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Wehrstrafgesetz


Begriff und Grundlagen des Wehrstrafgesetzes (WStG)

Das Wehrstrafgesetz (WStG) ist ein zentrales Gesetz des deutschen Militärstrafrechts. Es regelt das materielle Strafrecht, das für Soldaten sowie für andere dem Wehrrecht unterliegende Personen Anwendung findet. Das Wehrstrafgesetz definiert strafbare Handlungen im Besonderen des militärischen Dienstes und ergänzt das allgemeine Strafgesetzbuch (StGB) um speziell auf das Wehrwesen zugeschnittene Straftatbestände. Es ist entscheidendes Mittel zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung innerhalb der Bundeswehr.

Das Wehrstrafgesetz wurde am 30. März 1957 im Rahmen der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland verkündet und zuletzt mehrfach geändert. Es gilt in Verbindung mit anderen wehrrechtlichen Vorschriften, insbesondere dem Wehrpflichtgesetz und dem Soldatengesetz.


Anwendungsbereich des Wehrstrafgesetzes

Persönlicher Geltungsbereich

Das Wehrstrafgesetz findet Anwendung auf:

  • Soldaten der Bundeswehr während des Wehrdienstverhältnisses, unabhängig vom Dienstgrad.
  • Reservisten, soweit sie während einer Wehrübung oder im Rahmen ihrer Pflicht herangezogen werden.
  • Zivile Personen, soweit sie an der Erfüllung von Wehrpflichten beteiligt sind (zum Beispiel bestimmte Wehrpflichtige im Katastrophenschutz).

Die Vorschriften des WStG gelten sowohl im Inland als auch – unter bestimmten Voraussetzungen – im Ausland, etwa bei Auslandseinsätzen.

Sachlicher Geltungsbereich

Das Wehrstrafgesetz kommt bei Straftaten mit besonderem Wehrbezug zur Anwendung. Es findet Anwendung neben dem Strafgesetzbuch; beim Vorliegen eines sogenannten Konkurrenzverhältnisses zwischen den Bestimmungen des Wehrstrafgesetzes und des StGB kommen regelmäßig beide Gesetzeswerke in Betracht, wobei das speziellere Regelwerk den Vorrang genießt (lex specialis).


Systematik des Wehrstrafgesetzes

Das Wehrstrafgesetz gliedert sich in fünf Abschnitte. Es enthält spezifische Straftatbestände, Prozessregelungen und Verweise auf ergänzend anzuwendende Gesetze.

Wesentliche Straftatbestände

Die wichtigsten Straftatbestände des Wehrstrafgesetzes sind insbesondere:

1. Fahnenflucht (§ 16 WStG)

Die Fahnenflucht – das unbefugte Entfernen vom Dienst – stellt eines der schwerwiegendsten Delikte nach dem WStG dar. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren.

2. Ungehorsam (§ 19 WStG)

Ungehorsam bezeichnet die vorsätzliche oder fahrlässige Nichtbefolgung von dienstlichen Weisungen oder Befehlen. Der Strafrahmen sieht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, in schweren Fällen können auch höhere Strafen verhängt werden.

3. Meuterei (§ 27 WStG)

Als Meuterei gilt das gemeinsame, planmäßige Auflehnen mehrerer Soldaten gegen Vorgesetzte, insbesondere durch Gewalt oder Drohung. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen bis zu fünf oder sogar zehn Jahren vor.

4. Missbrauch der Befehlsgewalt (§ 37 WStG)

Der Missbrauch der Befehlsgewalt stellt das widerrechtliche Ausnutzen der militärischen Hierarchie dar und ist mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht.

5. Wehrdienstentziehung (§ 15 WStG)

Personen, die sich ihrer Wehrpflicht vorsätzlich entziehen, können nach den einschlägigen Vorschriften des Wehrstrafgesetzes belangt werden.

Weitere Straftatbestände

Zusätzlich beinhaltet das WStG besondere Tatbestände für eigenmächtige Abwesenheit, eigenmächtige Weitergabe von Dienstgeheimnissen, Befehlsverweigerung, Dienstentziehung, Feindbegünstigung und weitere Verstöße gegen dienstliche Pflichten.


Sanktionen und Rechtsfolgen

Strafarten und Strafzumessung

Das Wehrstrafgesetz sieht die Ahndung von Verstößen in Form von Geldstrafen oder Freiheitsstrafen vor. Die Bemessung der Strafe richtet sich nach Schwere und den Umständen der Tat, wobei die besonderen Belange des militärischen Dienstes und der Verteidigungsbereitschaft einbezogen werden.

Nebenfolgen

Zusätzlich zu den Hauptstrafen können Nebenfolgen wie:

  • Verlust des Dienstgrades,
  • Aberkennung von Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis,
  • Entlassung aus dem Wehrdienst,

verhängt werden. Diese Nebenfolgen wirken sich unmittelbar auf die berufliche und soziale Stellung des betroffen Soldaten aus.


Verfahren und Zuständigkeit

Verfahrensregelungen

Das Verfahren im Wehrstrafrecht orientiert sich grundsätzlich an den Vorgaben der Strafprozessordnung (StPO). Für Ermittlungen und Verfahren sind jedoch spezielle Vorschriften zu beachten, etwa hinsichtlich der Einbindung militärischer Vorgesetzter und Disziplinarvorgesetzter.

Zuständigkeit der Gerichte

Für Straftaten nach dem Wehrstrafgesetz sind grundsätzlich die Truppendienstgerichte (Disziplinarrecht) und die staatlichen Strafgerichte (Strafrecht) zuständig. In Fällen mit Bezug zu Auslandseinsätzen kann die Zuständigkeit der Gerichte abweichend geregelt sein.


Verhältnis zu anderen Gesetzen

Das Wehrstrafgesetz steht im Zusammenspiel mit verschiedenen anderen Normen, insbesondere:

  • Strafgesetzbuch (StGB): Regelt das allgemeine Strafrecht und wird ergänzend angewandt, sofern keine speziellere Regelung des WStG eingreift.
  • Wehrpflichtgesetz: Regelt Pflichten und Rechte der Wehrpflichtigen.
  • Soldatengesetz: Bestimmt Rechte und Pflichten der Soldaten.
  • Wehrdisziplinarordnung: Regelt die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit außerhalb des Strafrechts.

Entwicklung und Reformen des Wehrstrafgesetzes

Seit Inkrafttreten wurde das Wehrstrafgesetz mehrfach novelliert. Anpassungen erfolgen regelmäßig, um das Gesetz an die sich wandelnden Anforderungen der Verteidigung und den gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Insbesondere im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen, internationalen Verpflichtungen und menschenrechtlichen Standards wurden wiederholt Modifikationen vorgenommen.


Bedeutung und Zweck des Wehrstrafgesetzes

Das Wehrstrafgesetz dient als elementare Grundlage für das Funktionieren der Streitkräfte, indem es die Disziplin innerhalb der Truppe sichert und die Erfüllung der Wehrverfassung gewährleistet. Es schützt zugleich militärische Strukturen, legt die Verantwortlichkeit für rechtswidriges Verhalten fest und schafft den rechtlichen Rahmen für die Ahndung von Straftaten im Wehrbereich.


Literatur und weiterführende Vorschriften

  • Wehrstrafgesetz in der jeweils gültigen Fassung
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Soldatengesetz (SG)
  • Wehrpflichtgesetz (WPflG)
  • Wehrdisziplinarordnung (WDO)

Fazit

Das Wehrstrafgesetz stellt ein zentrales Regelwerk für den Bereich des deutschen Wehrrechts dar. Seine Vorschriften sichern die Disziplin und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte, indem sie spezielle Straftatbestände für Soldaten und Wehrpflichtige definieren. Das WStG ist charakterisiert durch die Verbindung des allgemeinen Strafrechts mit den besonderen Erfordernissen des militärischen Dienstes und trägt damit maßgeblich zur Rechtssicherheit und Ordnung innerhalb der Bundeswehr bei.


Häufig gestellte Fragen

Welche Straftaten werden durch das Wehrstrafgesetz erfasst?

Das Wehrstrafgesetz (WStG) regelt spezifisch die strafbaren Handlungen von Soldaten der deutschen Bundeswehr, soweit diese nicht bereits durch das Strafgesetzbuch (StGB) abgedeckt sind. Zu den wichtigsten Tatbeständen des Wehrstrafgesetzes zählen beispielsweise die Fahnenflucht (§ 16 WStG), Ungehorsam (§ 20 WStG), eigenmächtige Abwesenheit (§ 15 WStG) sowie die Misshandlung Untergebener (§ 30 WStG). Das Wehrstrafgesetz enthält darüber hinaus Regelungen zu militärischen Vergehen wie der Befehlsverweigerung, der Störung der militärischen Ordnung und bestimmten Tätigkeitsdelikten, die im militärischen Kontext eine besondere Bedeutung haben. Es findet Anwendung ausschließlich auf Personen, die Dienst in der Bundeswehr leisten. Straftaten, die sowohl im Allgemeinen Strafrecht als auch im Wehrstrafgesetz unter Strafe gestellt sind, werden nach dem Wehrstrafgesetz geahndet, wenn das Delikt einen spezifischen Wehrbezug aufweist.

Wann kommt das Wehrstrafgesetz zur Anwendung und wie wird es von allgemeinem Strafrecht abgegrenzt?

Das Wehrstrafgesetz kommt nur zur Anwendung, wenn eine Tat einen unmittelbaren Bezug zu den Pflichten als Soldat oder zum militärischen Dienst hat. Es gilt ausschließlich für Soldaten der Bundeswehr, sowohl im Grundwehrdienst als auch bei länger dienenden Berufssoldaten. Sobald ein konkreter militärischer- oder dienstrechtlicher Zusammenhang besteht, findet das allgemeine Strafrecht ergänzend Anwendung, sofern es keine abweichende oder speziellere Regelung im WStG gibt. Liegt eine Handlung vor, die sowohl nach dem StGB als auch nach dem WStG strafbar ist, wird gemäß § 1 Abs. 3 WStG in der Regel das Wehrstrafgesetz vorrangig angewandt, es sei denn, es handelt sich um einen Fall, bei dem das StGB eine strengere Regelung bereithält.

Welche Strafen können nach dem Wehrstrafgesetz verhängt werden?

Das Wehrstrafgesetz sieht als Sanktionen insbesondere Freiheitsstrafen und in Ausnahmefällen Geldstrafen (für weniger schwere Vergehen) vor. Daneben besteht die Möglichkeit spezifischer Nebenstrafen und Nebenfolgen, wie beispielsweise die unehrenhafte Entlassung aus der Bundeswehr oder der Verlust von Dienstgrad bzw. Pensionsansprüchen. In besonders schweren Fällen von Wehrstraftaten – etwa bei Hochverrat im militärischen Kontext – sieht das Gesetz empfindliche Freiheitsstrafen und ergänzende Maßregeln vor. Die genaue Strafzumessung richtet sich nach Art und Schwere der Tat sowie der konkreten Gefährdungslage der Bundeswehr oder der militärischen Sicherheit.

Wie ist das Verfahren bei Wehrstrafsachen geregelt?

Das Verfahren bei Wehrstrafsachen wird grundsätzlich nach der Strafprozessordnung (StPO) geführt, wobei Besonderheiten des Wehrdisziplinarrechts zu berücksichtigen sind. Zuständig für Wehrstrafsachen sind spezielle Abteilungen bei den Amts- oder Landgerichten, meistens die sogenannten Wehrstrafkammern. Die Verfolgung von Wehrstraftaten obliegt, wie im zivilen Strafrecht, der Staatsanwaltschaft, wobei zusätzlich die Wehrdisziplinaranwaltschaft als eigene Behörde auftreten kann. Ergänzend kommen dienstrechtliche Disziplinarmaßnahmen in Betracht, die unabhängig vom strafrechtlichen Verfahren verhängt werden können.

Welche Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Strafverfolgung und des Strafvollzugs im Wehrstrafrecht?

Im Wehrstrafrecht gelten einige verfahrensrechtliche Besonderheiten, etwa in Bezug auf die Gleichzeitigkeit von Straf- und Disziplinarverfahren oder die Möglichkeit, einen Strafbefehl im vereinfachten Verfahren zu erlassen. Besonders zu beachten ist, dass der Soldat auch nach einer strafrechtlichen Verurteilung weiterhin disziplinarrechtlich belangt werden kann, beispielsweise durch Degradierung oder Entlassung aus dem Dienstverhältnis. Auch beim Strafvollzug gibt es Besonderheiten, vor allem bei Vollzug und Überwachung von Freiheitsstrafen, die speziell auf die Lebensverhältnisse von Soldaten und die militärische Ordnung Rücksicht nehmen.

Können auch Reservisten und ehemalige Soldaten nach dem Wehrstrafgesetz belangt werden?

Ja, das Wehrstrafgesetz kann unter bestimmten Umständen auch auf Reservisten und ehemalige Soldaten Anwendung finden. Während des aktiven Wehrdienstes sind sämtliche Soldaten dem WStG unterworfen. Reservisten unterliegen dem Wehrstrafgesetz während der Zeit ihrer Wehrübung oder wenn sie in den aktiven Dienst einberufen werden. Auf ehemalige Soldaten kann das Wehrstrafgesetz nur dann noch angewendet werden, wenn die Tat während des Wehrdienstes begangen wurde und eine nachträgliche Verfolgung notwendig ist, etwa um die Rechtseinheit zu wahren oder bestimmte Rechtsgüter der Bundeswehr zu schützen. Hierbei kommen jedoch auch Verjährungsfristen und Rückwirkungsverbote zur Anwendung.