Begriff und rechtliche Einordnung der Vorzugsaktie
Die Vorzugsaktie ist eine Sonderform der Aktie, die einem Inhaber besondere Rechte gewährt, welche im Gegensatz zu den Rechten der Stammaktie stehen können. Im deutschen Aktienrecht ist die Vorzugsaktie insbesondere in den §§ 11 und 139 ff. des Aktiengesetzes (AktG) normiert. Vorzugsaktien werden häufig zur Kapitalbeschaffung eingesetzt und stellen ein wichtiges Instrument bei der Gestaltung der Aktionärsstruktur von Aktiengesellschaften dar.
Merkmale und Abgrenzung der Vorzugsaktie
Gesetzliche Grundlagen
Das deutsche Aktiengesetz unterscheidet zwischen Stammaktien und Vorzugsaktien. Vorzugsaktien werden gemäß § 139 AktG dadurch charakterisiert, dass sie mit einem Vorzug bezüglich des Gewinnbezugs (Dividende) oder bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Fall der Liquidation ausgestattet werden können. Im Gegenzug kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden (§ 140 AktG).
Unterschied zur Stammaktie
Anders als Stammaktien können Vorzugsaktien mit eingeschränkten Mitgliedschaftsrechten ausgestattet sein. Vorzugsaktien können beispielsweise kein Stimmrecht besitzen, wobei der Gesetzgeber jedoch bestimmte Ausnahmen vorsieht. Stammaktien gewähren dem Inhaber ein vollständiges Bündel an Rechten, insbesondere das Stimmrecht in der Hauptversammlung (§ 12 AktG), während Vorzugsaktien einen Schwerpunkt auf Vermögensrechte setzen.
Arten der Vorzugsaktie
Stimmrechtslose Vorzugsaktie
Am häufigsten tritt in der Praxis die stimmrechtslose Vorzugsaktie auf. Gemäß § 140 Abs. 1 AktG kann das Stimmrecht – mit Ausnahme besonderer Fälle – ausgeschlossen werden. Im Austausch für das fehlende Stimmrecht erhält der Aktionär eine bevorzugte Dividende (sogenannter „Vorzugsdividende“).
Rückfall des Stimmrechts
In bestimmten Situationen erlangen auch Stimmrechtslose Vorzugsaktionäre ein Stimmrecht. Nach § 140 Abs. 2 AktG lebt das Stimmrecht wieder auf, wenn die Gesellschaft die Vorzugsdividende nicht oder nicht vollständig auszahlt. Dieses Stimmrecht bleibt erhalten, bis der Rückstand ausgeglichen wurde.
Nichtstimmrechtslose Vorzugsaktie
Es ist möglich, Vorzugsaktien mit Stimmrechten auszugeben. In diesem Fall bleibt die Vorteilhaftigkeit für den Aktionär in höheren oder gesicherten Dividendenansprüchen beziehungsweise sonstigen Vorzügen bestehen. Eine Einschränkung des Stimmrechts ist hierbei nicht vorgesehen.
Rechte und Pflichten des Vorzugsaktionärs
Gewinn- und Liquidationsvorrechte
Der Inhaber von Vorzugsaktien kann gemäß Gesellschaftsvertrag oder Satzung beispielsweise ein Recht auf bevorzugte oder erhöhte Gewinnbeteiligung besitzen. Trotz des Vorzugs bei Gewinnverteilung kann das Stimmrecht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Gleiches gilt für die Beteiligung am Liquidationserlös im Falle der Auflösung der Gesellschaft (§ 139 AktG).
Mindestdividende und Nachzahlungsansprüche
Vorzugsaktionäre können einen Anspruch auf Mindestdividenden haben. Nicht oder nicht vollständig gezahlte Dividenden können in der Regel kumulativ nachgezahlt werden. Dies ist insbesondere für den Gläubigerschutz und bei der Risikoabwägung seitens der Vorzugsaktionäre relevant.
Emission und Handel von Vorzugsaktien
Ausgabe und Satzungsregelung
Vorzugsaktien können von einer Aktiengesellschaft nur dann ausgegeben werden, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist und die nach § 182 ff. AktG erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere Beschlüsse der Hauptversammlung, vorliegen. Die Ausgabe erfordert in der Regel eine qualifizierte Mehrheit.
Börsenhandel und Handelbarkeit
Vorzugsaktien werden wie Stammaktien an Wertpapierbörsen gehandelt, sofern sie zum Börsenhandel zugelassen sind. Sie sind grundsätzlich frei übertragbar (§ 68 AktG), sofern die Satzung keine abweichenden Bestimmungen trifft.
Beschränkungen und Schutzvorschriften
Maximale Emissionsquote
Das Aktiengesetz beschränkt die Emission stimmrechtsloser Vorzugsaktien auf maximal 50 Prozent des Grundkapitals (§ 139 Abs. 2 AktG). Zweck dieser Begrenzung ist der Schutz der Mitspracherechte der Aktionärsgemeinschaft.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Vorzugsaktionäre sind grundsätzlich Teil der Hauptversammlung und unterliegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG. Ihnen dürfen keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen. Im Falle einer Verschmelzung, Spaltung oder eines Formwechsels stehen auch den Vorzugsaktionären besondere Mitspracherechte und Schutzmechanismen zu.
Steuerliche Aspekte der Vorzugsaktie
Vorzugsdividenden unterliegen grundsätzlich denselben steuerlichen Regelungen wie die Dividenden aus Stammaktien. Steuerrechtlich werden Vorzugsaktien daher nicht gesondert behandelt, sofern keine atypischen Vertragsgestaltungen vorliegen.
Internationale Regelungen
Auch in anderen Staaten existieren Vorzugsaktien, häufig unter der Bezeichnung „preferred shares“ (englischsprachiger Raum) oder „actions de préférence“ (französischsprachiger Raum). Die rechtlichen Ausgestaltungen unterscheiden sich jedoch teils erheblich, insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung von Stimmrechten und Gewinnansprüchen.
Fazit
Die Vorzugsaktie ist ein bedeutendes Instrument der Unternehmensfinanzierung in Aktiengesellschaften und bietet insbesondere für kapitalmarktorientierte Gesellschaften vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleisten sowohl die Schutzbedürftigkeit der Aktionärsstruktur als auch die Rechtssicherheit aller Beteiligten. Die Beachtung der satzungsrechtlichen sowie gesetzlichen Vorgaben ist von zentraler Bedeutung für die rechtmäßige Emission und Behandlung von Vorzugsaktien.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Besonderheiten gelten für die Ausgabe von Vorzugsaktien?
Die Ausgabe von Vorzugsaktien unterliegt in Deutschland den eindeutigen Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG), insbesondere §§ 139 ff. AktG. Im rechtlichen Kontext ist besonders zu beachten, dass Vorzugsaktien einem starren rechtlichen Rahmen unterliegen: Die Gesellschaft muss im Rahmen ihrer Satzung ausdrücklich vorsehen, dass Vorzugsaktien ausgegeben werden dürfen, und festlegen, welche konkreten Vorzugsrechte (insbesondere beim Dividendenbezug oder beim Stimmrecht) eingeräumt werden. Vorzugsaktien, die mit einem Stimmrechtsausschluss verbunden sind, dürfen zudem den Gesamtbetrag des Grundkapitals nicht über die Hälfte hinaus überschreiten, § 140 Abs. 2 AktG. Bei der Neuausgabe sowie Umwandlung oder Einziehung von Vorzugsaktien sind aktienrechtliche Beschlussfassungen durch die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich. Zusätzlich haben Vorzugsaktionäre unter gewissen Umständen gesetzlich garantierte Sonderrechte, wie etwa das Nachholen entzogener Dividenden oder ein vorübergehendes Stimmrecht bei Dividendenrückständen. Die Einhaltung dieser und weiterer gesellschaftsrechtlicher Vorschriften ist zwingend, andernfalls droht Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Kapitalmaßnahmenbeschlusses.
Wie werden die Rechte und Pflichten von Vorzugsaktionären rechtlich ausgestaltet?
Die konkreten Rechte und Pflichten der Vorzugsaktionäre werden in der Satzung der Aktiengesellschaft geregelt und müssen eindeutig formuliert sein. Sie umfassen insbesondere das Vorrecht auf Gewinnausschüttung, häufig unter Ausschluss des Stimmrechts (§ 140 AktG). Satzungsmäßig kann auch weitere Modifikationen an den Aktionärsrechten festgelegt werden, wie beispielsweise ein Dividendenvorrecht für mehrere Jahre oder eine kumulierte Nachzahlung im Fall von ausgefallenen Dividenden. Das Gesetz schreibt vor, dass der Umfang und die Ausgestaltung des Vorzugs (z. B. absolute Höhe oder prozentuale Beteiligung an der Dividende) klar und unmissverständlich sind. Ebenso ist geregelt, dass unterbleibende Vorzüge, wie etwa eine nicht gezahlte Vorzugsdividende, in bestimmten Fällen zum temporären Wiederaufleben des Stimmrechts für betroffene Aktien führen, was insbesondere die Hauptversammlungsbeschlüsse beeinflussen kann. Paragraph 139 AktG regelt dabei, dass sämtliche Vorzugsrechte umfassend dokumentiert sein müssen und für sämtliche Anteile einer Gattung gleichlauend zu gewähren sind.
Gibt es spezielle Zustimmungserfordernisse für Beschlüsse, die Vorzugsaktionäre betreffen?
