtschaftsgüter, deren betriebliche Nutzung unter 10 % liegt.

Gewinnermittlung und Bilanzierung

Wirtschaftsgüter werden im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmen-Überschussrechnung erfasst. Bei bilanzierenden Unternehmen ist die Aktivierungspflicht (§ 246 HGB, § 5 EStG) zu berücksichtigen. Die Bewertung erfolgt nach Maßgabe des handels- und steuerrechtlichen Bewertungsrechts.


Bilanzielle Behandlung und Bewertung

Aktivierung und Absetzung für Abnutzung (AfA)

Wirtschaftsgüter sind im Betriebsvermögen zu aktivieren, soweit sie dem Betrieb nachhaltig dienen und einer selbständigen Bewertung zugänglich sind. Abnutzbare Wirtschaftsgüter können über ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer hinweg abgeschrieben werden (Absetzung für Abnutzung, § 7 EStG).

Sonderfälle: Geringwertige Wirtschaftsgüter und Grundstücke

Für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) gelten besondere Vorschriften bezüglich Sofortabschreibung (§ 6 Abs. 2 EStG). Grundstücke wiederum führen zu langfristigen Aktivposten, deren Bewertung und Abschreibung gesonderten Regeln unterliegen.


Wirtschaftsgüter im Umsatzsteuerrecht

Auch im Umsatzsteuerrecht ist die Qualifikation eines Objekts als Wirtschaftsgut maßgeblich. Die Übertragung, der Erwerb oder die Nutzung von Wirtschaftsgütern kann umsatzsteuerbare Vorgänge auslösen. Hierbei sind Begriff und Handhabung jedoch teilweise eigenständig zu betrachten und nicht in allen Punkten mit dem ertragsteuerlichen Wirtschaftsgutbegriff deckungsgleich.


Wirtschaftsgut aus Sicht des Bilanzrechts

Im Handelsbilanzrecht finden sich vergleichbare, aber eigenständige Maßstäbe für die Qualifikation von Vermögensgegenständen (vgl. § 246 HGB). Die Begriffe „Wirtschaftsgut“ und „Vermögensgegenstand“ überschneiden sich, sind aber nicht vollständig deckungsgleich.


Rechtsprechung zum Wirtschaftsgut

Die Auslegung und Konkretisierung des Wirtschaftsgutbegriffs erfolgte maßgeblich durch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. Insbesondere die Abgrenzung zu bloßen Chancen und bloß rechtlichen Positionen ohne wirtschaftlichen Wert ist für die Beurteilung von Bedeutung.


Abgrenzungen und Besonderheiten

Wirtschaftsgüter und Rechte

Auch Rechte können als Wirtschaftsgüter anerkannt werden, sofern sie selbständig übertragbar und mit einem Verkehrswert verbunden sind (z. B. Nutzungsrechte, Marken, Lizenzen).

Nicht als Wirtschaftsgüter anerkannte Positionen

Nicht als Wirtschaftsgüter gelten persönliche Beziehungen oder Vorteile, die nicht übertragbar oder objektiv bewertbar sind.


Fazit

Der Begriff „Wirtschaftsgut“ ist ein zentrales Instrument zur steuerlichen, bilanziellen und wirtschaftlichen Zuordnung von Vermögensgegenständen, Rechten und sonstigen wertbildenden Faktoren. Maßgeblich sind die einzelnen Voraussetzungen, die durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung und steuerrechtliche Vorschriften ausgestaltet werden. Die genaue Qualifikation eines Wirtschaftsguts hat erhebliche Konsequenzen für Steuerpflichtige in Deutschland und ist für die korrekte Behandlung im Rahmen des Steuer- und Bilanzrechts unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Unterliegt ein Wirtschaftsgut immer der Abschreibungspflicht?

Ein Wirtschaftsgut unterliegt nur dann der Abschreibungspflicht, wenn es sich hierbei um ein abnutzbares, im Betriebsvermögen gehaltenes Gut handelt. Maßgeblich ist, dass das Wirtschaftsgut einem Wertverzehr durch Nutzung, technischen Fortschritt oder Zeitablauf ausgesetzt ist. Immaterielle Wirtschaftsgüter wie Lizenzen oder Patente unterliegen ebenfalls der Abschreibung, sofern sie entgeltlich erworben wurden. Für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter (beispielsweise Grund und Boden, Beteiligungen) besteht hingegen keine Abschreibungspflicht. Steuerlich wird die Abschreibung durch die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (insb. §§ 7, 6 EStG) geregelt. Dabei sind auch etwaige Geringwertige Wirtschaftsgüter und spezielle steuerliche Sonderregelungen (z. B. Sofortabschreibung, Poolabschreibung) zu beachten, die je nach Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Abschreibungsmethoden beeinflussen. Ob und wie abzuschreiben ist, hängt letztlich von der Art, Nutzung und Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen ab.

Ist ein Wirtschaftsgut immer Teil des Betriebsvermögens?

