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Weltanschauungsgemeinschaften


Begriff und rechtliche Einordnung von Weltanschauungsgemeinschaften

Definition und Abgrenzung

Weltanschauungsgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Menschen, die sich zur gemeinsamen Pflege und Verwirklichung einer bestimmten, umfassenden Lebensanschauung bekennen. Anders als Religionsgemeinschaften, deren zentraler Bezugspunkt meist der Glaube an eine oder mehrere transzendente Instanzen ist, basieren Weltanschauungsgemeinschaften regelmäßig auf weltlichen Überzeugungen und Leitbildern, die sich auf Philosophie, Ethik oder eine bestimmte Weltdeutung stützen. Weltanschauungsgemeinschaften und Religionsgemeinschaften werden im deutschen Recht vielfach gleich behandelt, insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung des Grundrechts auf Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit.

Abgrenzung zu Religionsgemeinschaften

Die Unterscheidung zwischen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften wird insbesondere durch den religiösen Bezugspunkt gezogen: Während Religionsgemeinschaften einen transzendenten Bezug haben, fehlt dieser bei Weltanschauungsgemeinschaften. Maßgeblich ist, dass Weltanschauungen eine mit Religion vergleichbare Sinnstiftung, Werthaltung und Gemeinwohlorientierung bieten.


Verfassungsrechtliche Grundlagen

Schutz durch das Grundgesetz

Die zentrale Rechtsgrundlage bildet das Grundgesetz (GG). Art. 4 GG garantiert sowohl die Glaubensfreiheit als auch die Freiheit eines weltanschaulichen Bekenntnisses. Die in Art. 4 Abs. 1 GG aufgeführten Rechte umfassen ausdrücklich die ungestörte Religionsausübung und die Freiheit zur Bildung und Betätigung von Weltanschauungsgemeinschaften. Dazu gehören:

  • Freiheit zur Gründung und zum Beitritt zu einer Gemeinschaft
  • Freiheit zur gemeinschaftlichen Verwirklichung der Weltanschauung, etwa durch Versammlungen, Rituale, Publikationen und sonstige Aktivitäten
  • Schutz vor Benachteiligung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Weltanschauung

Gleichstellung mit Religionsgemeinschaften

In Art. 140 GG in Verbindung mit den Weimarer Kirchenartikeln (insbesondere Art. 137 WRV) ist geregelt, dass Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgesellschaften rechtlich gleichgestellt sind, soweit es um die individuellen und gemeinschaftlichen Freiheitsrechte geht.


Weltanschauungsgemeinschaften im öffentlichen Recht

Rechtsstatus und Anerkennung

Weltanschauungsgemeinschaften können verschiedene Rechtsstatus einnehmen. Im Regelfall existieren sie als eingetragene Vereine (e. V.) nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder als Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 WRV

Weltanschauungsgemeinschaften haben nach Maßgabe des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV die Möglichkeit, die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen. Hierfür muss nachgewiesen werden, dass

  • eine ausreichende Mitgliederzahl vorliegt,
  • die Gemeinschaft durch die fortgesetzte Dauer gegründet ist,
  • ein Mindestbestand an organisatorischer und rechtlicher Stabilität gegeben ist,
  • die Loyalität zur Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland garantiert wird.

Der Körperschaftsstatus ermöglicht Privilegien, wie das Recht auf Erhebung von Mitgliedsbeiträgen (Kirchensteuer/Weltanschauungsbeitrag) und Mitwirkung bei staatlichen Handlungen (z. B. Beauftragte im Rundfunkrat).

Sonstige Formen

Abseits des Körperschaftsstatus können Weltanschauungsgemeinschaften als privatrechtlicher Verein bestehen. Ihre Rechte ergeben sich dann vor allem aus dem allgemeinen Vereinsrecht, ergänzt um die besondere verfassungsrechtliche Schutzposition.

Beteiligung im öffentlichen Leben und Institutionen

Körperschaften des öffentlichen Rechts, aber auch anerkannte Vereine, haben vielfach das Recht, im Rahmen staatlicher Kooperation (z. B. Ethikunterricht, Integrationsrat, Rundfunkgremien) paradigmatische Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Dazu gehören beispielsweise die Mitwirkung im schulischen Religions- bzw. Werteunterricht oder bei ethischen Kommissionen.


Weltanschauungsgemeinschaften im Privatrecht

Vereinsrechtliche Grundlage

Viele Weltanschauungsgemeinschaften sind als eingetragene Vereine organisiert. Nach dem BGB gelten hierbei die üblichen Grundsätze über Rechtsfähigkeit, Satzung sowie Vertretungs- und Mitgliedschaftsregelungen.

