Begriff und Rechtsgrundlage des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
Der Begriff Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bezeichnet ein strafbares Verhalten nach deutschem Strafrecht, das in § 113 des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt ist. Erfasst werden dabei Handlungen, die sich gezielt gegen Amtsträger oder ihnen gleichgestellte Personen richten, die zur Vollstreckung von Gesetzen, gerichtlichen Anordnungen oder behördlichen Verfügungen tätig werden. Die Vorschrift dient dem Schutz des staatlichen Vollstreckungsinteresses und der Durchsetzung gesetzlicher Anordnungen durch Amtsträger.
Gesetzliche Regelung: Wortlaut und Normzweck
Wortlaut des § 113 StGB
§ 113 Abs. 1 StGB lautet:
„Wer einem Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, gerichtlichen Entscheidungen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Vollstreckungshandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Normzweck
Ziel der gesetzlichen Regelung ist es, die effektive Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen durch Amtsträger oder gleichgestellte Personen sicherzustellen. Der Paragraf soll Angriffe auf das Gewaltmonopol des Staates verhindern und gewährleisten, dass rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen nicht durch individuellen Widerstand vereitelt werden.
Tatbestandsmerkmale des § 113 StGB
Täterkreis
Als geschützter Personenkreis gelten:
- Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB
- Personen, die zur Unterstützung des Amtsträgers bei der Vollstreckung herangezogen sind (z. B. Polizeibeamte, Gerichtsvollzieher, Zollbeamte)
- Sonstige Personen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften mit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen betraut sind
Tathandlung: Widerstand leisten
Widerstandsformen
- Mit Gewalt: Jede körperlich wirkende Einwirkung auf den Amtsträger zur Durchsetzung oder Vereitelung der Diensthandlung. Gemeint sind nicht nur tätliche Angriffe, sondern sämtliche körperlichen Aktivitäten, welche die Vornahme der Maßnahme erschweren oder unmöglich machen (z. B. sich Losreißen, Wegdrücken, aktive passive Blockaden mit erheblicher Kraftanwendung).
- Drohung mit Gewalt: Das Inaussichtstellen eines gegenwärtigen oder künftigen körperlichen Angriffs, um den Amtsträger an der Ausführung seiner Pflicht zu hindern oder zu beeinflussen. Die Drohung muss dabei geeignet erscheinen, den Amtsträger zur Änderung seines Handelns zu veranlassen.
Zeitpunkt und Zusammenhang mit der Vollstreckungshandlung
Die Widerstandshandlung muss erfolgen:
- „bei der Vornahme einer Vollstreckungshandlung“, d. h. während des tatsächlichen Durchführungsvorgangs oder im unmittebaren Vorfeld, wenn die Maßnahme bereits eingeleitet ist.
- Es genügt, wenn die Maßnahme unmittelbar bevorsteht und aus Sicht des Amtsträgers objektiv als begonnen eingestuft werden kann.
Objektive Voraussetzungen
- Rechtmäßigkeit der Diensthandlung: Bis zum 23. Mai 2017 war einzig das „Diensthandlungsprinzip“ maßgeblich, seit einer Gesetzesänderung wird nun ausdrücklich verlangt, dass die Amts- bzw. Vollstreckungshandlung rechtmäßig sein muss (§ 113 Abs. 3 StGB). Der Widerstand gegen rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen ist somit grundsätzlich nicht strafbar, es sei denn, es liegt eine Ausnahme nach § 113 Abs. 4 StGB vor.
- Keine Anwendung gegenüber Privatpersonen, sofern diese nicht ausdrücklich zur Unterstützung herangezogen wurden.
Subjektiver Tatbestand
Es ist Vorsatz erforderlich, welcher sich sowohl auf das Leistungsverhalten als auch auf sämtliche objektiven Tatmerkmale erstrecken muss. Fahrlässigkeit genügt nicht.
Strafzumessung und Qualifikationen
Strafrahmen
- Grundtatbestand: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
- Versuch ist strafbar (§ 113 Abs. 2 StGB analog zu § 23 Abs. 1 StGB).
Qualifikation nach § 113 Abs. 2 StGB
Eine erhöhte Strafandrohung (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) trifft zu, wenn besonders gefährliche Handlungen vorgenommen werden, wie z. B.:
- Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs
- Mitführen von einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs zur Einschüchterung
- gemeinschaftliches Handeln mit weiteren Personen
- Lebensgefährdende Handlungen
Besonders schwere Fälle
In besonders schweren Fällen im Sinne des § 113 Abs. 2 StGB erfolgt eine verschärfte Strafzumessung. Beispielsweise, wenn der Täter eine Waffe verwendet oder durch den Widerstand das Leben anderer gefährdet.
Strafmildernde Umstände
Sofern der Täter die Widerstandshandlung lediglich aus Fahrlässigkeit oder unter dem Eindruck eines ungerechtfertigten Vorgehens des Amtsträgers verübt und keine Qualifikationstatbestände erfüllt, ist eine Strafmilderung möglich.
Abgrenzung zu anderen Delikten
Unterschied zu tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB)
Seit dem 30. Mai 2017 ist § 114 StGB als eigenständiges Schutzgut installiert. Dieser erfasst Angriffe, die über die reine Widerstandshandlung hinausgehen und speziell tätliche Übergriffe gegen Amtsträger sanktionieren.
Weitere Tatbestände
- Nötigung (§ 240 StGB): Bei erzwungener Aufgabe der Diensthandlung ohne unmittelbaren Bezug zu einer vollstreckbaren Maßnahme
- Beleidigung (§ 185 StGB): Bei herabwürdigenden Äußerungen
- Körperverletzung (§ 223 StGB): Bei Verletzung des Amtsträgers im Rahmen der Widerstandshandlung (ggf. in Tateinheit oder Gesetzeskonkurrenz)
Rechtliche Folgen und Praxisrelevanz
Folgen für den Täter
Neben strafrechtlichen Sanktionen (Freiheitsstrafe, Geldstrafe) können auch berufs- oder beamtenrechtliche Konsequenzen entstehen. Eine rechtskräftige Verurteilung kann erhebliche Auswirkungen auf das Führungszeugnis und die persönliche Lebenssituation haben.
Praxisbedeutung
Die Vorschrift hat im Alltag insbesondere für Polizei und Ordnungsbehörden hohe Relevanz. Klassische Anwendungsfälle sind Widerstandshandlungen bei Festnahmen, Durchsuchungen, Abschiebungen oder Räumungen.
Geschichte und Entwicklung des Straftatbestandes
Die Strafbarkeit des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte existiert traditionell im deutschen Strafrecht und wurde im Laufe der Jahre wiederholt angepasst. Insbesondere die letzten Gesetzesänderungen (beispielsweise durch das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ im Jahr 2017) hatten Auswirkungen auf Anwendungsbereich und Strafrahmen.
Zusammenfassung
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist ein bedeutender Straftatbestand im deutschen Strafrecht, dessen Ziel der Schutz der staatlichen Zwangsbefugnisse und des reibungslosen Ablaufs von Vollstreckungsmaßnahmen ist. Die Kernelemente liegen in der Anwendung oder Androhung von Gewalt gegenüber Amtsträgern bei der Durchführung hoheitlicher Maßnahmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind differenziert ausgestaltet, Rechtsgrundlage bildet § 113 StGB, ergänzt um durch Qualifikationen verschärfte Strafrahmen im Falle erschwerender Umstände. Die Vorschrift ist eng abzugrenzen zu anderen Delikten wie tätlichen Angriffen auf Amtsträger, Nötigung oder Körperverletzung und ist in der Strafrechtspraxis von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wird bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte immer ein Strafverfahren eingeleitet?
Bei dem Verdacht auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB handelt es sich um ein Offizialdelikt, das heißt, bereits durch die Anzeige oder das polizeiliche Bekanntwerden der Tat besteht eine Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Ermittlungen werden in der Regel durch Polizei und Staatsanwaltschaft geführt. Selbst wenn der betroffene Vollstreckungsbeamte von einer Anzeige absieht, ist die Polizei verpflichtet, den Vorfall weiterzuverfolgen, sofern sie Kenntnis davon erlangt. Das Ermittlungsverfahren kann jedoch eingestellt werden, falls sich im Verlauf der Ermittlungen herausstellt, dass die Voraussetzungen des Straftatbestandes nicht erfüllt sind oder beispielsweise geringe Schuld vorliegt und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (z.B. Einstellung gemäß § 153 oder § 153a StPO). In den meisten Fällen wird bei hinreichendem Tatverdacht aber tatsächlich ein Strafverfahren bis zur Entscheidung durch das Gericht oder zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft geführt.
Was versteht man unter der „Vollstreckungshandlung“ im Sinne von § 113 StGB?
Eine sogenannte Vollstreckungshandlung ist Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 113 StGB. Hierunter versteht man jede konkrete, auf einen bestimmten staatlichen Willen gerichtete hoheitliche Handlung eines Amtsträgers, die darauf abzielt, den gesetzlichen Zustand durch Anwendung von Zwang herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Typische Beispiele sind Festnahmen, Durchsuchungen, Abschiebungen oder die Vollstreckung von Gerichtsurteilen. Eine schlichte Befragung oder bloße Kontrollhandlungen, wie z.B. eine allgemeine Verkehrskontrolle oder eine Identitätsfeststellung, sind in der Regel keine Vollstreckungshandlungen, sofern sie nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden sollen. Maßgeblich kommt es also auf den Charakter der Handlung sowie auf die Möglichkeit und das Ziel der Durchsetzung eines staatlichen Willens an.
