Begriff und Bedeutung von Vorstrafen
Vorstrafen sind rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen, die in einem staatlichen Register gespeichert werden und unter bestimmten Voraussetzungen in Nachweisen wie dem Führungszeugnis erscheinen. Sie dokumentieren, dass eine Person wegen einer Straftat verurteilt wurde. Nicht jede polizeiliche Erfassung, Anzeige, Ermittlung oder Einstellung endet in einer Vorstrafe. Auch Maßnahmen außerhalb des Strafrechts, etwa Bußgelder wegen Ordnungswidrigkeiten, sind keine Vorstrafen.
Register und Nachweise
Bundeszentralregister
Strafrechtliche Verurteilungen werden im Bundeszentralregister (BZR) gespeichert. Dieses Register dient in erster Linie Behörden und Gerichten. Es enthält mehr Informationen, als in einem gewöhnlichen Führungszeugnis sichtbar sind. Neben Verurteilungen können dort beispielsweise auch bestimmte Entscheidungen im Jugendstrafrecht oder ausländische Mitteilungen vermerkt sein, sofern sie den rechtlichen Voraussetzungen entsprechen.
Führungszeugnisse
Das Führungszeugnis ist ein Auszug aus dem Bundeszentralregister. Es gibt unterschiedliche Arten:
- Privatführungszeugnis: wird für private Zwecke erteilt, etwa zur Vorlage bei einem Arbeitgeber.
- Behördliches Führungszeugnis: enthält in der Regel mehr Eintragungen als das Privatführungszeugnis, da Behörden ein erweitertes Informationsinteresse haben können.
- Erweitertes Führungszeugnis: wird in bestimmten Bereichen verlangt, insbesondere wenn Tätigkeiten mit Kindern und Jugendlichen in Betracht kommen. Es kann zusätzliche einschlägige Eintragungen ausweisen.
Ob und in welchem Umfang eine Verurteilung im jeweiligen Führungszeugnis erscheint, hängt von gesetzlichen Eintragungs- und Ausschlussregeln ab.
Unterschied zwischen Eintragung und Sichtbarkeit
Nicht jede Eintragung im Bundeszentralregister wird auch im Führungszeugnis aufgeführt. So können beispielsweise einzelne, weniger schwere Erstverurteilungen im Privatführungszeugnis unter bestimmten Voraussetzungen nicht erscheinen, obwohl sie im Register vermerkt sind. Für behördliche Führungszeugnisse gelten grundsätzlich strengere Offenbarungsregeln.
Was gilt als Vorstrafe?
Rechtskräftige Verurteilungen
Als Vorstrafe gilt in der Regel eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung durch Urteil oder Strafbefehl. Ein Strafbefehl steht einer Verurteilung gleich, sofern er rechtskräftig wird. Verurteilungen zu Geldstrafen oder Freiheitsstrafen – mit oder ohne Bewährung – zählen gleichermaßen als Vorstrafen.
Keine Vorstrafe: Einstellungen und Ordnungswidrigkeiten
Einstellungen von Verfahren, Freisprüche, Diversionsentscheidungen oder Bußgeldbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten begründen keine Vorstrafen. Sie können jedoch, je nach Konstellation, in anderen polizeilichen oder verwaltungsrechtlichen Zusammenhängen dokumentiert sein, ohne dass dadurch eine Vorstrafe entsteht.
Besonderheiten im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht stehen Erziehung und Wiedereingliederung im Vordergrund. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel sind grundsätzlich keine Vorstrafen. Eine Jugendstrafe (Freiheitsstrafe nach Jugendstrafrecht) ist dagegen eine strafrechtliche Verurteilung und kann als Vorstrafe registriert werden. Für Eintragung, Sichtbarkeit und Tilgung gelten im Jugendbereich teils abweichende, häufig mildere Regeln.