Ein Wirtschaftsgut muss nicht zwangsläufig Teil des Betriebsvermögens sein. Im rechtlichen Sinn wird unterschieden zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen. Ein Wirtschaftsgut gilt dann als Betriebsvermögen, wenn es objektiv zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt oder geeignet ist und seiner Funktion nach zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird. Wirtschaftsgüter des Privatvermögens können aber unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise bei der Zuordnung von gemischt genutzten Gegenständen, als sogenanntes gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, sofern eine Dokumentation und Zuordnungsentscheidung innerhalb bestimmter Fristen erfolgt. Steuergesetze und Rechtsprechung verlangen eine klare und nachvollziehbare Trennung dieser Vermögensarten, da hiervon steuerliche Konsequenzen, insbesondere hinsichtlich Gewinnermittlung, Abschreibung, Entnahme- und Einlagebewertung abhängen.

Welche Bedeutung hat das Wirtschaftsgut im Rahmen einer Betriebsaufspaltung?

Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ist die Zuordnung und Bewertung von Wirtschaftsgütern von zentraler Bedeutung. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen (meist ein Grundstück oder eine Anlage) einem anderen Betrieb zur Nutzung überlässt, beide Unternehmen jedoch personell und wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Die Überlassung eines wesentlichen Wirtschaftsguts begründet die Verbindung von Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen, wodurch steuerrechtlich beide Unternehmen als eigenständige Betriebe anzusehen sind. Die Einordnung als wesentliches Wirtschaftsgut entscheidet über die Qualifizierung der Einkünfte (beispielsweise gewerbliche Einkünfte statt Vermietung und Verpachtung) und beeinflusst die steuerliche Behandlung etwa bei Veräußerung, Aufgabe oder Umstrukturierungen.

Welche Rolle spielen Wirtschaftsgüter bei der Gewinnermittlung?

Bei der Gewinnermittlung – sowohl nach § 4 Abs. 1 EStG (Betriebsvermögensvergleich) als auch nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) – bilden Wirtschaftsgüter einen zentralen Bestandteil, weil sie das Anlage- und Umlaufvermögen definieren. Im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs sind Zu- und Abgänge von Wirtschaftsgütern zu bilanzieren und mit dem jeweiligen Wertansatz zu berücksichtigen. Damit wirken sich Anschaffungs- und Herstellungskosten, laufende Abschreibungen, Wertminderungen (Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert), Teilwertansätze sowie Entnahmen und Einlagen unmittelbar auf den steuerlichen Gewinn aus. Auch bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung können Abschreibungen für betriebliche Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben angesetzt werden. Spezialregelungen gelten für nicht abnutzbare, geringwertige oder immaterielle Wirtschaftsgüter und müssen bei der Gewinnermittlung beachtet werden.

Kann ein Wirtschaftsgut nachträglich dem Betriebsvermögen zugeordnet werden?

Ein Wirtschaftsgut kann grundsätzlich auch nachträglich dem Betriebsvermögen zugeordnet werden, wenn es objektiv und nachweislich zu mindestens 10 % und höchstens 50 % für betriebliche Zwecke genutzt wird. Hier spricht man vom sogenannten gewillkürten Betriebsvermögen. Die Zuordnung muss jedoch eindeutig, dokumentiert und zeitnah (bis zum Ablauf der Regeleinreichungsfrist der Steuererklärung) erfolgen. Für zuvor ausschließlich privat genutzte Wirtschaftsgüter ist zu beachten, dass eine nachträgliche Einlage nach den steuerlichen Vorschriften (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) zum Teilwert zu erfassen und entsprechend in der Bilanz bzw. in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu berücksichtigen ist. Hierdurch wird häufig ein steuerbarer Vorgang ausgelöst, z. B. durch Wertansatz und ggf. latente Steuern bei Wertsteigerungen.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Entnahme eines Wirtschaftsguts?

Die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen hat erhebliche steuerliche und bilanzielle Folgen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfolgt die Bewertung der Entnahme in Höhe des gemeinen Werts zum Zeitpunkt der Entnahme. Die Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert wird als Entnahmegewinn realisiert und ist steuerpflichtig. Gleichzeitig entfällt nach der Entnahme die Abschreibungsmöglichkeit für das Wirtschaftsgut, und mögliche nachträgliche Kosten können nicht mehr als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Zu beachten sind auch Sonderregelungen, beispielsweise bei der Übertragung zwischen Betriebsvermögen und Sonderbetriebsvermögen bei Mitunternehmerschaften oder bei unentgeltlicher Übertragung auf Dritte.

Welche Voraussetzungen müssen für die steuerliche Anerkennung eines Wirtschaftsguts erfüllt sein?

Für die steuerliche Anerkennung eines Wirtschaftsguts muss dieses selbstständig bewertbar, wirtschaftlich nutzbar, einer selbstständigen Nutzung zugänglich und rechtlich oder tatsächlich greifbar sein. Hierzu müssen insbesondere bei immateriellen Wirtschaftsgütern klare Nachweise über den wirtschaftlichen Gehalt (z. B. Verträge, Lizenznachweise, Kaufbelege) vorliegen. Zudem muss das Wirtschaftsgut entweder dem Anlage- oder Umlaufvermögen zugeordnet werden können und in der Buchführung nach den GoBD nachvollziehbar dokumentiert sein. Wirtschaftsgüter, die ausschließlich für private Zwecke genutzt werden und für den Betrieb keine Funktion erfüllen, werden steuerlich nicht anerkannt. Die Finanzverwaltung prüft im Einzelfall die tatsächliche betriebliche Veranlassung, den Nutzungsumfang und die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen.