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Wechselrückgriff


Begriff und Einführung: Wechselrückgriff

Der Wechselrückgriff ist ein zentraler Begriff des Wechselrechts und bezeichnet das Recht bestimmter Wechselbeteiligter, nach erfolglosem Vorgehen gegen den Zahlungsverpflichteten (Akzeptanten oder Aussteller) Erstattung von Wechselbeträgen von anderen am Wechsel beteiligten Personen zu verlangen. Das Konzept des Wechselrückgriffs schafft im Wechselrecht ein komplexes Netzwerk an Regressansprüchen, welches die Handelbarkeit und Sicherheit von Wechseln im Wirtschaftsverkehr maßgeblich absichert.

Gesetzliche Grundlagen

Regelung im Wechselgesetz

Der Wechselrückgriff ist primär im deutschen Wechselgesetz (WG) geregelt, insbesondere in den §§ 43 bis 56 WG. Diese Vorschriften bestimmen Umfang, Voraussetzungen, Inhalt und Verfahren des Rückgriffs für die am Wechsel beteiligten Personen. Das Wechselgesetz orientiert sich hierbei maßgeblich an internationalen Gepflogenheiten des Wechselrechts, wie sie im Genfer Wechselrecht vorgesehen sind.

Anwendungsbereich

Der Wechselrückgriff wird auf alle Arten von Wechseln angewendet, darunter gezogene Wechsel (Tratten) und eigene Wechsel (Solawechsel). Der Rückgriff kann sowohl bei Hauptforderung als auch bei Nebenforderungen (wie Zinsen, Protestkosten) relevant werden.

Beteiligte am Wechselrückgriff

Der Rückgriffsanspruch kann unterschiedlichen Beteiligten am Wechsel zustehen bzw. gegen sie geltend gemacht werden:

  • Indossanten: Personen, die den Wechsel durch Indossament weitergegeben haben
  • Aussteller: Erstverpflichteter bei Solawechsel
  • Bezogener (Akzeptant): Hauptverpflichteter bei gezogenem Wechsel
  • Avalist: Person, die für einen der Wechselverpflichteten eine Bürgschaft übernommen hat

Voraussetzungen des Wechselrückgriffs

Fälligkeit und Nichtleistung

Der Wechselrückgriff kann grundsätzlich dann ausgeübt werden, wenn der Wechsel zur Zahlung fällig ist und der Zahlungspflichtige (Akzeptant oder Aussteller) die Zahlung verweigert. Eine vorzeitige Ausübung ist zudem möglich, wenn der Bezogene das Akzept verweigert.

Protesterfordernis

Nach dem Wechselgesetz ist die Vornahme eines Protests erforderlich, wenn der Wechsel wegen Nichteinlösung oder Nichtannahme nicht eingelöst wird. Fehlt der Protest, entfällt der Wechselrückgriff gegen die indossierenden Parteien und den Aussteller, sofern dieser den Protest nicht verzichtet hat („protestlos“-Klausel).

Fristen

Zur Wahrung des Wechselrückgriffs sind strenge Fristen einzuhalten. Insbesondere ist das Protestverfahren binnen der gesetzlich vorgeschriebenen Tagesfrist nach der Nichtannahme bzw. Nichteinlösung durchzuführen und den Rückgriff schuldeten Parteien mitzuteilen.

Umfang und Inhalt des Wechselrückgriffs

Der Rückgriff berechtigt den Halter des Wechsels, folgende Beträge von den rückgriffspflichtigen Personen zu fordern:

  • Den nicht bezahlten Wechselbetrag (Nenn- und Zinsbetrag)
  • Gesetzliche oder vertragliche Zinsen (ab Fälligkeit)
  • Protest-, Benachrichtigungs- und sonstige Kosten
  • Eine Rückgriffskommission (prozentualer Betrag, festgelegt durch das Wechselgesetz)

Die Rückgriffspflichtigen haften als Gesamtschuldner, sodass der Berechtigte Wahlfreiheit hinsichtlich des Rückgriffsschuldners besitzt.

Rechtsfolgen: Gesamtschuld, Regress und Gläubigerposition

Die am Rückgriff Beteiligten haften gesamtschuldnerisch (§ 47 WG). Jeder Rückgriffsschuldner im Wechselregress kann im Innenverhältnis wiederum auf Mitverpflichtete zurückgreifen, wodurch eine Kaskade von Regressansprüchen entstehen kann. Die Abtretung und weitere Übertragung des Rückgriffsanspruchs ist möglich, sodass Rechte am Wechsel auch nach einem erfolglosen Rückgriff fortgeführt werden können.

Besondere Fälle des Wechselrückgriffs

Vorzeitiger Rückgriff

Ein vorzeitiger Rückgriff ist im Falle der Annahmeverweigerung oder Zahlungsunfähigkeit des Bezogenen/Akzeptanten zulässig, bevor der Wechsel fällig ist. Der Protest muss hier entsprechend früher erhoben werden.