Wie hoch ist die zu erwartende Strafe bei einer Verurteilung?
Das Strafmaß für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sieht gemäß § 113 StGB grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Erfolgt der Widerstand unter Einsatz von Gewalt oder durch eine Drohung mit Gewalt, kann die Strafe auch höher ausfallen, insbesondere wenn eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet wird (qualifizierte Fälle nach Abs. 2 und 3). Bei besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt oder sie verwendet, ist eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe vorgesehen. Die genaue Strafzumessung erfolgt anhand sämtlicher Tatumstände, des Vorlebens des Beschuldigten sowie etwaiger strafmildernder oder strafschärfender Faktoren. Ersttäter erhalten häufig eine Geldstrafe, während Wiederholungstäter oder besonders schwere Fälle zu Freiheitsstrafen verurteilt werden können.
Ist auch eine versuchte Tat strafbar?
Ja, gemäß § 113 Absatz 4 StGB ist auch der Versuch des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar. Das bedeutet, dass bereits das unmittelbare Ansetzen zur Ausführung einer Widerstandshandlung, zum Beispiel das Erheben der Hand gegen einen Vollstreckungsbeamten oder das Drohen mit Gewalt, strafrechtlich verfolgt werden kann, auch wenn es nicht tatsächlich zur Anwendung von Gewalt oder zur Vereitelung der Vollstreckung kommt. Die versuchte Tat ist allerdings in der Regel milder zu bestrafen als die vollendete Tat (§ 23 StGB).
Können auch Rettungskräfte Opfer im Sinne von § 113 StGB sein?
Seit dem 30. Mai 2017 (Reform durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften) sind gemäß § 115 StGB auch Rettungskräfte, wie Angehörige der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes, besonders geschützt. Widerstandshandlungen gegen diese Personen bei der Ausführung von Notfalleinsätzen werden seitdem ähnlich streng geahndet wie der Widerstand gegen Polizeibeamte. Voraussetzung ist allerdings, dass die geschützten Personen während einer entsprechenden Notfallmaßnahme tätig werden.
Was versteht man unter Gewaltanwendung im Sinne des § 113 StGB?
Gewalt im Sinne des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte liegt vor, wenn der Täter körperliche Kraft einsetzt, um die Durchführung der Vollstreckungshandlung zu verhindern oder zu erschweren. Darunter fallen sowohl direkte körperliche Angriffe gegen den Beamten (z.B. Schläge, Stöße, Festhalten, Stoßen, Treten) als auch mittelbare Gewalthandlungen (z.B. das Festhalten an Gegenständen, an denen der Beamte ziehen muss, oder das Verkeilen in einem Türrahmen). Bereits das Verkrampfen oder aktive Sich-Widersetzen, selbst ohne Verletzungsabsicht, kann die vom Gesetz geforderte Gewaltanwendung darstellen. Die Schwelle zur Gewalt ist damit vergleichsweise niedrig angesetzt.
Wann liegt keine Strafbarkeit nach § 113 StGB vor?
Eine Strafbarkeit entfällt insbesondere dann, wenn die angegriffene Vollstreckungshandlung objektiv rechtswidrig ist (sog. fehlende Hoheitsgewalt), etwa wenn der Beamte ohne rechtliche Grundlage handelt oder seine Befugnisse überschreitet. In diesen Fällen ist § 113 StGB nicht anwendbar, und es kommt gegebenenfalls lediglich eine Ahndung anderer Delikte in Betracht (z.B. einfache Körperverletzung im Fall eines tätlichen Angriffs ohne Rechtfertigungsgrund). In Einzelfällen kann auch ein Notwehrrecht gegenüber rechtswidrigen Amtshandlungen bestehen; bei rechtmäßiger (wenn auch fehlerhafter) Vollstreckungshandlung ist jedoch Notwehr ausgeschlossen.
Kann es zu einem Fahrverbot oder zu einem Eintrag im Führungszeugnis kommen?
Auch bei einer Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte droht unter Umständen ein Eintrag im Führungszeugnis, insbesondere wenn eine Geldstrafe von 90 oder mehr Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe verhängt wird. Ein gerichtliches Fahrverbot (§ 44 StGB) kann im Einzelfall als Nebenstrafe angeordnet werden, sofern der Zusammenhang zwischen der Tat und dem Führen eines Fahrzeugs besteht, was etwa bei einer Verkehrskontrolle relevant werden kann. Das Gericht entscheidet im Rahmen seiner Strafzumessung über die Verhängung derartiger Nebenstrafen.