Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Vortäuschen einer Straftat

Vortäuschen einer Straftat

Vortäuschen einer Straftat: Begriff, Bedeutung und rechtlicher Rahmen

Das Vortäuschen einer Straftat bezeichnet das bewusste Erwecken des Eindrucks, eine Straftat sei begangen worden, obwohl dies nicht der Fall ist. Es geht um das Hervorrufen oder Nahelegen eines falschen Verdachtsgeschehens, das typischerweise staatliche Ermittlungen auslösen kann. Gemeint ist sowohl das Auftreten als vermeintliches Opfer (zum Beispiel eine fingierte Einbruchsmeldung) als auch das Schildern einer angeblich begangenen Tat ohne realen Hintergrund (etwa das Angeben eines erfundenen Raubüberfalls). Das Schutzinteresse liegt in der Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung: Falsche Hinweise binden Ressourcen, verfälschen Spurenlagen und können Unbeteiligte belasten.

Tatbestandliche Voraussetzungen

Tathandlung

Erfasst sind Handlungen, die den Anschein einer strafbaren Handlung erzeugen. Dazu zählen insbesondere:
– das Erstatten einer bewusst unwahren Anzeige,
– das Absetzen eines Notrufs unter Behauptung einer Straftat,
– das Vorlegen fingierter Beweismittel oder das Inszenieren eines Tatortes,
– das Ausgeben als vermeintliches Opfer oder gar als vermeintliche Täterperson einer nie begangenen Tat.
Der Täuschungsgehalt muss sich auf eine Straftat beziehen. Bloße Verstöße ohne Strafcharakter fallen nicht darunter.

Adressaten der Täuschung

Die Täuschung richtet sich regelmäßig an staatliche Stellen, die für Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zuständig sind (beispielsweise Polizei, Leitstellen, Staatsanwaltschaft). Erfasst sind auch Konstellationen, in denen die Darstellung erfahrungsgemäß dazu geeignet ist, behördliche Maßnahmen auszulösen, etwa durch Meldungen, die typischerweise an zuständige Stellen weitergeleitet werden.

Bewusstes Handeln

Vorausgesetzt ist eine bewusste Unwahrheit. Der oder die Handelnde weiß, dass die geschilderte Straftat in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat, täuscht aber dennoch. Ein bloßer Irrtum, Missverständnisse oder unvollständige Wahrnehmungen genügen dafür nicht.

Eignung zur Auslösung von Maßnahmen

Die Vortäuschung muss zumindest geeignet sein, eine behördliche Tätigkeit herbeizuführen oder zu intensivieren. Ob tatsächlich ein Einsatz stattfindet, ist nicht entscheidend; ausschlaggebend ist die objektive Eignung, Ermittlungen anzustoßen oder zu verstärken.

Formen des Vortäuschens

Falsche Strafanzeige

Typisch ist die bewusste Erstattung einer Anzeige über eine frei erfundene Tat, etwa ein angeblicher Diebstahl oder Raub.

Inszenierte Beweise und Tatorte

Auch das Platzieren oder Manipulieren von Gegenständen, Spuren oder Dokumenten, um eine nicht geschehene Straftat vorzuspiegeln, fällt darunter.

Falscher Notruf mit Straftatbezug

Wer einen Notruf absetzt und bewusst eine Straftat behauptet, die nicht stattgefunden hat, täuscht über ein strafbares Geschehen und löst häufig umfangreiche Maßnahmen aus.

Falsche Selbstbezichtigung

Das Sich-Ausgeben als Täter einer nie begangenen Straftat ist ebenfalls eine Form des Vortäuschens, weil dadurch der Anschein eines strafbaren Geschehens erzeugt wird.

Abgrenzungen zu verwandten Sachverhalten

Falsche Verdächtigung

Hier steht die Belastung einer konkreten Person mit einer rechtswidrigen Tat im Vordergrund. Beim Vortäuschen einer Straftat geht es primär um das Erfinden eines Tatgeschehens als solches, oft ohne Benennung einer konkreten Person. Beide Sachverhalte können sich überschneiden, unterscheiden sich jedoch in Zielrichtung und Schutzzweck.

Unwahre Aussagen im Verfahren

Unrichtige Aussagen im Rahmen formaler Vernehmungen unterliegen eigenen Strafvorschriften. Das Vortäuschen einer Straftat setzt demgegenüber nicht zwingend eine förmliche Vernehmung voraus, sondern knüpft an das Erwecken des Anscheins eines strafbaren Geschehens an.

Notrufmissbrauch ohne Straftatbezug

Das grundlose Absetzen eines Notrufs ohne Bezug zu einer Straftat ist eigenständig geregelt. Sobald jedoch ein strafbares Geschehen vorgetäuscht wird, kommt das Vortäuschen einer Straftat in Betracht.

Versicherungsbezogene Konstellationen

Wer zur Erlangung von Leistungen einen fiktiven Diebstahl meldet, kann neben betrugsbezogenen Vorschriften auch das Vortäuschen einer Straftat erfüllen, wenn die Darstellung geeignet ist, behördliche Maßnahmen zu veranlassen.

