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Wählerbestechung

Begriff und Grundzüge der Wählerbestechung

Wählerbestechung bezeichnet die unzulässige Einflussnahme auf die Stimmabgabe bei Wahlen oder Abstimmungen durch das Anbieten, Versprechen, Gewähren, Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils. Ziel ist es, eine Person dazu zu bewegen, in einem bestimmten Sinn zu wählen, gar nicht zu wählen oder die Stimme ungültig abzugeben. Erfasst sind sowohl das Handeln derjenigen, die Vorteile gewähren (aktive Wählerbestechung), als auch das Verhalten derjenigen, die Vorteile fordern oder annehmen (passive Wählerbestechung).

Rechtsgut und Schutzzweck

Geschützt werden die Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Vertrauen in die Integrität demokratischer Entscheidungsprozesse. Wahlen und Abstimmungen sollen ohne Druck, unzulässige Anreize oder Abhängigkeiten stattfinden. Wählerbestechung wird deshalb im Strafrecht vieler Staaten als eigenständiges Delikt behandelt.

Synonyme und Abgrenzungen

Umgangssprachlich wird häufig von „Stimmenkauf” oder „Stimmenverkauf” gesprochen. Davon abzugrenzen ist die Einflussnahme auf Amtsträger oder Mandatsträger, die anderen Regeln unterliegt. Ebenfalls abzugrenzen sind zulässige Wahlwerbung und politische Kommunikation, solange kein unzulässiger Vorteil in Aussicht gestellt oder gewährt wird.

Tatbestandsmerkmale

Tathandlungen

Erfasst sind typischerweise die folgenden Verhaltensweisen:

  • Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils, um die Stimmabgabe zu beeinflussen (aktive Seite)
  • Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils als Gegenleistung für eine bestimmte Stimmabgabe, Stimmenthaltung oder ungültige Stimmabgabe (passive Seite)

Die Vereinbarung einer Gegenleistung reicht aus; es muss nicht zum tatsächlichen Vorteilsempfang oder zur Stimmabgabe kommen.

Vorteil

Als Vorteil gilt jede Zuwendung materieller oder immaterieller Art, auf die kein rechtlich gesicherter Anspruch besteht. Dazu zählen Geld, Geschenke, Gutscheine, Dienstleistungen, Rabatte, Einladungen, berufliche oder sonstige persönliche Vorteile sowie Vergünstigungen für Dritte. Entscheidend ist die Verknüpfung mit der Stimmabgabe.

Zielrichtung der Einflussnahme

Die Einflussnahme kann darauf gerichtet sein, für oder gegen eine bestimmte Liste, Partei, Kandidatin oder einen Kandidaten zu stimmen, überhaupt nicht zu wählen oder die Stimme ungültig abzugeben. Auch die Beeinflussung der Briefwahl ist umfasst.

Subjektive Seite

Erforderlich ist zumindest das Wissen und Wollen, durch einen Vorteil auf die Stimmabgabe einzuwirken oder einen Vorteil hierfür zu fordern oder anzunehmen. Zufällige Zuwendungen ohne Bezug zur Wahlhandlung fallen nicht darunter.

Beteiligungsformen und Mittäter

Neben unmittelbaren Zuwendungen sind das Einschalten von Dritten, das Agieren über Mittelsleute oder das kollektive Organisieren von Vorteilen erfasst. Mitwirkungshandlungen wie Anstiftung oder Unterstützung können rechtlich eigenständig bewertet werden.

Anwendungsbereich

Arten von Wahlen und Abstimmungen

Wählerbestechung betrifft öffentliche Wahlen und Abstimmungen, etwa kommunale, regionale, nationale oder europäische Wahlen sowie plebiszitäre Verfahren. In vielen Rechtsordnungen werden auch Volksentscheide und Bürgerbegehren erfasst. Interne Abstimmungen privater Vereinigungen unterliegen dagegen eigenen Regeln, sofern sie nicht öffentlich-rechtlich organisiert sind.

Zeitlicher Rahmen

Unzulässige Einflussnahmen sind nicht erst am Wahltag relevant. Bereits weit vor einer Wahl begangene Handlungen können erfasst sein, wenn sie auf die spätere Stimmabgabe zielen. Auch nachträgliche Belohnungen für eine bereits abgegebene Stimme fallen darunter, sofern die Gegenleistung zuvor in Aussicht gestellt war.

Besondere Konstellationen

Die Regeln gelten unabhängig davon, ob die Stimmabgabe im Wahllokal oder per Briefwahl erfolgt. Digitale Ausprägungen wie Gutscheincodes, Guthabenkarten, digitale Währungen oder über soziale Medien organisierte Vorteile sind ebenso erfasst, wenn ein Bezug zur Stimmabgabe besteht.

Abgrenzung zu zulässiger Wahlwerbung

Informations- und Werbemaßnahmen

Zulässig ist die sachliche Information über Programme, Veranstaltungen und Kandidaturen sowie die Verteilung von typischen Werbematerialien ohne wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Wert und ohne Gegenleistungsabrede. Entscheidend ist, dass keine Kopplung an das Wahlverhalten besteht.

Spenden, Veranstaltungen, Sachleistungen

Spenden an Parteien oder Wahlvorschläge unterliegen eigenständigen Finanzierungsregeln. Veranstaltungen, Verpflegung oder Fahrtkostenerstattungen können je nach Ausgestaltung zulässig sein, solange sie nicht an eine bestimmte Stimmabgabe gekoppelt werden. Maßgeblich sind Transparenz, Gleichbehandlung und der fehlende Austauschcharakter.

Grenzfälle

Problematisch sind Zuwendungen, die unmittelbar vor Wahlen gewährt werden oder gezielt einzelne Wählergruppen adressieren und von einer bestimmten Stimmabgabe abhängig gemacht werden. Auch vermeintlich allgemeine Rabatte können unzulässig sein, wenn sie nur gegen Nachweis einer bestimmten Wahlentscheidung vorgesehen sind.

Rechtsfolgen

Strafrechtliche Konsequenzen

Wählerbestechung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Die konkrete Sanktion hängt unter anderem von Art und Höhe des Vorteils, dem Umfang der Beeinflussung, der Zahl der Betroffenen sowie von Vorbelastungen und Tatbeiträgen ab. Beteiligungsformen können eigenständig bewertet werden.

Wahlrechtliche Folgen

Unzulässige Einflussnahmen können die Gültigkeit einer Wahl oder Abstimmung berühren. Je nach Intensität und Reichweite kommen wahlrechtliche Überprüfungen bis hin zu Anfechtung oder Wiederholung in Betracht. In bestimmten Konstellationen können auch Mandate betroffen sein.

Weitere Konsequenzen

Neben rechtlichen Sanktionen drohen erhebliche Reputationsschäden. Parteien, Wahlvorschläge oder Initiativen können interne Maßnahmen ergreifen. Institutionen und Organisationen entwickeln oft Präventions- und Compliance-Strukturen, um Risiken zu minimieren und transparente Abläufe sicherzustellen.

Beweis und Verfahren

Beweisschwierigkeiten

Die geheime Wahl erschwert den Nachweis. Übliche Beweismittel sind Kommunikationsverläufe, Zahlungsnachweise, Zeugenangaben, sich wiederholende Muster, digitale Spuren oder aufgefundene Vorteilslagen. Das Fehlen eines unmittelbaren Nachweises der Stimmabgabe schließt die Aufklärung nicht aus, wenn belastbare Indizienketten bestehen.

Ermittlungs- und Verfahrensaspekte

Wählerbestechung wird in der Regel von Amts wegen verfolgt. Ermittlungen können sich gegen Gewährende und Empfangende richten. Auch Organisationen, die systematisch Vorteile bereitstellen, geraten in den Fokus. Verfahren berücksichtigen sowohl individuelle Tathandlungen als auch Strukturen und Abläufe.

Internationale Perspektive

Gemeinsame Grundlinien

In den meisten Demokratien ist Wählerbestechung strafbar. Gemeinsam ist die Ausrichtung auf den Schutz freier, gleicher und geheimer Wahlen sowie die Erfassung sowohl der aktiven als auch der passiven Seite.