Arbeitsrechtlicher Kontext

Beschäftigungsverhältnisse innerhalb solcher Gemeinschaften können durch das sogenannte Selbstbestimmungsrecht beeinflusst sein. Dieses ergibt sich auch für Weltanschauungsgemeinschaften aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Einher geht ein relativ weitreichendes Recht zur Auswahl und Bindung von Personal in Übereinstimmung mit der jeweiligen Weltanschauung („Tendenzschutz“). Dieses Selbstbestimmungsrecht steht jedoch unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze und ist, etwa gegenüber dem Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nicht grenzenlos.


Steuerrechtliche Betrachtung

Gemeinnützigkeit und steuerliche Vorteile

Sofern Weltanschauungsgemeinschaften – wie etwa humanistische Verbände oder Freidenker-Vereine – gemeinnützige, kulturelle oder mildtätige Zwecke verfolgen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft im Sinne der Abgabenordnung (AO). Die Folge sind steuerliche Vergünstigungen, zum Beispiel bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer.

Erhebung von Beiträgen

Mit dem Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Befugnis verbunden, von Mitgliedern Beiträge zu erheben, was in der Praxis mit der Kirchensteuer der Religionsgemeinschaften vergleichbar ist. Im Rahmen privatrechtlicher Vereinigungen kann die Beitragserhebung zwecks Finanzierung der Vereinsarbeit auf Grundlage der Vereinssatzung erfolgen.


Weltanschauungsgemeinschaften und Grundrechte

Autonomie und Selbstbestimmung

Ein wesentliches Merkmal ist die verfassungsrechtlich geschützte Autonomie, die es Weltanschauungsgemeinschaften ermöglicht, ihre inneren Angelegenheiten – Organisation, Lehre, Mitgliedschaft – frei und ohne staatliche Einmischung zu regeln, solange die verfassungsmäßige Ordnung gewahrt bleibt.

Schutz vor Diskriminierung

Mitglieder und Gemeinschaften genießen umfassenden Schutz vor Benachteiligung aufgrund ihres weltanschaulichen Bekenntnisses. Diskriminierungsverbote ergeben sich u. a. aus dem Grundgesetz (Art. 3 GG), dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie aus internationalen Menschenrechtskonventionen.


Weltanschauungsgemeinschaften im internationalen Kontext

Auch auf internationaler Ebene sind Weltanschauungsgemeinschaften durch fundamentale Rechte geschützt. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet in Art. 9 die Freiheit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsausübung, wobei explizit auch weltanschauliche Überzeugungen erfasst sind.


Übersicht: Rechte und Pflichten von Weltanschauungsgemeinschaften

| Recht / Pflicht | Beschreibung |
|————————————–|———————————————————————————————-|
| Gründung und Organisation | Freie Bildung, Organisation und Betätigung nach eigenen Satzungsregeln |
| Körperschaftsstatus | Möglichkeit der Verleihung nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV |
| Beitragserhebung | Im Rahmen des Körperschaftsstatus oder vereinsrechtlich |
| Mitwirkung im öffentlichen Bereich | Teilnahme an schulischer Bildung, Ethikunterricht, Rundfunkräten u. a. |
| Steuerrechtliche Vorteile | Anerkennung als gemeinnützige Organisation unter bestimmten Voraussetzungen |
| Autonomierechte | Selbstverwaltungsrechte in inneren Angelegenheiten |
| Schutz vor Diskriminierung | Rechtlicher Diskriminierungsschutz nach nationalem und internationalem Recht |
| Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung | Organisationsfreiheit unter Beachtung der grundgesetzlichen Werteordnung |


Fazit

Weltanschauungsgemeinschaften sind im deutschen Recht umfassend geschützt und Religionsgemeinschaften weitgehend gleichgestellt. Sie genießen Autonomie, Gestaltungsfreiheit und Schutz vor Diskriminierung. Die relevanten rechtlichen Grundlagen reichen vom Grundgesetz über Spezialgesetze bis hin zum internationalen Menschenrechtsschutz und sichern ein hohes Maß an rechtlicher Selbstbestimmung und gesamtgesellschaftlicher Integration.

Häufig gestellte Fragen

Unterliegen Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland einer besonderen staatlichen Anerkennung?

Weltanschauungsgemeinschaften können in Deutschland wie Religionsgemeinschaften einen besonderen rechtlichen Status erlangen, nämlich als Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV. Eine formelle Anerkennung als solche Körperschaft erfolgt durch die Landesregierungen nach Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen, insbesondere der Gewährleistung der Dauer und Loyalität gegenüber dem Staat. Ohne diese Anerkennung bestehen Weltanschauungsgemeinschaften grundsätzlich als privatrechtliche Vereine oder eingetragene Vereine nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die rechtliche Gleichstellung gegenüber Religionsgemeinschaften ist durch das Grundgesetz sowie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantiert. Wesentliche Rechte – etwa das Versammlungsrecht oder die Ausübung von Meinungsfreiheit – bestehen unabhängig von einer öffentlichen Anerkennung.

Inwiefern genießen Weltanschauungsgemeinschaften den Schutz des Grundgesetzes?

Das Grundgesetz schützt Weltanschauungsgemeinschaften insbesondere durch die in Art. 4 GG verankerte Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Dieser Schutz umfasst das Recht, individuelle und kollektive weltanschauliche Überzeugungen zu bilden, zu äußern und zu verbreiten sowie die Organisation von Gemeinschaften zur Förderung gemeinsamer Weltanschauungen. Die grundrechtliche Gewährleistung steht dabei auf der gleichen Stufe wie jene für religiöse Vereinigungen. Darüber hinaus sorgt das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG dafür, dass niemand wegen seiner weltanschaulichen Bindung benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

Welche steuerlichen Vorteile können Weltanschauungsgemeinschaften beanspruchen?

Sofern eine Weltanschauungsgemeinschaft die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 51 ff. AO erfüllt, kann sie steuerliche Begünstigungen erlangen, wie beispielsweise die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Vorteile bei der Umsatzsteuer. Wurde die Gemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, stehen ihr ggf. noch weitergehende steuerliche Privilegien zu. Eine direkte Gleichstellung mit Religionsgemeinschaften im Hinblick auf sämtliche steuerlichen Vorteile besteht jedoch nicht automatisch, sondern wird stets einzelfallbezogen nachgewiesen und geprüft.

Dürfen Weltanschauungsgemeinschaften öffentliche Trägerschaften übernehmen?

Weltanschauungsgemeinschaften sind grundsätzlich berechtigt, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise im Bereich der Wohlfahrtspflege, Bildung oder Religions-/Weltanschauungsunterricht an Schulen, sofern sie hierfür anerkannt sind und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. In einigen Bundesländern können sie – wie Religionsgemeinschaften – beispielsweise Ethikunterricht anbieten oder Träger sonstiger sozialer Einrichtungen sein, wenn die jeweilige Landesgesetzgebung dies zulässt. Der Zugang erfolgt hier sachlich-neutral und orientiert sich wesentlich an ihrem öffentlichen Auftreten und der Mitgliedszahl sowie der gesellschaftlichen Relevanz.

Welche Rechte haben Weltanschauungsgemeinschaften im Arbeitsrecht?

Im Arbeitsrecht kommt Weltanschauungsgemeinschaften, insbesondere bei anerkannter Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein sogenanntes Selbstbestimmungsrecht zu (§ 118 Abs. 2 BetrVG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV). Dieses Recht ermöglicht ihnen, ihre Mitarbeitenden nach deren Weltanschauung auszuwählen und bestimmte Loyalitätsanforderungen zu stellen, die mit ihren weltanschaulichen Grundsätzen vereinbar sein müssen. Allerdings ist dabei stets eine verhältnismäßige Abwägung mit den Grundrechten der Arbeitnehmer vorzunehmen. Bei privatrechtlich organisierten Weltanschauungsgemeinschaften können Einschränkungen dieses Selbstbestimmungsrechts auftreten, insbesondere, wenn keine körperschaftsrechtliche Anerkennung besteht.

Welche Rolle spielen Weltanschauungsgemeinschaften bei Wahlen und politischen Veranstaltungen?

Weltanschauungsgemeinschaften genießen nach Art. 21 und Art. 4 GG die gleichen politischen Rechte wie andere Vereinigungen und können sich am öffentlichen Diskurs beteiligen, politische Forderungen stellen oder ihre Mitglieder zur Wahlteilnahme aufrufen. Sie dürfen allerdings keine politischen Parteien sein oder als solche tätig werden – eine klare Trennung zur parteipolitischen Betätigung ist rechtlich vorgeschrieben. Im Rahmen politischer Veranstaltungen oder Diskurse müssen sie, wie andere Vereinigungen, die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die freiheitlich-demokratische Grundordnung, beachten.