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Wesentliche Beteiligung


Begriff und Bedeutung der Wesentlichen Beteiligung

Unter einer wesentlichen Beteiligung versteht man im deutschen Recht die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft oder einem ähnlichen Unternehmen, die nach Maßgabe verschiedener Gesetze und Vorschriften als „wesentlich“ einzustufen ist. Rechtlich bedeutsam wird der Begriff vor allem im Steuerrecht, bei Kapitalgesellschaften, im Bilanzrecht, im Gesellschaftsrecht sowie im Kontext von Mitteilungspflichten gegenüber Finanzbehörden und Märkten. Die Beurteilung, ab welchem Umfang eine Beteiligung als „wesentlich“ gilt, kann je nach Norm variieren und ist häufig an festgelegte prozentuale Schwellenwerte gebunden.


Wesentliche Beteiligung im Steuerrecht

Definition nach Einkommensteuergesetz

Im Steuerrecht ist der Begriff der wesentlichen Beteiligung insbesondere in § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von Bedeutung. Nach § 17 Abs. 1 EStG liegt eine wesentliche Beteiligung vor, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 1 % des Stammkapitals, Aktienkapitals oder Grundkapitals der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar gehalten hat oder hält. Diese Grenze ist für die steuerrechtliche Beurteilung von Veräußerungsgewinnen relevant.

Steuerliche Konsequenzen bei Veräußerung

Wird eine wesentliche Beteiligung veräußert, unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung – im Gegensatz zum Verkauf einer unwesentlichen Beteiligung – der Besteuerung als sonstige Einkünfte im Rahmen des § 17 EStG. Dabei ist der vollständige Veräußerungsgewinn zu versteuern, abzüglich der Anschaffungskosten und etwaiger Werbungskosten. Die Regelungen sollen insbesondere eine steuerliche Gleichbehandlung mit anderen Einkunftsarten und Spekulationsgewinnen sicherstellen.

Wegfall und Änderung der Wesentlichkeit

Die Einstufung als „wesentlich“ bleibt bis fünf Jahre nach dem Unterschreiten der 1-Prozent-Schwelle bestehen, sofern innerhalb dieses Zeitraums eine Veräußerung stattfindet. Bei einer Beteiligung unter 1 % findet § 17 EStG grundsätzlich keine Anwendung.


Wesentliche Beteiligung im Gesellschaftsrecht

Schwellenwerte und Mitwirkungsrechte

Im Gesellschaftsrecht ist die Definition einer wesentlichen Beteiligung unterschiedlich geregelt. Bei Aktiengesellschaften (AG) sowie bei GmbHs liegen bedeutende Schwellenwerte beispielsweise bei 10 %, 25 % oder 50 % der Anteile. Ab einer Beteiligung von 25 % können Gesellschafter, insbesondere bei der GmbH, wesentlichen Einfluss auf zentrale Unternehmensentscheidungen nehmen, wie etwa bei der Zustimmung zu Satzungsänderungen.

Informations- und Mitteilungspflichten

Gesellschafter mit wesentlicher Beteiligung haben teilweise weitergehende Informationsrechte und unterliegen zugleich erhöhten Mitteilungspflichten, insbesondere gegenüber der Gesellschaft und der Öffentlichkeit. Für börsennotierte Gesellschaften gelten die Meldepflichten nach §§ 33 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), die bei bestimmten Beteiligungsschwellen greifen.


Wesentliche Beteiligung im Bilanzrecht und Rechnungslegung

IFRS und HGB

Nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) und nach Handelsgesetzbuch (HGB) ist die Wesentlichkeit einer Beteiligung entscheidend für die Bilanzierung und den Ausweis im Konzernabschluss. Eine assoziierte Gesellschaft wird dann zugeordnet, wenn ein bedeutender Einfluss – in Regel bei einer Beteiligungsquote ab 20 % – ausgeübt werden kann. Minderheitsbeteiligungen unter dieser Grenze gelten regelmäßig als unwesentlich und sind entsprechend zu behandeln.

Vorschriften zur Konzernrechnungslegung

Im HGB ist in § 271 HGB geregelt, ab welchem Umfang eine Beteiligung als Beteiligungsgesellschaft oder Tochterunternehmen gilt und ob sie im Konzernabschluss konsolidiert wird. Eine wesentliche Beteiligung zieht daher auch im Bilanzrecht umfassende Offenlegungspflichten für die Unternehmensgruppe nach sich.