Eintragung und Sichtbarkeit im Führungszeugnis
Geringe Strafen und Erstverurteilungen
Es gibt Schwellen, unterhalb derer einzelne, weniger schwere Erstverurteilungen im Privatführungszeugnis regelmäßig nicht erscheinen. Typischerweise betrifft dies Geldstrafen bis zu einer bestimmten Anzahl sogenannter Tagessätze oder Freiheitsstrafen von kurzer Dauer. Unabhängig davon wird die Verurteilung in aller Regel im Bundeszentralregister erfasst.
Mehrere Verurteilungen, Bewährung, Strafhöhe
Mehrere Verurteilungen können dazu führen, dass auch eigentlich geringere Strafen im Führungszeugnis sichtbar werden. Bewährungsstrafen gelten als Verurteilungen und können eingetragen werden. Entscheidend für Eintragung und Sichtbarkeit sind insbesondere Art, Höhe und Anzahl der Verurteilungen.
Erweitertes und behördliches Führungszeugnis
Das erweiterte Führungszeugnis zeigt zusätzlich bestimmte, vor allem einschlägige Delikte, die bei Tätigkeiten mit Schutzbefohlenen relevant sind. Das behördliche Führungszeugnis kann weitergehende Einträge enthalten, da Behörden häufiger ein berechtigtes Interesse an umfassenderen Informationen haben.
Tilgung, Löschung und Verwertungsverbote
Tilgungsfristen
Eintragungen im Bundeszentralregister werden nach Ablauf festgelegter Tilgungsfristen entfernt. Die Dauer richtet sich unter anderem nach Art der Straftat, Höhe der Strafe und etwaigen Wiederverurteilungen. Bei weniger schweren Verurteilungen reichen die Fristen von mehreren Jahren; bei schwereren oder einschlägigen Taten können sie deutlich länger sein. Neue Verurteilungen können Fristen verlängern oder deren Ablauf hemmen.
Löschung im Register und Erscheinungsbild im Führungszeugnis
Zwischen der Frage, ob eine Verurteilung noch im Register gespeichert ist, und der Frage, ob sie im Führungszeugnis erscheint, ist zu unterscheiden. Eintragungen können aus einem Führungszeugnis schon vor ihrer Tilgung im Register wegfallen. Nach Tilgung bestehen zusätzliche Verwertungsbeschränkungen.
Verwertungsverbote
Nach Tilgung und Ablauf ergänzender Fristen dürfen getilgte Verurteilungen grundsätzlich nicht mehr zu Nachteilen verwendet werden. Es existieren Ausnahmen für bestimmte, besonders sensible Bereiche, in denen gesetzlich weitergehende Informationsrechte bestehen können. Im Strafverfahren sind verwertungsbezogene Regeln zu beachten, die den Umgang mit getilgten oder tilgungsreifen Eintragungen steuern.
Rechtliche Folgen von Vorstrafen
Strafzumessung bei neuen Taten
Vorstrafen können bei künftigen Verurteilungen eine Rolle spielen. Sie werden im Rahmen der Strafzumessung als Umstände der Täterpersönlichkeit und des Vorlebens betrachtet, solange sie noch verwertbar sind.
Berufliche und verwaltungsrechtliche Auswirkungen
In bestimmten Berufen oder Tätigkeitsfeldern ist die Vorlage eines Führungszeugnisses üblich oder vorgeschrieben. Je nach Aufgabenbereich können Eintragungen die Eignung, Zuverlässigkeit oder Erlaubniserteilung beeinflussen. Auch im Aufenthalts-, Gewerbe-, Waffen- oder Beamtenrecht können strafrechtliche Vorbelastungen rechtliche Konsequenzen haben, deren Reichweite von der Art der Eintragung und dem jeweiligen Verwendungszweck abhängt.
Grenzübertritt, Visa und Ausland
Bei Reisen, Visa-Anträgen oder Aufenthaltsgenehmigungen in anderen Staaten können Vorstrafen Bedeutung erlangen. Maßgeblich sind die Regeln des jeweiligen Ziellandes. Eine deutsche Tilgung bedeutet nicht zwingend, dass ausländische Behörden keine Kenntnis erhalten oder verwerten.
Datenschutz und Auskunft
Der Umgang mit Daten zu Vorstrafen unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Speicherdauer, Übermittlung und Verwendung sind gesetzlich begrenzt. Betroffene haben im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Informationsrechte gegenüber den zuständigen Stellen.
Begriffliche und umgangssprachliche Abgrenzungen
„Vorbestraft“ im Alltag und im Rechtsverständnis
Umgangssprachlich wird „vorbestraft“ oft bereits bei polizeilichem Kontakt verwendet. Im rechtlichen Sinn ist damit jedoch eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung gemeint. Zudem ist zwischen der bloßen Eintragung im Register und der Sichtbarkeit im Führungszeugnis zu unterscheiden. Eine Person kann im Register vermerkt sein, ohne dass diese Information im Privatführungszeugnis erscheint.
Fragen nach Vorstrafen im Bewerbungsverfahren
Ob und in welchem Umfang nach Vorstrafen gefragt werden darf, hängt vom zulässigen Informationsinteresse des Arbeitgebers und dem konkreten Tätigkeitsfeld ab. Maßstab ist im Grundsatz das, was rechtmäßig in einem einschlägigen Führungszeugnis erscheinen dürfte. Unzulässige Fragen begründen keine Offenbarungspflicht. In besonders sensiblen Bereichen können weitergehende Nachweise verlangt werden.
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Vorstrafe?
Eine Vorstrafe ist eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat, die im Bundeszentralregister gespeichert wird. Sie kann je nach Art und Umfang der Verurteilung im Führungszeugnis sichtbar sein.
Erscheint jede Verurteilung im Führungszeugnis?
Nein. Einzelne, weniger schwere Erstverurteilungen werden im Privatführungszeugnis unter bestimmten Voraussetzungen nicht aufgeführt, sind aber in der Regel im Bundeszentralregister gespeichert. Im behördlichen oder erweiterten Führungszeugnis können weitergehende Einträge erscheinen.
Wie lange bleiben Vorstrafen gespeichert?
Die Speicherdauer richtet sich nach Tilgungsfristen, die von Art der Straftat, Höhe der Strafe und weiteren Umständen abhängen. Sie reicht von mehreren Jahren bis zu deutlich längeren Zeiträumen. Neue Verurteilungen können Fristen verlängern oder ihren Ablauf hemmen.
Zählen Geldstrafen als Vorstrafe?
Ja. Auch Geldstrafen sind strafrechtliche Verurteilungen und somit grundsätzlich Vorstrafen. Ob sie im Führungszeugnis erscheinen, hängt unter anderem von der Anzahl der Tagessätze, etwaigen weiteren Verurteilungen und der Art des Führungszeugnisses ab.
Sind Einträge aus der Jugendzeit Vorstrafen?
Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel gelten nicht als Vorstrafen. Eine Jugendstrafe ist eine strafrechtliche Verurteilung und kann als Vorstrafe registriert werden. Für Eintragung, Sichtbarkeit und Tilgung im Jugendbereich gelten häufig abweichende, teils günstigere Regeln.
Was ist der Unterschied zwischen Bundeszentralregister und Führungszeugnis?
Das Bundeszentralregister ist die vollständige amtliche Sammlung relevanter Entscheidungen, während das Führungszeugnis ein Auszug daraus ist. Je nach Art des Führungszeugnisses können Einträge ganz oder teilweise nicht sichtbar sein, obwohl sie im Register gespeichert sind.
Muss eine Vorstrafe bei einer Bewerbung angegeben werden?
Der zulässige Umfang von Fragen nach Vorstrafen richtet sich nach dem berechtigten Informationsinteresse für die angestrebte Tätigkeit. Maßgeblich ist regelmäßig, was rechtmäßig in einem einschlägigen Führungszeugnis erscheinen dürfte. In sensiblen Bereichen können weitergehende Nachweise verlangt werden.