Wechselrückgriff bei begebener Wechselbürgschaft (Aval)

Auch der Wechselbürge (Avalist) kann im Falle der Inanspruchnahme durch den Gläubiger Rückgriff gegen diejenigen verlangen, für die er gebürgt hat, sofern die Voraussetzungen ansonsten erfüllt sind.

Wiederholung des Rückgriffs

Mehrfache Rückgriffsforderungen sind im Grundsatz möglich, sofern der Wechsel im Umlauf bleibt und der neue Halter weiterhin im Besitz der Originalurkunde ist.

Erlöschen und Verjährung des Wechselrückgriffs

Der Wechselrückgriff und die damit verbundenen Ansprüche unterliegen besonderen Verjährungsvorschriften (§ 77 WG):

  • Wechselrechtliche Ansprüche gegen den Akzeptanten verjähren in drei Jahren ab Fälligkeit
  • Wechselrechtliche Rückgriffsansprüche gegen Indossanten und Aussteller verjähren in einem Jahr ab Protest oder Fälligkeit
  • Rückgriff unter Rückgriffsschuldnern verjährt in sechs Monaten ab der Erfüllung

Wechselrückgriff im internationalen Kontext

Der Wechselrückgriff ist nicht nur im deutschen, sondern auch im internationalen Wechselrecht von zentraler Bedeutung. Die Rechtsgrundlagen hierzu finden sich im Genfer Wechselrecht und in weiten Teilen Europas in gleichlautenden Vorschriften.

Praktische Bedeutung des Wechselrückgriffs

Der Wechselrückgriff stellt einen entscheidenden Mechanismus zur Risikoabsicherung im Wechselverkehr dar. Durch die Möglichkeit des Zugriffs auf sämtliche vormals gewesenen Indossanten und Aussteller wird der Wertpapiercharakter und die Kreditfähigkeit eines Wechsels gestärkt.

Literatur

  • Schimansky/Bunte/Lwowski: Bankrechtshandbuch, 5. Aufl.
  • Canaris: Bankvertragsrecht, 4. Aufl.
  • MüKoHGB/Graf von Westphalen: Wechselgesetz/ Scheckgesetz

Hinweis: Die Ausführungen zum Wechselrückgriff beruhen auf geltendem Recht zum Stand Juni 2024 und beziehen sich auf den Anwendungsbereich des deutschen Wechselrechts, wobei länderspezifische Abweichungen zu berücksichtigen sind.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Wechselrückgriff erfüllt sein?

Für einen Wechselrückgriff müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss feststehen, dass der Inhaber des Wechsels, also der Wechselgläubiger, gegen den Hauptschuldner (in der Regel den Akzeptanten im Falle eines gezogenen Wechsels oder den Bezogenen im Falle eines Eigenwechsels) keine Zahlung erlangen konnte. Dies setzt häufig voraus, dass der Wechsel aufgrund ordnungsgemäßer Vorlage und gegebenenfalls protestiert wurde, sofern der Protest nach den jeweiligen Wechselgesetzen (insbesondere Art. 44 ff. WG) im konkreten Fall erforderlich ist. Weiterhin muss die Rückgriffshandlung innerhalb festgelegter Fristen geltend gemacht werden. Diese Fristen sind je nach Rückgriffsschuldner (Indossant, Aussteller) unterschiedlich geregelt (§§ 45 ff., 75 Wechselgesetz). Ferner müssen alle formalen Anforderungen (korrekte Indossamentkette, Unterschriften etc.) erfüllt sein. Schließlich ist zu beachten, dass der Wechselrückgriff das formelle Wechselrecht betrifft; daneben können zivilrechtliche Ansprüche (z.B. aus dem zugrunde liegenden Geschäftsverhältnis) bestehen, die unabhängig vom Wechselrecht verfolgt werden können.

Was sind die typischen Einwendungen gegen den Wechselrückgriff?

Gegen den Wechselrückgriff können verschiedene Einwendungen erhoben werden. Zunächst kann der Rückgriffsschuldner geltend machen, dass eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Rückgriff nicht erfüllt ist, wie beispielsweise das Fehlen eines notwendigen Protests oder das Überschreiten der Rückgriffsfrist. Typisch sind auch Einwendungen wegen mangelnder Form des Wechsels (z.B. fehlerhafte Indossamentkette, unvollständige oder unrichtige Ausfüllung des Wechsels). Der Rückgriffsschuldner kann ferner den sogenannten „Einwand der Wechselunwirksamkeit“ erheben, wenn etwa der Wechsel gefälscht oder vom Aussteller nicht autorisiert ist. Einwendungen aus dem Grundverhältnis (die sogenannte Einwendungsdurchbrechung des Wechselrechts) sind jedoch grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, der unmittelbare Vertragspartner ist Kläger im Rückgriff.