Wesentliche Beteiligung und das Kreditwesengesetz (KWG)

Meldepflichten für Institute

Nach dem Kreditwesengesetz (§ 1 Abs. 9 KWG) sind bedeutende Beteiligungen von mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte als „qualifizierte Beteiligungen“ zu melden. Diese Meldepflichten dienen der Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte und der Überwachung bedeutender Anteilseigner im Finanzdienstleistungssektor.


Mitteilungspflichten gegenüber Finanzbehörden

Steuerliche Meldepflichten

Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften, die als wesentlich gelten, unterliegen umfassenden Mitteilungs- und Offenlegungspflichten gegenüber den deutschen Finanzbehörden (§ 138 Abs. 2 Abgabenordnung). Ziel ist die Verhütung von Steuerhinterziehung und die Ermöglichung einer effektiven Besteuerung von Einkünften.


Wesentliche Beteiligung im Kontext des Betriebsvermögens

Im Unternehmenssteuerrecht ist die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei wesentlichen Beteiligungen relevant. Insbesondere bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen kann eine Beteiligung steuerlich dem notwendigen Betriebsvermögen zugeordnet werden, wenn sie essentielle Bedeutung für den Betrieb hat.


Aktienrechtliche Aspekte und Kapitalmarktrecht

Beteiligungsschwellen und Stimmrechte

Im Wertpapierhandelsgesetz sind verschiedene Beteiligungsschwellen geregelt (3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 %, 75 %), deren Erreichen oder Überschreiten zu Meldepflichten an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und zur Offenlegung am Kapitalmarkt führen. Die Beteiligung ab 10 % wird häufig als relevant für die Einflussnahme auf die Gesellschaft betrachtet.


Fazit

Die wesentliche Beteiligung ist ein zentraler Begriff in einer Vielzahl von Rechtsgebieten und zieht vielfältige Rechtsfolgen nach sich. Sie beeinflusst die steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen, schafft Mitteilungs- und Offenlegungspflichten gegenüber Behörden sowie am Kapitalmarkt und bestimmt maßgeblich die Bilanzierung und Konsolidierung im Rechnungswesen. Die Festlegung der Schwellenwerte und jeweiligen Konsequenzen erfolgt stets in Abhängigkeit vom jeweiligen Gesetz und Anwendungsbereich, sodass eine genaue Analyse der maßgeblichen Rechtsvorschriften unerlässlich ist.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen hat die Feststellung einer wesentlichen Beteiligung?

Die Feststellung einer wesentlichen Beteiligung hat insbesondere im Steuerrecht und Gesellschaftsrecht erhebliche Folgen. In steuerlicher Hinsicht führt eine wesentliche Beteiligung (in Deutschland z.B. mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG) dazu, dass Gewinne aus der Veräußerung dieser Beteiligung nicht als steuerfreie private Veräußerungsgeschäfte behandelt werden, sondern als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ist der Anteilseigner in einer besonderen Einflussposition, können ihm zudem verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet werden. Gesellschaftsrechtlich ist ein wesentlich Beteiligter meist mit besonderen Stimmrechten oder Mitbestimmungsrechten ausgestattet, was eine Rolle bei Gesellschafterbeschlüssen und Kontrollmöglichkeiten spielt. Schließlich bestehen bei Überschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder dem Aktiengesetz (AktG) umfassende Mitteilungspflichten an die Gesellschaft oder Aufsichtsbehörden.

Welche Melde- und Mitteilungspflichten ergeben sich bei einer wesentlichen Beteiligung?

Ab bestimmten Beteiligungshöhen greifen umfangreiche Meldepflichten. Nach § 33 WpHG sind Aktionäre verpflichtet, der Emittentin und der BaFin unverzüglich mitzuteilen, wenn ihr Anteil an den Stimmrechten bestimmte Schwellen (3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 %) erreicht, überschreitet oder unterschreitet. Diese Mitteilungspflichten bestehen unabhängig davon, ob die Beteiligung direkt oder indirekt gehalten wird. Gesellschaftsrechtlich können sich zudem Anzeigepflichten nach dem Geldwäschegesetz oder nach steuerlichen Spezialvorschriften wie der Anzeigepflicht bei beherrschenden Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften ergeben.

