Begriff und Rechtsnatur von Windenergiegebieten
Windenergiegebiete sind räumlich festgelegte Flächen, die durch Planung und Festlegung in der Raumordnung oder Bauleitplanung vorrangig oder ausschließlich für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen an Land vorgesehen sind. Die Ausweisung solcher Flächen erfolgt im Kontext der Energiewende sowie der Ziele des Klima- und Umweltschutzes und basiert auf einem komplexen Geflecht nationaler und europäischer Rechtsvorschriften. Windenergiegebiete genießen aufgrund ihrer rechtlichen Zuordnung und Planungssicherheit besondere Bedeutung für die Steuerung des Windenergieausbaus.
Gesetzliche Grundlagen für Windenergiegebiete
Bundesrechtliche Rahmenbedingungen
Die rechtliche Grundlage für Windenergiegebiete wird maßgeblich durch das Baugesetzbuch (BauGB), das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) bestimmt.
Baugesetzbuch (BauGB)
Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert zulässig, soweit öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Durch die sogenannte Konzentrationszonenplanung, geregelt in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, können Gemeinden Flächen zur Windenergienutzung im Flächennutzungsplan darstellen oder im Bebauungsplan festsetzen. Nur in diesen ausgewiesenen Konzentrationszonen ist die Errichtung von Windenergieanlagen dann regelmäßig zulässig, während außerhalb dieser Gebiete ein Ausschluss erfolgen kann.
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Das EEG setzt Rahmenbedingungen für die Vergütung von Strom aus Windenergie und regelt die Förderung erneuerbarer Energien. Während das EEG keine eigenständigen Festlegungen zu Windenergiegebieten trifft, flankiert es die rechtliche Sicherung durch Investitionsanreize.
Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
Das WindBG verpflichtet die Bundesländer dazu, bis 2032 einen bestimmten Anteil ihrer Landesfläche für Windenergie an Land auszuweisen. Es enthält Pflichten zur planerischen Ausweisung von Flächen und schafft einen verbindlichen Flächenbedarf. Die Festsetzungen führen dazu, dass Windenergiegebiete rechtssicher und planfest definiert werden müssen.
Landesrechtliche Umsetzungsregelungen
Die Länder setzen die Vorgaben des Bundesrechts durch Landesraumordnungsgesetze, Landesplanungsgesetze und Landesentwicklungspläne um. Die Auswahl und Festlegung geeigneter Windenergiegebiete erfolgt dabei insbesondere durch Regional- und Flächennutzungspläne, ggf. ergänzt durch Bebauungspläne. Je nach Bundesland variiert das Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit, Umweltprüfung und Maßgaben zur Regionalverträglichkeit.
Planungsrechtliche Einordnung von Windenergiegebieten
Raumordnung und Regionalplanung
Im Rahmen der Raumordnung erfolgt die Ausweisung von Vorrang-, Eignungs- und Ausschlussgebieten für die Windenergie. Vorranggebiete sind Flächen, auf denen Windenergie vor anderen Nutzungen Priorität genießt, Eignungsgebiete schließen regelmäßig andere Standorte aus (Konzentrationszonenprinzip). Die planerische Abgrenzung muss den Anforderungen der Planrechtsprechung entsprechen, insbesondere dem Abwägungsgebot und der Umweltprüfung.
Bauleitplanung
Die kommunale Ebene setzt mittels Flächennutzungs- und Bebauungsplänen die Vorgaben der Raumordnung um. Städte und Gemeinden können auf ihrer Planungshoheit beruhend Windenergiegebiete festlegen und so das Planungskonzept der höheren Planungsebene konkretisieren. Zur Rechtssicherheit der Ausschlusswirkung müssen das Auswahlverfahren und die Begründung der Flächenfestlegung den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts – genügen.
Rechtliche Anforderungen an die Ausweisung von Windenergiegebieten
Flächenbedarfsberechnung und Auswahlverfahren
Die Auswahl geeigneter Flächen für Windenergiegebiete hat unter Berücksichtigung technischer, landschaftlicher, rechtlicher und sozialer Aspekte zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise:
- Siedlungsabstände
- Bundesimmissionsschutzgesetz (Lärmschutz, Schattenwurf)
- Naturschutzrechtliche Schutzgebiete (BNatSchG, Natura 2000)
- Denkmalschutz und militärische Belange
- Höhenbegrenzungen durch Luftverkehrsrecht
Die Flächenbedarfsberechnung stellt sicher, dass den Zielen des WindBG entsprochen wird und eine angemessene Steuerung des Ausbaus erfolgt.
Beteiligungsverfahren und Umweltprüfungen
Vorgeschrieben ist eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der relevanten Behörden (Träger öffentlicher Belange). Im Rahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG) und der Strategischen Umweltprüfung (SUP) werden die Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt umfassend bewertet.
