Begriff und Legaldefinition der Wechselverbindlichkeit
Die Wechselverbindlichkeit ist ein zentraler Begriff des Wechselrechts. Sie beschreibt die aus einem Wechsel entstehende rechtliche Verpflichtung einer Person – insbesondere des Ausstellers, Indossanten oder Akzeptanten – zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags an den Wechselinhaber oder an dessen Order. Die genaue Ausgestaltung und Reichweite dieser Verpflichtung ergibt sich aus den Vorschriften des Wechselgesetzes (WG), das in Deutschland auf der Grundlage des Genfer Wechselrechtsübereinkommens vom 7. Juni 1930 erlassen wurde.
Wechselverbindlichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus einem formalisierten Wertpapier, dem Wechsel, entstehen und sowohl strengen Formvorschriften als auch besondere Haftungsgrundsätze unterliegen. Sie sind von anderen schuldrechtlichen Forderungen durch ihre Wechselstrenge, Formstrenge sowie ihre eigene Klagbarkeit und Übertragbarkeit zu unterscheiden.
Systematik der Wechselverbindlichkeit
Wechselbeteiligte und deren Wechselverbindlichkeiten
Im Zusammenhang mit einem Wechsel entstehen ganz unterschiedliche Wechselverbindlichkeiten:
Aussteller (Trassant)
Der Aussteller eines Wechsels, auch Trassant genannt, ist die Person, die den Wechsel ausstellt und damit eine Zahlungsverpflichtung in Bezug auf die angegebene Wechselsumme begründet. Unterschreibt der Aussteller den Wechsel (Art. 1, 2 WG), haftet er für die Zahlung, sofern der Bezogene den Wechsel nicht erfüllt.
Bezogener (Akzeptant)
Der Bezogene, auf den der Wechsel ausgestellt wird, kann den Wechsel durch das sogenannte Akzept annehmen (Art. 28 WG). Nimmt der Bezogene an, wird er Akzeptant und tritt an die Stelle des Hauptschuldners. Mit dem Akzept verpflichtet sich der Bezogene unmittelbar, bei Fälligkeit an den jeweiligen Inhaber zu zahlen.
Indossant
Jede Person, die den Wechsel durch ein Indossament überträgt, verpflichtet sich als Indossant nach Art. 15, 47 WG, neben dem Aussteller und dem Akzeptanten für die Zahlung des Wechselsumme bei Fälligkeit einzustehen.
Avalist
Der Avalist ist ein Bürge im Wechselrecht, der die Verpflichtung eines anderen Wechselverpflichteten durch eine eigene, selbstständige Schuld (Aval) absichert (Art. 31 ff. WG).
Arten der Wechselverbindlichkeit
Wechselverbindlichkeiten lassen sich entsprechend ihrer Entstehung und Rechtsnatur in verschiedene Arten unterteilen:
Primäre Wechselverbindlichkeit
Die primäre Wechselverbindlichkeit trifft den Akzeptanten, sobald er den Wechsel angenommen hat. Er ist Hauptschuldner der Wechselschuld.
Sekundäre Wechselverbindlichkeit
Sekundäre Wechselverbindlichkeiten tragen der Aussteller, die Indossanten sowie eventuelle Avalbürgen. Sie haften als Rückgriffsschuldner für die Zahlung, falls der Akzeptant nicht leistet. Diese Haftung ist grundsätzlich akzessorisch, jedoch von den Einwendungen aus dem Grundverhältnis unabhängig (Wechselstrenge).
Wechselbürgschaft (Aval)
Das Wechselaval stellt eine besondere Form der Wechselverbindlichkeit dar. Durch die Bürgschaft gemäß Art. 31 WG verpflichtet sich der Avalist, die Verpflichtung eines bestimmten Wechselschuldners zu erfüllen, sollte dieser nicht zahlen. Seine Haftung ist mit der des verbürgten Schuldners identisch.
Rechtsnatur und Besonderheiten der Wechselverbindlichkeit
Wechselstrenge und Wechselklage
Wechselverbindlichkeiten unterliegen der Wechselstrenge: Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind weitgehend ausgeschlossen (Art. 17 WG). Dem Wechselinhaber stehen daher besondere, vereinfachte gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeiten zu, wie etwa das Wechselprozessverfahren nach § 602 ff. ZPO. Dadurch genießt die Wechselverbindlichkeit erhebliche Privilegien gegenüber gewöhnlichen Forderungen.
Formvorschriften
Die Begründung einer Wechselverbindlichkeit setzt die Einhaltung zahlreicher gesetzlicher Formvorschriften voraus. Der Wechsel muss insbesondere die Ausstellung, bestimmte Angaben wie die Wechselsumme, Zahlungsort sowie das Fälligkeitsdatum enthalten (Art. 1 WG). Fehlt eine dieser Anforderungen, liegt kein wirksamer Wechsel vor; eine Wechselverbindlichkeit entsteht dann nicht.
Übertragbarkeit und Abstraktionsprinzip
Die Wechselverbindlichkeit ist – anders als gewöhnliche Forderungen – durch Indossament übertragbar (Art. 14 ff. WG). Zudem ist sie abstrakt, das heißt von dem der Ausstellung zugrunde liegenden Schuldverhältnis unabhängig. Einwendungen aus dem Valutaverhältnis lassen die Wirksamkeit der Wechselverbindlichkeit grundsätzlich unberührt.
Haftungsumfang
Jeder Wechselverpflichtete haftet selbstschuldnerisch und unmittelbar im Umfang des Wechselbetrags nebst etwaiger Wechselzinsen, Protestkosten und sonstigen Nebenforderungen (Art. 48 WG). Die Haftung ist regelmäßig gesamtschuldnerisch ausgestaltet; d.h., der Gläubiger kann sich an jeden Verpflichteten halten.
Wechselrückgriff
Kann der Wechsel bei Fälligkeit nicht eingelöst werden (Nichtzahlung durch den Akzeptanten), kann der Inhaber im Wege des Rückgriffs die Wechselverbindlichkeiten von Aussteller, Indossanten oder Avalisten einfordern (Art. 43 ff. WG). Voraussetzung ist in der Regel die fristgerechte Erhebung des Wechselprotestes.
Erlöschen und Sicherung der Wechselverbindlichkeit
Erlöschen
Die Wechselverbindlichkeit erlischt grundsätzlich durch Erfüllung, also Zahlung des Wechselbetrags an den berechtigten Wechselinhaber. Darüber hinaus können auch Aufrechnung, Erlass, Verjährung sowie Rückgabe oder Vernichtung des Wechsels zum Erlöschen führen (Art. 70 ff. WG).
Sicherungsmechanismen
Zur Sicherung der Wechselverbindlichkeit stehen dem Wechselinhaber verschiedene Mittel offen, wie das Recht auf Wechselprotest, der Anspruch auf Verzugszinsen sowie die Durchsetzung im Wechselprozess. Die Abstraktheit erleichtert ihre Sicherheit als Kredit- und Zahlungspapier.
Wechselverbindlichkeit im internationalen Rechtsverkehr
Im grenzüberschreitenden Wechselverkehr sind kollisionsrechtliche Vorschriften zu beachten. Das Wechselgesetz verweist auf das Recht des Landes, in dem die Verpflichtung übernommen wurde (Art. 69 WG). Internationale Abkommen, insbesondere das Genfer Wechselrechtsübereinkommen, harmonisieren grundlegende Regelungen im europäischen Kontext.