Ja, das Aktiengesetz enthält spezielle Schutzmechanismen für Vorzugsaktionäre. Nach § 141 Abs. 1 Satz 2 AktG bedürfen Beschlüsse, die die besonderen Rechte der Vorzugsaktionäre beeinträchtigen, einer zusätzlichen Zustimmung der betroffenen Aktionärsgruppe in einer Sonderversammlung. Diese Sonderversammlung muss nach den Vorschriften über Hauptversammlungen einberufen werden, und es gelten die gleichen Mehrheitserfordernisse wie für Satzungsänderungen (§ 179 Abs. 2 AktG), d. h. eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der betroffenen Gattung. Neben satzungsändernden Beschlüssen sind hiervon insbesondere Maßnahmen wie Kapitalherabsetzungen, Umwandlungen, Verschmelzungen oder Aufhebungen von Vorzugsrechten umfasst.
Welche Rolle spielen Vorzugsaktien im Insolvenzfall der Gesellschaft aus rechtlicher Sicht?
Im Insolvenzfall der Aktiengesellschaft werden Vorzugsaktionäre grundsätzlich wie Stammaktionäre behandelt, d. h. sie stehen gemeinsam mit anderen Aktionären im Rang hinter den Gläubigern und haben lediglich einen Anspruch auf den etwa verbleibenden Liquidationserlös nach vollständiger Gläubigerbefriedigung (§ 199 AktG). Die in der Satzung festgelegten Vorrechte, z. B. Dividendenvorrechte, entfallen in der Regel im Insolvenzverfahren, da die gesetzlichen Regelungen des Insolvenzrechts hier vorgreifen. Es ist den Gesellschaften jedoch grundsätzlich möglich, durch Satzung explizite Liquidationsvorrechte für Vorzugsaktionäre vorzusehen (Liquidationspräferenz), jedoch findet sich dies in der Praxis selten und muss klar und explizit geregelt sein. Ansonsten regelt die Insolvenzordnung (InsO), dass sämtliche Aktionäre – unabhängig von ihrer Aktienklasse – nachrangig behandelt werden.
Wie ist der rechtliche Rahmen für die Wandlung oder Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien?
Für die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien ist ein satzungsändernder Beschluss der Hauptversammlung notwendig (§§ 179, 182 ff. AktG), da sich hierdurch die Rechte einer Aktiengattung grundlegend ändern. Darüber hinaus ist grundsätzlich die Zustimmung der betroffenen Vorzugsaktionäre in gesonderter Abstimmung (Sonderversammlung gemäß § 141 AktG) einzuholen. Der Beschluss muss im Handelsregister eingetragen werden, erst mit der Eintragung wird die Umwandlung rechtswirksam. Im Umtauschverhältnis ist darauf zu achten, dass die Umtauschmodalitäten klar definiert, gleichheitsgerecht und transparent ausgestaltet sind. Die Prospektpflichten nach Wertpapierprospektgesetz (WpPG) können je nach Umfang der Umwandlung zusätzlich greifen.
Welche rechtlichen Informations- und Meldepflichten bestehen bei der Ausgabe von Vorzugsaktien?
Die Gesellschaft ist verpflichtet, bei der Ausgabe von Vorzugsaktien umfassend zu informieren. Dies gilt insbesondere im Rahmen der Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), wenn die Vorzugsaktien öffentlich angeboten oder in den Handel an einer Börse einbezogen werden sollen. Im Wertpapierprospekt sind die Rechte und Bedingungen der Vorzugsaktien sowie alle etwaigen Besonderheiten ausführlich darzustellen. Darüber hinaus müssen relevante Mitteilungen (z. B. Dividendenrückstände, erstmalige Wiedererlangung eines Stimmrechts) als Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht werden, sofern sie kursrelevant sind (Art. 17 MAR). Im Handelsregister sind Änderungen betreffend die Ausgabe, Umwandlung oder Einziehung von Vorzugsaktien einzutragen.
Welche Haftungsregelungen bestehen für die Organe hinsichtlich der Behandlung von Vorzugsaktien?
Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft haften gemäß § 93 Abs. 2 AktG gesamtschuldnerisch für Schäden, die der Gesellschaft oder den Aktionären durch Pflichtverletzungen entstehen. Die Nichtbeachtung satzungsmäßiger Rechte von Vorzugsaktionären kann zu Schadensersatzansprüchen der betroffenen Aktionäre führen, insbesondere wenn beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebenen Sonderversammlungen unterbleiben oder die Vorzugsrechte missachtet werden. Auch das nicht ordnungsgemäße Management von Dividendenrückständen oder Stimmrechtswiederaufleben kann eine Pflichtverletzung darstellen. In gravierenden Fällen kann dies zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse führen. Die Gesellschaft selbst muss daher umfassend auf die aktienrechtliche Gleichbehandlung und Interessenswahrung der Vorzugsaktionäre achten.