Schutzgut und rechtspolitische Einordnung

Geschützt wird die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung. Ermittlungsressourcen sollen nicht fehlgeleitet, Einsatzkräfte nicht unnötig gebunden und Unbeteiligte nicht durch falsche Spuren belastet werden. Das Verbot soll zudem Vertrauen in amtliche Verfahren sichern.

Strafbarkeit und mögliche Rechtsfolgen

Das Vortäuschen einer Straftat ist grundsätzlich mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bedroht. Die konkrete Sanktion hängt von Umständen wie Intensität der Täuschung, ausgelöstem Aufwand, möglichen Gefährdungen, Beweggründen sowie Vorbelastungen ab. Auch Kombinationen mit anderen Delikten können den strafrechtlichen Gesamtumfang beeinflussen.

Subjektive und objektive Besonderheiten

Motive

Häufige Hintergründe sind Konfliktvermeidung, Legitimierung eigener Versäumnisse, Aufmerksamkeitserlangung oder wirtschaftliche Interessen. Für die Bewertung sind Motive nicht ausschlaggebend, können jedoch bei der Zumessung berücksichtigt werden.

Beweisfragen

Die Aufklärung stützt sich auf Spurenlagen, Widerspruchsanalysen in Aussagen, technische Auswertungen und Plausibilitätsprüfungen. Eine fehlende Passung zwischen Erzählung und objektiver Befundlage ist ein typischer Anhaltspunkt.

Verfahrensablauf in der Praxis

In der Praxis erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der Schilderung, gegebenenfalls mit Tatortarbeit, Spurensicherung und Verifikation durch unabhängige Quellen. Verdichten sich Zweifel an der Richtigkeit, kann das Verfahren auf eine mögliche Täuschung umgelenkt werden. Abhängig vom Ergebnis wird das weitere Vorgehen festgelegt.

Mögliche Nebenfolgen

Kosten und Schadensfolgen

Durch unnötige Einsätze, Ermittlungen und Absicherungsmaßnahmen entstehen mitunter beträchtliche Aufwände. Es kommen Kostenbescheide oder Erstattungsansprüche in Betracht; zudem können zivilrechtliche Ansprüche Dritter eine Rolle spielen.

Eintragungen in Registern

Rechtskräftige Verurteilungen werden in amtlichen Registern erfasst. Die Dauer von Eintragungen und deren Auskunftsumfang folgen eigenen gesetzlichen Regeln.

Irrtum, Fehlalarm und Abgrenzung zur Straflosigkeit

Ein tatsächlicher Irrtum über Wahrnehmungen oder Bedeutungen, der ohne Täuschungswillen zur Meldung führt, ist vom bewussten Vortäuschen abzugrenzen. Maßgeblich ist die Kenntnis von der Unwahrheit. Gerade in dynamischen Lagen können Fehleinschätzungen auftreten, ohne dass dadurch eine Strafbarkeit begründet wird.

Aktuelle Entwicklungen und digitale Kontexte

Mit digitalen Kommunikationswegen entstehen neue Erscheinungsformen, etwa massenhaft verbreitete Falschmeldungen oder Meldungen mit anonymisierenden Diensten. Auch Phänomene wie fingierte Bedrohungslagen mit Großeinsatzpotenzial (beispielsweise unter Nutzung schneller Alarmkanäle) zeigen die praktische Relevanz des Tatbestands.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann liegt Vortäuschen einer Straftat vor?

Wenn bewusst der Eindruck erweckt wird, eine Straftat sei begangen worden, obwohl dies nicht zutrifft, und die Darstellung nach ihrer Art geeignet ist, behördliche Maßnahmen anzustoßen oder zu intensivieren.

Muss tatsächlich ein Polizeieinsatz stattfinden?

Entscheidend ist die objektive Eignung der Täuschung, Maßnahmen auszulösen. Ein realer Einsatz ist nicht zwingend erforderlich.

Reicht eine unwahre Behauptung im Internet aus?

Eine unwahre Behauptung kann erfasst sein, wenn sie so adressiert oder gestaltet ist, dass typischerweise staatliche Stellen tätig werden oder eine Weiterleitung an diese zu erwarten ist.

Gehören auch Ordnungswidrigkeiten dazu?

Erfasst ist das Vortäuschen einer Straftat. Bloße Regelverstöße ohne Strafcharakter fallen regelmäßig nicht darunter.

Wie unterscheidet sich das von falscher Verdächtigung?

Bei der falschen Verdächtigung wird gezielt eine bestimmte Person beschuldigt. Beim Vortäuschen steht die Erfindung eines strafbaren Geschehens im Vordergrund, häufig ohne konkrete Personenzuordnung.

Spielt das Motiv eine Rolle?

Das Motiv ändert nichts am Vorliegen der Täuschung, kann aber im Rahmen der Bewertung des Unrechts und bei der Bemessung der Rechtsfolgen berücksichtigt werden.

Sind auch inszenierte Spuren oder manipulierte Dokumente erfasst?

Ja, das Schaffen einer falschen Beweislage, um eine nicht geschehene Straftat glaubhaft zu machen, ist eine Form des Vortäuschens.