Rechtsschutz
Planungen und Festsetzungen von Windenergiegebieten sind als Verwaltungsakte oder Satzungen anfechtbar. Betroffene können gegen die planerische Festlegung gerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere durch Normenkontrollklagen gemäß § 47 VwGO, in Anspruch nehmen. Dabei überprüfen Gerichte insbesondere das Auswahlverfahren, die Einhaltung von Beteiligungs- und Umweltprüfungsverfahren sowie die hinreichende Begründung der Auswahl.
Flächenbereitstellung, Nutzung und Betreiberverpflichtungen
Grundstücksrechtliche Fragen
Die Nutzung der für Windenergie ausgewiesenen Gebiete setzt regelmäßig die Einigung mit Grundstückseigentümern voraus. Sie wird durch privatrechtliche Verträge (Pacht, Miete oder Dienstbarkeit) geregelt. Öffentlich-rechtliche Festsetzungen allein begründen kein Nutzungsrecht, sondern steuern lediglich die Zulässigkeit von Anlagen im Rahmen des Baurechts.
Baurechtlicher Genehmigungsprozess
Für die Errichtung von Windenergieanlagen innerhalb von Windenergiegebieten ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erforderlich. Die zuständige Behörde prüft die Übereinstimmung mit der jeweiligen Gebietsausweisung, Umweltauflagen und etwaige weitere öffentlich-rechtliche Zulassungsvoraussetzungen. Das Vorliegen eines Windenergiegebiets erleichtert das Genehmigungsverfahren, entfaltet jedoch keine Genehmigungsfiktion.
Europarechtliche Bezüge
Die Flächenausweisung für Windenergie in Deutschland erfolgt unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien für erneuerbare Energien (u. a. RED II) und der Vorgaben für den Naturschutz. Die Europäische Kommission gibt Mindestziele für den Ausbau erneuerbarer Energien vor; deren Einhaltung beeinflusst die Ausweisung und die planerische Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, insbesondere hinsichtlich Flächendeckung und Verfahrensbeschleunigung.
Bedeutung im Kontext der Energiewende
Windenergiegebiete leisten einen zentralen Beitrag zur Realisierung der deutschen und europäischen Klimaschutzziele. Durch die rechtssichere planerische Festlegung werden Investitionssicherheit geschaffen und Flächenkonflikte minimiert. Die planungsrechtlichen Instrumente zur Ausweisung von Windenergiegebieten entwickeln sich stetig angesichts fortschreitender technischer, gesellschaftlicher und umweltrechtlicher Anforderungen weiter.
Literaturhinweise
- Baugesetzbuch (BauGB)
- Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)
- Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
- Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
- UVPG – Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz
- Landesplanungsgesetze und Raumordnungsgesetze
- Europäische Richtlinien für erneuerbare Energien (RED II)
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die rechtliche Ausweisung von Windenergiegebieten in Deutschland?
Die rechtliche Ausweisung von Windenergiegebieten erfolgt primär durch die Raumordnungsplanung der Länder sowie die Bauleitplanung der Gemeinden. Auf Landesebene können Regionalpläne sogenannte Vorrang- bzw. Eignungsgebiete für Windenergie ausweisen, wofür das Raumordnungsgesetz (§ 8 ROG) und die jeweiligen Landesplanungsgesetze maßgeblich sind. Diese Festlegungen entfalten eine Bindungswirkung für die kommunale Bauleitplanung, die wiederum im Flächennutzungs- bzw. Bebauungsplan nach Baugesetzbuch (BauGB) konkrete Flächen für Windenergieanlagen (WEA) vorsehen kann. Durch die Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) müssen die Länder nun bestimmte Mindestflächen für Windenergie an Land nachweisen. Das Ausweisungsverfahren erfordert eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) und BauGB. Beschwerden gegen die Festsetzung sind im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglich. Das Planungsrecht ist zudem stets an europarechtliche Vorgaben, insbesondere im Natur- und Artenschutz, gebunden.
Welche rechtlichen Anforderungen gelten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen in ausgewiesenen Windenergiegebieten?
Der Bau und Betrieb von Windenergieanlagen in ausgewiesenen Windenergiegebieten unterliegt den Genehmigungsanforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG ist für größere Anlagen zwingend erforderlich. Im Genehmigungsverfahren werden neben dem Immissionsschutz auch Bauordnungsrecht, Naturschutzrecht, Wasserrecht und Denkmalrecht berücksichtigt. Die Genehmigungsbehörde prüft dabei Aspekte wie Schall-, Schatten-, und Vogelschutz, sowie die Einhaltung von Abstandsregelungen zu Wohngebieten. Weiterhin ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG für Windparks bestimmter Größe verpflichtend. Antragsunterlagen müssen detaillierte technische Beschreibungen, Gutachten und Nachweise enthalten. Die öffentliche Beteiligung ist integraler Bestandteil, wobei betroffene Bürger und anerkannte Umweltverbände Einwendungen einbringen können. Besondere Bedeutung kommt dabei der Berücksichtigung der FFH- und Vogelschutzrichtlinien (Natura 2000-Gebiete) zu, da nationale Genehmigungen gegen EU-Vorschriften verstoßen können, wenn diese nicht ausreichend beachtet werden.
Welche rechtlichen Schutzgüter sind im Rahmen der Planung von Windenergiegebieten besonders zu beachten?
Besondere rechtliche Schutzgüter bei der Ausweisung und Planung von Windenergiegebieten sind der Natur- und Artenschutz, Landschaftsschutz, Immissionsschutz, der Schutz des Grundeigentums sowie Belange der Raumordnung und Landesplanung. Im Hinblick auf Artenschutz gilt das Verbot, bestimmte besonders geschützte Arten erheblich zu beeinträchtigen bzw. deren Lebensräume zu zerstören (BNatSchG, § 44 ff.). Forst- und agrarstrukturelle Belange, Denkmalschutz, Belange der Landesverteidigung und des Luftverkehrs werden ebenfalls geprüft. Der Abstand zu Wohnbebauung und Siedlungsschwerpunkten wird zum Schutz vor Lärm und optischer Bedrängung in den landesspezifischen Regelwerken festgelegt. Zudem sind mögliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und der Erholungsfunktion sowie potenzielle Kollisionsrisiken, etwa für den Vogel- und Fledermausschutz, einzubeziehen.
Wie werden Beteiligungs- und Klagerechte im Zusammenhang mit Windenergiegebieten rechtlich gewährleistet?
Das Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windenergiegebiete sieht weitreichende Beteiligungs- und Klagerechte vor. Nach BauGB und UVPG sind Öffentlichkeit, anerkannte Umweltverbände sowie andere Träger öffentlicher Belange frühzeitig und umfassend zu beteiligen. Einwendungen können im Rahmen der förmlichen Auslegung vorgebracht werden. Die Verbandsklage gemäß Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ermöglicht anerkannten Umweltverbänden, gegen raumordnerische oder immissionsschutzrechtliche Zulassungsentscheidungen Klage zu erheben, wenn Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften, insbesondere des Naturschutzes, vorliegen. Einzelne Bürger können ihre subjektiven Rechte beispielsweise in Bezug auf Eigentum, Gesundheitsschutz oder Nachbarrechte geltend machen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit entscheidet über derartige Rechtsstreitigkeiten, wobei auch Eilrechtsschutz zur Aussetzung von Planungen möglich ist.
Welche Bedeutung haben Vorranggebiete und Ausschlussgebiete im rechtlichen Kontext?
Vorranggebiete sind Flächen, die in regionalen Raumordnungsplänen als bevorzugte Standorte für Windenergieanlagen festgelegt werden, die einen Konzentrationseffekt bewirken und andere Standorte außerhalb ausschließen können. Dies basiert auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, der es Kommunen gestattet, im Flächennutzungsplan Konzentrationszonen festzulegen und damit außerhalb dieser Zonen Windenergieanlagen planungsrechtlich auszuschließen (sog. „Ausschlusswirkung“). Voraussetzung ist eine schlüssige und nachvollziehbare Planung, die dem Gebot der Fehlervermeidung unterliegt, sonst könnten Fehler zur Ungültigkeit der Ausschlusswirkung führen. Aktuell gewinnen Ausschlussgebiete besondere Bedeutung, da durch das WindBG und die darauf basierenden regionalen Planungen die Windflächenziele des Bundes erreicht werden müssen; Ausschlussgebiete dürfen dabei die Erreichung dieser Ziele nicht konterkarieren.
Wie wirken sich europarechtliche Vorgaben auf die Ausweisung von Windenergiegebieten aus?
Die Ausweisung von Windenergiegebieten ist maßgeblich durch europarechtliche Vorgaben geprägt. Besonders die Richtlinien im Naturschutz (Habitatrichtlinie 92/43/EWG, Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG) setzen hohe Anforderungen, etwa an die Erhaltungsziele von Arten und Habitaten in Natura 2000-Gebieten. Pläne und Projekte, die diese Gebiete erheblich beeinträchtigen könnten, sind einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Verstöße können Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission nach sich ziehen. Daneben gibt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) verpflichtende Ausbaustandards für die Mitgliedsstaaten, was den Druck zur rechtssicheren und schnelleren Ausweisung geeigneter Windenergiegebiete erhöht. Deutsche Gesetze mussten zuletzt mehrfach angepasst werden, um europarechtskonformes Recht zu gewährleisten, etwa hinsichtlich des Ausschlusses und der Abwägung widerstreitender Belange.