Definition und rechtliche Einordnung des Vorsorgeunterhalts
Der Vorsorgeunterhalt ist ein zentraler Begriff des deutschen Unterhaltsrechts und umfasst diejenigen Unterhaltsleistungen, die der angemessenen Sicherung der Alters- und Krankenvorsorge des Unterhaltsberechtigten dienen. Dieser besondere Teil des Unterhalts wird regelmäßig im Rahmen des Ehegattenunterhalts relevant, insbesondere bei der Trennung oder nach der Scheidung einer Ehe. Ziel des Vorsorgeunterhalts ist es, den aus der Ehe oder Partnerschaft resultierenden Vorsorgelücken des Unterhaltsberechtigten vorzubeugen oder bereits entstandene Versorgungslücken auszugleichen.
Gesetzliche Grundlagen
Der Vorsorgeunterhalt ist in § 1578 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Die Vorschrift besagt, dass der Unterhaltsbedarf des Berechtigten sich nicht nur nach dem laufenden Unterhalt richtet, sondern auch die Kosten einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung sowie Beiträge zur Altersvorsorge einschließt. Ergänzend finden sich weitere Ausführungen zum Vorsorgeunterhalt in der Zivilprozessordnung (insbesondere im Zusammenhang mit Titulierung und Durchsetzung) und in einer Vielzahl einschlägiger Gerichtsentscheidungen.
Bedeutung im Kontext des Ehegattenunterhalts
Im Rahmen des Ehegattenunterhalts stellt der Vorsorgeunterhalt neben dem Elementarunterhalt einen eigenständigen Bedarfsposten dar. Er wird regelmäßig dann relevant, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehe nicht oder nur eingeschränkt eigenes Einkommen erworben und somit keine oder nur geringe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderen Vorsorgeeinrichtungen aufgebaut hat.
Ziel und Funktion des Vorsorgeunterhalts
Das System des Vorsorgeunterhalts verfolgt primär den Zweck, die Risiken der Altersarmut sowie der unzureichenden Gesundheitsversorgung nach Scheidung oder Trennung zu reduzieren. Während der Dauer der Ehe besteht meist ein gemeinsamer Versicherungsschutz über die Familienversicherung oder eine gemeinsame Absicherung im Alter. Durch Trennung und Scheidung endet meist auch der Zugang zu dieser Absicherung. Der Vorsorgeunterhalt soll dafür sorgen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigenständig erforderliche Versicherungen und Vorsorgemaßnahmen treffen kann.
Schutzlücken im Versorgungssystem
Mit Einführung des Vorsorgeunterhalts wurde eine Gesetzeslücke geschlossen, die bis dahin häufig dazu führte, dass nicht erwerbstätige Ehegatten, insbesondere bei längerer Familienphase, im Fall der Ehescheidung unzureichend sozial abgesichert waren.
Umfang und Berechnung des Vorsorgeunterhalts
Kranken- und Pflegeversicherung
Ein wesentlicher Bestandteil des Vorsorgeunterhalts ist die Sicherung der Kranken- und Pflegeversicherung des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Dies umfasst grundsätzlich die Kosten einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung einschließlich der Beiträge zur Pflegeversicherung. Sind keine Familienversicherungsmöglichkeiten mehr gegeben, ist dem Berechtigten der Aufwand für eine eigenständige, angemessene Absicherung zu ersetzen.
Altersvorsorge (private und gesetzliche Rentenversicherung)
Der Vorsorgeunterhalt umfasst auch einen Anspruch auf Beiträge zur Altersvorsorge. Maßgeblich ist hierbei, welchen Vorsorgestandard der Unterhaltsberechtigte während der Ehezeit erlangt hat. Die Bemessung orientiert sich grundsätzlich an den Beiträgen zum gesetzlichen Rentenversicherungssystem bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Die Rechtsprechung erkennt daneben auch Beiträge zu bestimmten privaten oder berufsständischen Versorgungssystemen an, sofern sie zur Wahrung des ehelichen Lebensstandards erforderlich sind.
Anrechnungs- und Abzugsregelungen
Der Vorsorgeunterhalt wird regelmäßig neben dem sog. Elementarunterhalt zugesprochen und stellt keinen eigenen Anspruch, sondern einen Teil des Gesamtunterhaltsanspruchs dar. Soweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte bereits durch eigenen Verdienst, den Versorgungsausgleich oder bestehende Versicherungen abgesichert ist, sind entsprechende Anrechnungen vorzunehmen.
Anspruchsvoraussetzungen und Geltendmachung
Voraussetzungen im Einzelnen
Ein Anspruch auf Vorsorgeunterhalt setzt voraus, dass dem Unterhaltsberechtigten ein Ehegattenunterhaltsanspruch nach den §§ 1570 ff. BGB zusteht. Der Vorsorgeunterhalt stellt demnach keinen eigenständigen Anspruch dar, sondern ergänzt den laufenden Unterhalt.
Zeitlicher Rahmen und Befristung
Der Anspruch auf Vorsorgeunterhalt besteht grundsätzlich während der Laufzeit des Ehegattenunterhalts. Mit Wegfall des Unterhaltsanspruchs, z. B. aufgrund erneuter Eheschließung oder dauerhafter wirtschaftlicher Selbständigkeit des Berechtigten, endet auch der Anspruch auf Vorsorgeunterhalt.
Durchsetzung und Gestaltungsmöglichkeiten
Vorsorgeunterhalt kann sowohl im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung als auch außergerichtlich im Zuge einer einvernehmlichen Vereinbarung geltend gemacht werden. Häufig ist eine konkrete Ausgestaltung, etwa die direkte Zahlung an die Versicherung des Berechtigten, möglich.
Abgrenzung zum Versorgungsausgleich
Eine klare Abgrenzung ist zum Versorgungsausgleich zu ziehen. Während der Versorgungsausgleich die während der Ehezeit gemeinsam erworbenen Anwartschaften auf betriebliche und gesetzliche Altersversorgung ausgleicht, sichert der Vorsorgeunterhalt die laufende Finanzierung von Vorsorgesystemen ab, sobald die Ehegatten getrennt leben oder geschieden sind.
Rechtsprechung und Praxisrelevanz
Entwicklungen in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung hebt hervor, dass der Vorsorgeunterhalt dem berechtigten Ehegatten einen Anspruch auf angemessene und vollständige Absicherung sowohl im Krankheits- als auch im Altersfall gewährt. In der Praxis wird auf eine am ehelichen Lebensstandard orientierte Bemessung geachtet.
Praktische Bedeutung im Familienrecht
Aufgrund demografischer Entwicklungen und der steigenden Zahl von Alleinstehenden nach der Scheidung gewinnt der Vorsorgeunterhalt in der familienrechtlichen Praxis stetig an Bedeutung. Hierdurch werden soziale Risiken, insbesondere für ehemals nicht oder nur geringfügig erwerbstätige Ehegatten, gemindert.
Fazit
Der Vorsorgeunterhalt ist ein bedeutender Bestandteil des deutschen Unterhaltsrechts. Er dient der Sicherstellung eines angemessenen Versicherungsschutzes im Alter sowie bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Seine Berechnung und Durchsetzung erfordert eine differenzierte Einzelfallprüfung, wobei stets an den ehelichen Lebensverhältnissen anzuknüpfen ist. In der Praxis stellt er einen wichtigen Baustein zum Schutz vor existenziellen Risiken nach der Trennung oder Scheidung dar und trägt damit maßgeblich zur Wahrung des Lebensstandards bei.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat Anspruch auf Vorsorgeunterhalt?
Anspruch auf Vorsorgeunterhalt hat grundsätzlich ein Ehegatte, der nach einer Scheidung oder im Rahmen einer Trennung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen eigenen ausreichenden Versicherungsschutz für das Alter oder bei Erwerbsminderung aufbauen kann. Insbesondere betrifft dies den betreuenden Elternteil minderjähriger Kinder, der durch die Kindesbetreuung daran gehindert ist, eine eigene Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch Rentenanwartschaften aufzubauen. Die gesetzliche Grundlage hierfür ergibt sich insbesondere aus § 1578 Abs. 3 BGB. Voraussetzung für den Anspruch auf Vorsorgeunterhalt ist, dass neben dem laufenden Unterhalt ein zusätzliches Bedürfnis für die Absicherung gegen Alter, Erwerbsminderung oder auch Krankheit besteht. Der Unterhaltspflichtige muss zudem leistungsfähig sein, also wirtschaftlich in der Lage, neben dem regulären Unterhalt auch den Vorsorgeunterhalt zu leisten.
Wie wird die Höhe des Vorsorgeunterhalts berechnet?
Die Höhe des Vorsorgeunterhalts bemisst sich grundsätzlich danach, welche Beitragszahlungen erforderlich sind, damit der Unterhaltsberechtigte eine ausreichende eigenständige Absicherung in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung erlangt. In der Praxis bedeutet dies für die Altersvorsorge insbesondere die Ermittlung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder privater Altersvorsorgeformen, die der Berechtigte ohne die Trennung oder Scheidung durch eigene Erwerbsarbeit hätte erzielen können. Hierbei wird in der Regel auf die konkreten Beitragssätze (z. B. zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1578 Abs. 3 BGB) oder alternativ auf eine angemessene private Altersvorsorge abgestellt. Die tatsächliche Höhe richtet sich also nach denjenigen Aufwendungen, die zur Schließung der Vorsorgelücke erforderlich sind, wobei etwaige eigene Vorsorgeleistungen des Berechtigten und eventuelle Anrechte aus dem Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind.
Welche Unterhaltsarten sind vom Vorsorgeunterhalt abzugrenzen?
Der Vorsorgeunterhalt ist streng vom sogenannten Elementarunterhalt (Sicherstellung des laufenden Lebensbedarfs, wie Nahrung, Kleidung, Wohnen) abzugrenzen. Während der Elementarunterhalt den laufenden Bedarf deckt, dient der Vorsorgeunterhalt explizit dazu, Lücken in der Sozialversicherung – meist der Alters- oder Erwerbsminderungsversicherung – zu schließen. Der Vorsorgeunterhalt ist zudem vom Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt abzugrenzen, die jeweils auf die Deckung des Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbedarfs abzielen und eigene Ansprüche neben dem Elementar- und Vorsorgeunterhalt begründen können. All diese Unterhaltsarten können nebeneinander bestehen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen jeweils vorliegen und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gegeben ist.
Welche Rolle spielt der Versorgungsausgleich beim Vorsorgeunterhalt?
Der Versorgungsausgleich, der im Rahmen der Ehescheidung durchgeführt wird, dient der Aufteilung der während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Ehegatten. Der aus dem Versorgungsausgleich resultierende Ausgleichsanspruch führt dazu, dass der berechtigte Ehegatte selbst Anwartschaften auf Versorgungsguthaben erhält. Insofern ist beim Vorsorgeunterhalt immer zu prüfen, inwieweit durch den Versorgungsausgleich bereits eine ausreichende Absicherung erreicht wurde oder ob weiterhin eine Vorsorgelücke besteht, die durch Vorsorgeunterhalt zu schließen ist. Überschneiden sich Ansprüche aus beiden Bereichen, hat der Unterhaltsberechtigte keinen doppelten Anspruch: Vorrangig sind die Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, erst danach können ergänzende Ansprüche auf Vorsorgeunterhalt bestehen.
Kann der Vorsorgeunterhalt rückwirkend geltend gemacht werden?
Der Vorsorgeunterhalt kann grundsätzlich nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt verlangt werden, zu dem der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen zur Auskunft oder Zahlung auffordert bzw. die gerichtliche Geltendmachung erfolgt ist (§ 1613 BGB analog). Für einen Anspruch auf rückwirkenden Vorsorgeunterhalt muss der Berechtigte nachweisen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form der Unterhalt erstmals angefordert wurde. Fehlt es an einer solchen Aufforderung, entsteht auch kein rückwirkender Anspruch. Ausnahmefälle bestehen, wenn bereits im Rahmen eines laufenden Unterhaltsverfahrens der Vorsorgeunterhalt konkret mitbeantragt wurde.
Welche Nachweise und Berechnungsgrundlagen sind für den Vorsorgeunterhalt erforderlich?
Für die Durchsetzung eines Vorsorgeunterhaltsanspruchs muss der Berechtigte gerichtsfeste Nachweise über die bestehende Vorsorgelücke, die anfallenden Versicherungsbeiträge und das Fehlen anderweitiger Absicherungsmöglichkeiten vorlegen. Hierzu zählen z. B. Renteninformationen, Beitragsbescheide der gesetzlichen Rentenversicherung, Nachweise über sonstige erworbene Rentenanwartschaften (auch aus dem Versorgungsausgleich) sowie Verträge privater Altersvorsorge. Der Unterhaltspflichtige kann verlangen, dass die Ansprüche substantiiert – das heißt unter näherer Darlegung aller relevanten finanziellen und persönlichen Umstände – konkret beziffert und nachgewiesen werden. Die Berechnungsgrundlage ist dabei regelmäßig der Betrag, der zur Sicherstellung einer angemessenen Vorsorge erforderlich ist, abzüglich einer etwa bestehenden eigenen Vorsorgefähigkeit des Berechtigten.
Ist der Vorsorgeunterhalt zeitlich begrenzt?
Der Anspruch auf Vorsorgeunterhalt besteht zeitlich grundsätzlich parallel zum Elementarunterhalt und ist damit an denselben Voraussetzungen geknüpft. Er endet in der Regel mit dem Fortfall der Unterhaltsberechtigung, beispielsweise durch Wiederaufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, einer neuen Ehe des Berechtigten oder mit Erreichen einer ausreichenden eigenen Absicherung, z. B. durch Eintritt in den Ruhestand oder Wegfall des Betreuungsbedarfs. Die genaue zeitliche Begrenzung kann sich im Einzelfall jedoch aus individuellen Faktoren und gerichtlichen Entscheidungen ergeben, insbesondere wenn die Voraussetzungen für eine eigenständige Vorsorge durch Eigenverdienst wiederhergestellt sind.