Zusammenfassung
Die Wechselverbindlichkeit ist ein eigenständiger, rechtlich hoch strukturierter Verpflichtungstatbestand des modernen Wertpapierrechts. Sie sichert dem Wechselinhaber effektive, weitgehend abstrakte Zahlungsansprüche und nimmt als Sicherungs- und Zahlungsmittel eine bedeutende Rolle im Handelsverkehr ein. Ihre Durchsetzung erfolgt nach streng formalisierten Regeln und genießt im Zivilprozess besondere Privilegien, wodurch sie sich von herkömmlichen Forderungen deutlich abhebt.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist aus einer Wechselverbindlichkeit vorrangig verpflichtet?
Die vorrangige Verpflichtung aus einer Wechselverbindlichkeit trägt grundsätzlich der Hauptschuldner, also der Bezogene, soweit dieser den Wechsel angenommen hat (sog. Akzeptant). Im Falle eines Schecks ist dies der Aussteller. Neben dem Hauptschuldner haften aus dem Wechsel aber sämtliche Indossanten und der Aussteller als Rückgriffsschuldner gesamtschuldnerisch im Sinne der §§ 421 ff. BGB. Der Wechselgläubiger kann frei entscheiden, welchen der Verpflichteten er in Anspruch nimmt, und zwar sogar mehrere gleichzeitig oder nacheinander. Mit Ausnahme des Akzeptanten haben alle Wechselverpflichteten eine Haftung als sogenannte Bürge und Zahler, das bedeutet, dass sie im Falle des Nichterfüllens durch den Hauptschuldner eintreten müssen. Dies stellt eine der rechtlichen Besonderheiten des Wechselrechts dar, da es in Abweichung von allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen eine verstärkte Haftung mehrerer Personen vorsieht.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Wechselgläubiger Rückgriff gegen frühere Indossanten nehmen?
Der Wechselgläubiger kann Rückgriff gegen frühere Indossanten und den Aussteller nur dann nehmen, wenn der Wechsel fristgemäß zur Zahlung vorgelegt wurde und im Fall der Nichtzahlung ein Protest wegen Nichteinlösung (sog. Protesterhebung) erhoben wurde, § 43 WG. Der Wechselgläubiger muss die gesetzlichen Fristen einhalten, da er sonst seine Rückgriffrechte verliert. Die Fristen ergeben sich aus § 29 WG und § 30 WG; danach muss ein Sichtwechsel spätestens am Tag nach dem Verfalltag vorgelegt werden. Die Protesterhebung ist ein Formerfordernis, denn der Protest ist eine öffentliche Beurkundung über die Weigerung der Zahlung oder Annahme durch einen Notar oder ein dazu berechtigtes Amt. Die rechtzeitige Vornahme dieser Handlungen ist unerlässlich, da die Rückgriffsmöglichkeiten sonst entfallen, es sei denn, der Wechsel enthält einen Vermerk „ohne Protest“. In diesem Fall kann der Wechselgläubiger Rückgriff nehmen, auch ohne dass ein Protest erhoben wurde.
Welche besonderen Formerfordernisse sind beim Wechsel im Hinblick auf die Verbindlichkeit einzuhalten?
Das Wechselgesetz (WG) stellt an die Form des Wechsels – und damit an die Wirksamkeit der daraus folgenden Wechselverbindlichkeit – sehr strenge Anforderungen. Dazu zählen insbesondere die Angabe der Bezeichnung „Wechsel“ im Text der Urkunde, die unbedingte Anweisung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, der Name des Zahlungspflichtigen (Bezogener), die Angabe eines Verfalltags, den Zahlungsort, den Namen desjenigen, an den oder auf dessen Order gezahlt werden soll, das Ausstellungsdatum und den Ausstellungsort sowie die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers. Fehlt eines dieser Elemente, ist der Wechsel nicht im Sinne des Wechselgesetzes gültig und eine Wechselverbindlichkeit kann daraus nicht geltend gemacht werden. Ausnahmen sind ausdrücklich im WG geregelt (§ 2 WG und folgende).
Welche Einwendungen kann der Bezogene gegen eine Wechselklage geltend machen?