Unterschiede nach Rechtsordnungen

Unterschiede betreffen etwa den erfassten Kreis von Abstimmungen, die Definition des Vorteils, den Umgang mit Bagatellen, die Strafrahmen, die Behandlung des Versuchs und die wahlrechtlichen Folgen. Auch der Umgang mit digitalen Zuwendungen und gruppenspezifischen Anreizen variiert.

Beispiele aus der Praxis

Typische Muster

Typische Konstellationen sind zielgerichtete Zuwendungen an einzelne Wähler oder Gruppen mit ausdrücklicher oder konkludenter Kopplung an die Stimmabgabe. Die Einflussnahme kann direkt, über Mittelsleute oder digital erfolgen.

Gutscheine oder Warenverteilungen mit Wahlbezug

Die Ausgabe von Gutscheinen, Warengutscheinen oder wertigen Geschenken unter der Bedingung oder in Erwartung einer bestimmten Stimmabgabe stellt eine typische Form dar.

Versprechen persönlicher Vorteile

In Aussicht gestellte Arbeitsplätze, Beförderungen, Mietvorteile oder sonstige persönliche Vergünstigungen im Austausch für eine Stimme sind klassische Fälle.

Bezahlung für Nichtwahl

Zahlungen oder Vorteile dafür, nicht zur Wahl zu gehen oder den Stimmzettel absichtlich ungültig zu machen, sind ebenfalls erfasst.

Häufig gestellte Fragen

Was gilt rechtlich als Wählerbestechung?

Erfasst ist die unzulässige Einflussnahme auf die Stimmabgabe durch das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils sowie das Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils als Gegenleistung für eine bestimmte Wahlhandlung. Maßgeblich ist die Verknüpfung zwischen Vorteil und Stimmverhalten.

Sind bereits das Anbieten oder Versprechen eines Vorteils erfasst?

Ja. In der Regel reicht das bloße Anbieten oder Versprechen eines Vorteils mit Bezug auf die Stimmabgabe aus, ohne dass der Vorteil tatsächlich fließen oder die Stimme abgegeben worden sein muss.

Welche Art von Vorteilen kann erfasst sein?

Jede Zuwendung materieller oder immaterieller Art ohne bestehenden Rechtsanspruch, etwa Geld, Sachgeschenke, Gutscheine, Dienstleistungen, Einladungen, Rabatte oder persönliche Gefälligkeiten. Entscheidend ist der Kopplungscharakter zur Stimmabgabe.

Ist die Beeinflussung zur Stimmenthaltung oder ungültigen Stimmabgabe umfasst?

Ja. Erfasst ist nicht nur die Einflussnahme zugunsten einer bestimmten Option, sondern auch das Bezahlen für das Fernbleiben von der Wahl oder für die ungültige Stimmabgabe.

Gilt das auch für Bürgerentscheide und ähnliche Abstimmungen?

In vielen Rechtsordnungen werden neben Wahlen auch öffentliche Abstimmungen wie Volks- und Bürgerentscheide erfasst. Maßgeblich ist, dass es sich um ein Verfahren der öffentlichen Willensbildung handelt.

Welche Folgen kann Wählerbestechung haben?

Mögliche Folgen sind Geldstrafe oder Freiheitsstrafe sowie wahlrechtliche Konsequenzen bis hin zur Überprüfung oder Anfechtung von Wahlergebnissen. Hinzu kommen reputationsbezogene Auswirkungen.

Wie wird Wählerbestechung nachgewiesen?

Der Nachweis erfolgt regelmäßig über Indizien und Belege wie Zahlungsflüsse, Nachrichten, Zeugenaussagen oder auffällige Muster. Die geheime Wahl steht einer Aufklärung nicht entgegen, wenn sich eine tragfähige Beweiskette ergibt.

Wo verläuft die Grenze zu erlaubter Wahlwerbung?

Zulässig sind sachliche Information und übliche Werbung ohne nennenswerten wirtschaftlichen Wert und ohne Kopplung an die Stimmabgabe. Unzulässig ist die Vereinbarung oder Erwartung eines Vorteils als Gegenleistung für ein bestimmtes Wahlverhalten.