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Wahlverteidiger

Wahlverteidiger: Begriff und Einordnung

Als Wahlverteidiger wird eine rechtliche Vertretung im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren bezeichnet, die von der beschuldigten oder angeklagten Person selbst ausgesucht und beauftragt wird. Das Mandat beruht auf einem freien Vertrag zwischen der vertretenen Person und der berufenen Person. Der Wahlverteidiger übernimmt die prozessuale Vertretung, wahrt Verfahrensrechte und wirkt darauf hin, dass das Verfahren fair, geordnet und unter Beachtung der Verfahrensgarantien geführt wird.

Abgrenzung zum Pflichtverteidiger

Der Pflichtverteidiger wird vom Gericht beigeordnet, wenn gesetzliche Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung vorliegen. Der Wahlverteidiger wird dagegen durch private Beauftragung tätig. Beide vertreten eigenständig und unabhängig. Ein gewählter Verteidiger kann neben einer Beiordnung bestehen oder diese überflüssig machen, wenn eine wirksame Verteidigung bereits gesichert ist. Die prozessualen Befugnisse unterscheiden sich in der Sache nicht; die Unterschiede betreffen vor allem Bestellung, Finanzierung und Beendigung des Mandats.

Bestellung und Mandatsverhältnis

Mandatserteilung und Vollmacht

Die Beauftragung erfolgt durch Mandatsvereinbarung und wird regelmäßig durch eine schriftliche Vollmacht nachgewiesen. Diese Vollmacht ermöglicht Auftritte gegenüber Ermittlungsbehörden und Gerichten, die Entgegennahme von Zustellungen sowie die Wahrnehmung von Verfahrensrechten. In Einzelfällen können Untervollmachten für Vertreter erteilt werden.

Beginn und Umfang der Vertretung

Die Vertretung beginnt mit der Annahme des Mandats. Der Umfang erstreckt sich auf alle Verfahrensabschnitte, in denen Verteidigungshandlungen zulässig sind, von der ersten Kontaktaufnahme mit den Ermittlungsbehörden bis zu Rechtsmitteln. Der genaue Tätigkeitsrahmen kann vertraglich beschrieben werden.

Beendigung und Wechsel

Das Mandat endet durch Kündigung, Mandatsniederlegung oder Verfahrensabschluss. Ein Wechsel des Wahlverteidigers ist grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch den Regeln des geordneten Verfahrensablaufs. Bereits erfolgte Prozesshandlungen bleiben wirksam.

Rechte und Befugnisse des Wahlverteidigers

Akteneinsicht und Informationszugang

Der Wahlverteidiger kann Einsicht in die Verfahrensakten verlangen, um den Sachverhalt und den Verfahrensstand zu erfassen. Die Einsicht erfolgt regelmäßig über die Geschäftsstelle der zuständigen Stelle, in Eilfällen auch in Auszügen oder elektronisch. In bestimmten Konstellationen kann Akteneinsicht vorübergehend eingeschränkt sein, etwa zur Sicherung des Ermittlungszwecks.

Teilnahme an Verfahrenshandlungen

Der Wahlverteidiger darf an wesentlichen Verfahrenshandlungen teilnehmen, insbesondere an Vernehmungen, Durchsuchungen mit Bedeutung für die Verteidigung, der Hauptverhandlung sowie an Terminen im Rechtsmittelverfahren. Dabei kann er Fragen stellen und auf die Einhaltung der Verfahrensordnung hinwirken.

Beweisanträge und Anträge im Verfahren

Der Wahlverteidiger kann Anträge stellen, die auf Aufklärung und faire Durchführung des Verfahrens gerichtet sind. Dazu zählen Anträge auf Beweiserhebung, Verfahrensförderung, vorläufige Einstellung, Aufhebung oder Änderung von Zwangsmaßnahmen sowie Anträge in der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung.

Vertraulichkeit und Verschwiegenheit

Kommunikation zwischen Mandant und Wahlverteidiger unterliegt strengen Verschwiegenheitspflichten. Gespräche und Verteidigungsstrategien sind geschützt. Unterlagen der Verteidigung genießen besonderen Schutz vor staatlichem Zugriff, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist.

Pflichten und Grenzen

Unabhängigkeit und Interessenkonflikte

Der Wahlverteidiger ist unabhängig und allein dem Mandat verpflichtet. Bei Interessenkollisionen, etwa bei gleichzeitiger Vertretung mehrerer Beteiligter mit widerstreitenden Interessen, ist eine Vertretung unzulässig. Ebenso ausgeschlossen ist die Verteidigung, wenn die Person zuvor in derselben Sache in einer unvereinbaren Rolle tätig war.

Verbotene Einflussnahmen und Ordnung der Hauptverhandlung

Unzulässig sind Handlungen, die die Wahrheitsfindung beeinträchtigen oder den geordneten Ablauf stören. Das Gericht kann Ordnungsmittel anordnen, wenn Verhalten gegen die Verfahrensordnung verstößt. Unzulässige Mittel sind ausgeschlossen, gleich in welcher Verfahrenslage.

Mitwirkungspflichten gegenüber dem Gericht

Der Wahlverteidiger hat die prozessuale Form zu wahren, Fristen zu beachten und die Konzentration der Hauptverhandlung zu fördern. Anträge sind so zu stellen, dass eine effiziente Durchführung des Verfahrens ermöglicht wird.

Kosten und Kostentragung

Vergütungsgrundlagen

Die Vergütung des Wahlverteidigers richtet sich entweder nach gesetzlichen Gebühren oder nach einer Honorarvereinbarung. Üblich sind Pauschalen, Zeitvergütung oder Mischformen. Vereinbarungen regeln zudem Auslagen, Spesen und Zahlungsmodalitäten wie Vorschüsse.

Kostenerstattung durch den Staat

Im Falle eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung aus bestimmten Gründen können notwendige Auslagen der Verteidigung ersetzt werden. Erstattet werden in der Regel gesetzliche Gebühren und notwendige Auslagen. Soweit eine individuelle Honorarvereinbarung über den gesetzlichen Rahmen hinausgeht, kann eine Differenz verbleiben.

Auslagen und Nebenkosten

Neben der Grundvergütung fallen häufig Auslagen an, etwa für Aktenversand, Kopien, Reisen oder Sachverständigenbeauftragung im Rahmen der Verteidigung. Die Erstattungsfähigkeit richtet sich nach Notwendigkeit und dem Ausgang des Verfahrens.

Zusammenspiel mit mehreren Verteidigern

Mehrfachverteidigung

Mehrere Wahlverteidiger können gleichzeitig auftreten. Das Gericht kann die Zahl der Verteidiger begrenzen, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten. Innerhalb des Verteidigerteams ist eine klare Aufgabenverteilung üblich.

Verteidigerwechsel und Beiordnung

Erfolgt ein Wechsel vom Pflichtverteidiger zum Wahlverteidiger oder umgekehrt, werden Bestellung und Beiordnung entsprechend angepasst. Ziel ist die Sicherung einer kontinuierlichen, wirksamen Verteidigung ohne Verzögerungen des Verfahrens.

Wahlverteidiger in verschiedenen Verfahrensstadien

Ermittlungsverfahren

Bereits im Ermittlungsverfahren nimmt der Wahlverteidiger Einfluss auf die Wahrung von Verfahrensrechten, begleitet Vernehmungen, prüft Zwangsmaßnahmen und beantragt Beweiserhebungen. Akteneinsicht ermöglicht eine frühe Einordnung der Beweislage.

Zwischen- und Hauptverfahren

Im Zwischenverfahren prüft der Wahlverteidiger die Zulassung zur Hauptverhandlung und erhebt verfahrensbezogene Einwendungen. In der Hauptverhandlung stellt er Anträge, wirkt an der Beweisaufnahme mit, hält Sach- und Rechtsausführungen und achtet auf die Einhaltung der Verfahrensordnung.

Rechtsmittelverfahren

Im Rechtsmittelzug wahrt der Wahlverteidiger Fristen und Formvorschriften, begründet Rechtsmittel und greift tatsächliche oder rechtliche Mängel des Urteils an. Er kann neue rechtliche Gesichtspunkte einführen und Verfahrensverstöße rügen.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet den Wahlverteidiger vom Pflichtverteidiger?

Der Wahlverteidiger wird privat beauftragt, während der Pflichtverteidiger vom Gericht beigeordnet wird, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. In der Sache verfügen beide über vergleichbare prozessuale Befugnisse; Unterschiede bestehen in Bestellung, Finanzierung und Beendigung des Mandats.

Kann eine beschuldigte Person den Wahlverteidiger frei auswählen?

Die Auswahl ist grundsätzlich frei. Ausnahmen bestehen bei Interessenkollisionen, Unvereinbarkeiten oder wenn gesetzliche Ausschlussgründe vorliegen, etwa nach vorheriger Tätigkeit in einer unvereinbaren Rolle.

Wer trägt die Kosten des Wahlverteidigers?

Grundsätzlich trägt die mandatsgebende Person die vereinbarte Vergütung und Auslagen. Bei Freispruch oder bestimmten Einstellungen können notwendige Auslagen erstattungsfähig sein, meist in Höhe der gesetzlichen Gebühren.

Ist der Wechsel des Wahlverteidigers im laufenden Verfahren möglich?

Ein Wechsel ist möglich, muss aber den geordneten Verfahrensablauf wahren. Bereits erfolgte Prozesshandlungen bleiben gültig. Das Gericht kann Maßnahmen zur Sicherung des Fortgangs treffen.

Dürfen mehrere Wahlverteidiger gleichzeitig auftreten?

Mehrere Wahlverteidiger können gemeinsam tätig sein. Zur Gewährleistung der Verfahrensökonomie kann das Gericht die Anzahl begrenzen.

Erhält der Wahlverteidiger Akteneinsicht?

Der Wahlverteidiger kann Akteneinsicht beantragen. Einschränkungen sind zulässig, wenn sie zur Sicherung des Ermittlungszwecks erforderlich sind; sie sind regelmäßig zeitlich begrenzt.

Wird ein vereinbartes Honorar bei Freispruch vollständig erstattet?

Erstattet werden in der Regel die notwendigen Auslagen nach gesetzlichen Maßstäben. Soweit eine Honorarvereinbarung darüber hinausgeht, kann eine Differenz verbleiben.

Gilt die Wahlverteidigung auch in Bußgeldverfahren?

Ja, eine Wahlverteidigung ist auch in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten möglich. Die Befugnisse orientieren sich an den dort geltenden Verfahrensregeln.