Welche Vorschriften sind bei einer wesentlichen Beteiligung im Rahmen der Kapitalertragsteuer zu beachten?

Ist eine natürliche Person wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, sind die Regeln zur Kapitalertragsteuer durch besondere Vorschriften modifiziert. So findet bei einer Beteiligung von mindestens 25 % (oder bei geringerer Beteiligung, wenn der Anteilseigner maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat) das Teileinkünfteverfahren Anwendung. In diesem Fall werden nur 60 % der Dividendenerträge der Einkommensteuer unterworfen, während 40 % steuerfrei bleiben. Im internationalen Kontext sind auch Doppelbesteuerungsabkommen zu berücksichtigen, die bei wesentlicher Beteiligung regelmäßig Quellensteuersätze und Anrechnungsmöglichkeiten regeln.

Inwiefern hat eine wesentliche Beteiligung Einfluss auf die Organschaft im Steuerrecht?

Eine Organschaft im Sinne des Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer- oder Gewerbesteuerrechts setzt regelmäßig eine finanzielle Eingliederung voraus, die meist durch eine wesentliche Beteiligung definiert wird. Im Steuerrecht ist dies etwa der Fall, wenn die Organträgerin oder der Organträger unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft hält. Das Steuerrecht knüpft wichtige Konsequenzen, wie die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft auf den Organträger, an die Einhaltung der Beteiligungsschwelle, womit die Frage der wesentlichen Beteiligung von zentraler Bedeutung für die steuerliche Behandlung von Unternehmensgruppen ist.

Welche Auskunfts- und Einsichtsrechte hat ein wesentlich Beteiligter Gesellschafter?

Im Gesellschaftsrecht genießen wesentlich Beteiligte oftmals erweiterte Auskunfts- und Kontrollrechte. In einer GmbH kann ein Gesellschafter, der mindestens 10 % des Stammkapitals hält, nach § 51a GmbHG erweiterte Einsichtsrechte in Bücher und Schriften der Gesellschaft geltend machen. Vergleichbare Schwellenwerte existieren auch im Aktienrecht, wo erhebliche Beteiligungen Sonderrechte wie die Einberufung einer Hauptversammlung (§ 122 AktG) oder das Stellen von Ergänzungsanträgen zur Tagesordnung ermöglichen. Je nach Gesellschaftsform und Beteiligungshöhe können diese Rechte variieren und auch Einfluss auf die gerichtliche Geltendmachung von Gesellschafterrechten haben.

Welche Rolle spielt die wesentliche Beteiligung im Zusammenhang mit dem Transparenzregister?

Die wesentliche Beteiligung ist ein zentrales Kriterium bei der Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft nach dem Geldwäschegesetz (GwG). Wer direkt oder indirekt mehr als 25 % der Kapitalanteile hält oder vergleichbaren Einfluss ausübt, gilt als wirtschaftlich Berechtigter und ist zur Eintragung ins Transparenzregister verpflichtet. Die jeweilige Gesellschaft muss bei Vorliegen einer solchen Beteiligung die erforderlichen Angaben melden und aktuell halten. Verstöße gegen die Meldepflichten können mit erheblichen Bußgeldern sanktioniert werden, was eine genaue Prüfung der Beteiligungsverhältnisse erforderlich macht.

Welche Beschränkungen bestehen beim Erwerb einer wesentlichen Beteiligung aus kartellrechtlicher Sicht?

Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) müssen Unternehmen einen geplanten Erwerb einer wesentlichen Beteiligung an einem anderen Unternehmen ab bestimmten Umsatzschwellen beim Bundeskartellamt anmelden (Fusionskontrolle). Das betrifft grundsätzlich jede Beteiligung, die es einem Unternehmen ermöglicht, einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens auszuüben. Im Rahmen der Prüfung wird analysiert, ob durch den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung wettbewerbsrechtliche Bedenken entstehen könnten. Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden ist vor Vollzug erforderlich, um Sanktionen wie Zwangsgeld oder die Rückabwicklung des Erwerbs zu vermeiden.