Welche Fristen gelten für die Geltendmachung eines Wechselrückgriffs?

Im Wechselrecht gelten strikte Fristen, die bei der Geltendmachung des Wechselrückgriffs einzuhalten sind. Die zentrale Frist ist die Vorlegungsfrist zur Zahlung am Fälligkeitstag. Ist der Wechsel nicht eingelöst, muss der Protest in der Regel spätestens am nächsten Werktag nach dem Fälligkeitstag erhoben werden (bei Sichtwechseln/Einlösungsfristen auch nach den jeweiligen Regeln). Für die Rückgriffnahme gegen Indossanten und Aussteller ist eine besondere Verjährungsfrist zu beachten: Nach § 77 WG verjähren die Rückgriffsansprüche gegen Indossanten und Aussteller in sechs Monaten ab dem Tage des rechtzeitig erfolgten Protestes beziehungsweise im Falle eines Sichtwechsels der erfolgten Wechselsicht. Versäumt der Wechselgläubiger diese Fristen, verliert er in der Regel seine Rückgriffsrechte.

Wer haftet im Rahmen des Wechselrückgriffs und in welchem Umfang?

Im Rahmen des Wechselrückgriffs haften neben dem Hauptschuldner (meist Akzeptant beim gezogenen Wechsel) insbesondere sämtliche Indossanten sowie der Aussteller des Wechsels als Gesamtschuldner. Sie sind verpflichtet, dem Wechselgläubiger bei Nichterfüllung der Wechselverbindlichkeit durch den Schuldner die Wechselbeträge, Zinsen sowie gegebenenfalls Protest- und weitere Kosten zu ersetzen. Die Haftung ist akzessorisch zur Wechselforderung, jedoch mit eigener rechtlicher Qualität, da der Rückgriff ein selbständiges Forderungsrecht darstellt. Der Umfang erstreckt sich typischerweise auf den Wechselbetrag zuzüglich gesetzlicher Zinsen und der nachgewiesenen Unkosten (Protestkosten, Benachrichtigungen etc.).

Wie erfolgt die Abwicklung eines Wechselrückgriffs aus praktischer und rechtlicher Sicht?

Die Abwicklung des Wechselrückgriffs beginnt mit der Präsentation des Wechsels zur Zahlung oder Annahme am Fälligkeitstag. Erfolgt die Zahlung nicht, ist gegebenenfalls ein Protest zu erheben. Mit dem Protest oder dem Nachweis der Nichterfüllung (bei protestlosen Wechseln) informiert der Inhaber unverzüglich alle Rückgriffsschuldner. Diese Mitteilung muss fristgerecht erfolgen. Der Wechselinhaber kann dann von jedem in der Indossamentkette Zahlung verlangen. Sobald ein Rückgriffsschuldner gezahlt hat, erhält er gegen die hinter ihm haftenden Personen ein eigenes Rückgriffsrecht, das wiederum an die Einhaltung bestimmter Formalien (Aushändigung des Wechsels mit Protesturkunde und quittierter Rückgriffssumme) gebunden ist. In der Praxis ist dabei besonders auf formgerechte Mitteilungen, die Übergabe von Beweisstücken und die strikte Beachtung der Fristen zu achten.

Kann der Rückgriff auch bei teilweiser Zahlung erfolgen?

Ja, der Wechselrückgriff kann nicht nur bei völliger Nichtzahlung, sondern auch bei einer teilweisen Zahlung geltend gemacht werden. In diesem Fall besteht das Rückgriffsrecht bezüglich des nicht bezahlten Teils der Wechselsumme. Der Wechselinhaber muss auch bezüglich des Teilbetrags die vorgeschriebenen Formalien (z.B. Protest, Benachrichtigung der Rückgriffsschuldner) einhalten und kann entsprechende Teilbeträge sowie anteilige Kosten verlangen. Die praktische Abwicklung erfordert hier sorgfältige Dokumentation und genaue Berechnung der Anteile.

Welche Bedeutung hat die Indossamentkette beim Wechselrückgriff?

Die Indossamentkette spielt eine zentrale Rolle für den Wechselrückgriff. Nur wenn eine lückenlose Kette von Indossamenten vorliegt, kann der jeweilige Inhaber den Rückgriff auf frühere Indossanten bzw. den Aussteller nehmen. Jedes Indossament muss formwirksam erfolgen; fehlerhafte oder nicht ordnungsgemäß ausgeführte Indossamente können den Rückgriff insoweit ausschließen, als die Kette unterbrochen ist. Die sorgfältige Prüfung der Indossamentkette ist daher im Wechselprozess, insbesondere im Falle des Rückgriffs, von großer rechtlicher Bedeutung, weil nur der nachweislich berechtigte Wechselgläubiger die Rückgriffskette beanspruchen kann.