Gegenüber dem Wechselgläubiger kann der Bezogene (Akzeptant) grundsätzlich nur solche Einwendungen erheben, die sich unmittelbar aus dem Wechselverhältnis selbst ergeben, sogenannte Einwendungen aus dem Wechselverhältnis. Einwendungen, die sich aus dem Deckungsverhältnis oder aus früheren Rechtsverhältnissen zwischen Aussteller und Bezogenem ergeben, sind gegenüber einem gutgläubigen Erwerber des Wechsels in der Regel ausgeschlossen (Abstraktionsprinzip im Wechselrecht). Nur wenn der Erwerber beim Erwerb des Wechsels bösgläubig war oder grob fahrlässig gehandelt hat (zum Beispiel bei erkennbarer fehlender Berechtigung des Indossanten), kann bei dieser Ausnahme auch die persönliche Beziehung ins Spiel gebracht werden („Einwendung aus dem sogenannten persönlichen Verhältnis“). Weiterhin bleiben formelle Einwendungen wie die fehlende Wechselfähigkeit oder Wechselform unberührt.
Was ist der Unterschied zwischen Hauptverbindlichkeit und Rückgriffsverbindlichkeit im Wechselrecht?
Im Wechselrecht wird zwischen der Hauptverbindlichkeit und der Rückgriffsverbindlichkeit unterschieden. Die Hauptverbindlichkeit ist die Verpflichtung des Bezogenen, der den Wechsel akzeptiert hat, zur Zahlung der im Wechsel ausgewiesenen Summe an den Wechselinhaber. Daneben gibt es die Rückgriffsverbindlichkeit sämtlicher Indossanten und des Ausstellers, die einspringen, falls der Bezogene nicht zahlt oder nicht annimmt. Die Rückgriffspflicht kann erst geltend gemacht werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die rechtzeitige Protesterhebung bei Nichtannahme oder Nichtzahlung. Die Rückgriffsschuldner haften meist gesamtschuldnerisch, sodass der Gläubiger auswählen kann, wem er in Anspruch nimmt.
Wann beginnt die Verjährung der Ansprüche aus Wechselverbindlichkeiten?
Die Verjährung der Ansprüche aus Wechselverbindlichkeiten ist im Wechselgesetz detailliert geregelt. Die Klage gegen den Akzeptanten verjährt nach drei Jahren seit dem Verfalltag, § 77 Abs. 1 WG. Die Ansprüche des Wechselinhabers gegen die Indossanten und Aussteller verjähren dagegen in einem Jahr ab dem Protesttag oder, falls der Wechsel mit dem Vermerk „ohne Protest“ versehen wurde, ab dem Tag der Vorlegung. Ansprüche der Rückgriffspflichtigen untereinander verjähren innerhalb von sechs Monaten seit der Befriedigung oder ab dem Tage der Klageerhebung gegen den Rückgriffspflichtigen. Diese Fristen sind zwingend und dienen der schnellen Klarheit und Sicherheit im Wechselverkehr.
Ist es möglich, Wechselverbindlichkeiten vertraglich auszuschließen oder zu beschränken?
Im deutschen Wechselrecht besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Allerdings lässt das Wechselgesetz für die im Wechsel verbrieften Verpflichtungen kaum einen Raum für den Ausschluss oder eine Einschränkung der gesetzlichen Haftungsvorschriften, da das Wechselrecht zahlreiche zivilrechtliche Abweichungen kennt, die den Wechselinhaber besonders schützen sollen. Insbesondere sieht das WG vor, dass jede Klausel, mit der sich jemand im Wechsel von einer gesetzlichen Verpflichtung befreien will, grundsätzlich unwirksam ist (§ 16 WG). Zulässig sind hingegen bestimmte Klauseln wie „ohne Kosten“, „ohne Protest“, die aber lediglich formale Anforderungen betreffen. Ein vollständiger Ausschluss der Wechselverbindlichkeit ist hingegen nur außerhalb der Urkunde, also im Innenverhältnis möglich und hat keine Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten.