Legal Lexikon

Vorkaufsfall


Begriff und Definition des Vorkaufsfalls

Der Vorkaufsfall ist ein rechtlicher Begriff, der eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Vorkaufsrechten spielt. Er beschreibt den Eintritt einer Situation, die zur Entstehung oder Ausübung eines Vorkaufsrechts führt. Klassischerweise handelt es sich dabei um die Veräußerung einer Sache oder eines Rechts an einen Dritten, wodurch dem Vorkaufsberechtigten das Recht eingeräumt wird, zu den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Bedingungen anstelle des Dritten in das Geschäft einzutreten. Die Regelungen zum Vorkaufsfall sind insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in verschiedenen Nebengesetzen enthalten.

Rechtsgrundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das deutsche BGB enthält in den §§ 463 ff. BGB die wesentlichen Vorschriften zum Vorkaufsrecht und zum Vorkaufsfall. Nach § 463 BGB entsteht das Vorkaufsrecht grundsätzlich mit dem Abschluss eines Kaufvertrags zwischen dem Verpflichteten (Veräußerer) und einem Dritten. Der Eintritt des Vorkaufsfalls setzt somit den Abschluss eines Kaufvertrags über den verkaufsgegenständlichen Gegenstand voraus.

Gesetzliche und vertragliche Vorkaufsrechte

Die Rechtsordnung unterscheidet zwischen gesetzlichen und vertraglichen (schuldrechtlichen oder dinglichen) Vorkaufsrechten.

  • Gesetzliche Vorkaufsrechte (z.B. des Mieters gemäß § 577 BGB oder des Miterben nach § 2034 BGB) entstehen kraft Gesetzes mit Eintritt bestimmter Tatbestände.
  • Vertragliche Vorkaufsrechte werden durch individuelle Vereinbarungen zwischen den Parteien begründet und sind im Rahmen der Privatautonomie ausgestaltbar.

Voraussetzungen des Vorkaufsfalls

Kaufvertragsschluss als Auslöser

Wesentliche Voraussetzung für das Entstehen des Vorkaufsfalls ist der Abschluss eines Kaufvertrags über den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht. Dabei ist zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten ein wirksamer Kaufvertrag abzuschließen. Der Vorkaufsfall tritt ein, sobald der Kaufvertrag formgültig und verbindlich geschlossen ist.

Ausschluss anderer Vertragstypen

Nicht jeder Vertrag über einen Gegenstand löst den Vorkaufsfall aus. Verträge, die nicht auf den entgeltlichen Erwerb (Kaufvertrag) abzielen, wie Schenkungen, Tauschverträge, Erbverträge oder die Übertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, führen regelmäßig nicht zum Eintritt des Vorkaufsfalls. Eine analoge Anwendung ist in Ausnahmefällen möglich, soweit dies dem Schutzzweck des Vorkaufsrechts entspricht.

Umfang und Grenzen

Das Vorkaufsrecht betrifft nur das konkrete Geschäft, das im Vorkaufsfall abgeschlossen wird. Abweichungen vom Inhalt des Vorkaufsrechts (z.B. Zusatzleistungen oder Nebenabreden im Hauptvertrag) können dazu führen, dass das Vorkaufsrecht nicht oder nur teilweise ausgeübt werden kann.

Rechtsfolgen des Vorkaufsfalls

Angebot und Ausübung des Vorkaufsrechts

Mit Eintritt des Vorkaufsfalls ist der Vorkaufsverpflichtete gemäß § 469 BGB verpflichtet, dem Berechtigten unverzüglich den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags mitzuteilen. Der Vorkaufsberechtigte kann dann entscheiden, ob er sein Recht ausübt. Die Ausübung erfolgt gegenüber dem Verpflichteten durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Mit wirksamer Ausübung kommt ein Kaufvertrag zu den im Hauptvertrag bestimmten Bedingungen zustande.

Schutz des Dritten

Wird das Vorkaufsrecht ordnungsgemäß ausgeübt, tritt der Berechtigte in die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Käufers ein. Der Dritte, mit dem der Ausgangsvertrag geschlossen wurde, verliert dadurch seinen Anspruch auf Übertragung des Kaufgegenstands. Er genießt jedoch in bestimmten Fällen Schutzpositionen, insbesondere soweit er im Vertrauen auf den Erwerb Aufwendungen getätigt hat.

Spezialkonstellationen im Vorkaufsfall

Mehrere Vorkaufsberechtigte

Bestehen mehrere gleichrangige Vorkaufsrechte, sind diese nach den im jeweiligen Rechtstatbestand bestimmten Regeln zu berücksichtigen. Vorrang besteht in der Regel für gesetzliche Vorkaufsrechte vor schuldrechtlichen; unter mehreren gleichrangigen Berechtigten entscheidet gegebenenfalls die zeitliche Reihenfolge der Eintragungen oder Vertragsschlüsse.

Rücktritt und andere Unwirksamkeitsgründe

Ein Rücktritt vom Hauptvertrag oder dessen nachfolgende Unwirksamkeit kann Auswirkungen auf den Vorkaufsfall und die Folgegeschäfte haben. Tritt der Veräußerer nach Ausübung des Vorkaufsrechts vom Vertrag zurück, kann dies auch den Eintritt des Vorkaufsfalls rückwirkend entfallen lassen, abhängig vom jeweiligen Regelungszusammenhang.

Öffentliche Vorkaufsrechte

Im öffentlichen Recht, insbesondere im Baugesetzbuch (BauGB), ist das kommunale beziehungsweise behördliche Vorkaufsrecht geregelt. Hier entsteht der Vorkaufsfall beim Kauf eines Grundstücks im Sinne der §§ 24 ff. BauGB. Die Gemeinde kann ihr Vorkaufsrecht nach näher bestimmten Grundsätzen ausüben, um städtebauliche Ziele zu verfolgen.

Abgrenzungen und verwandte Institute

Unterschied zum Ankaufsrecht

Das Vorkaufsrecht ist vom Ankaufsrecht zu unterscheiden, bei dem der Berechtigte das Recht hat, vom Verpflichteten den Abschluss eines Geschäfts zu verlangen, ohne dass ein Vertragsschluss mit einem Dritten vorliegt.

Option und Vorkaufsfall

Auch von der Option als Gestaltungsrecht, das dem Berechtigten das Recht verleiht, durch einseitige Erklärung einen Vertrag zu bestimmten Konditionen zustande zu bringen, ist der Vorkaufsfall zu unterscheiden. Der Vorkaufsfall setzt immer den Vertragsabschluss mit einem Dritten voraus.

Praxistipps und Streitpunkte

Bedeutung in der Vertragsgestaltung

Für die Vertragsgestaltung ist es ratsam, die Reichweite sowie die genauen Modalitäten des Vorkaufsrechts und des Vorkaufsfalls klar zu definieren. Dies betrifft beispielsweise die Frage der Formbedürftigkeit, den Inhalt der Mitteilung und die Fristen für die Ausübung.

Häufige Streitfragen

Konflikte entstehen häufig über den Umfang des Hauptvertrags, die ordnungsgemäße Information des Vorkaufsberechtigten sowie über die Folgen bei gemischten Vertragstypen (z.B. Kauf mit weiteren Leistungen). Auch die Wirksamkeit von Kettengeschäften und Umgehungstatbestände durch Scheinkaufverträge spielen eine Rolle in der Rechtsprechung.

Zusammenfassung

Der Vorkaufsfall stellt den entscheidenden Auslöser für die Entstehung und Ausübung eines Vorkaufsrechts dar. Er setzt typischerweise den Abschluss eines Kaufvertrags über den betreffenden Gegenstand zwischen Verpflichtetem und Drittem voraus. Die rechtlichen Rahmenbedingungen regeln detailliert Voraussetzungen, Ablauf, Umfang und Grenzen, um sowohl den Schutz der Beteiligten als auch die Verkehrsfähigkeit von Gegenständen zu gewährleisten. In der Praxis ist dem Vorkaufsfall insbesondere bei Immobiliengeschäften, gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen wie auch im Mietrecht besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen sind im Zusammenhang mit dem Vorkaufsfall zu beachten?

Im Zusammenhang mit dem Eintritt des Vorkaufsfalls gelten strenge Fristen, die sowohl dem Vorkaufsberechtigten als auch dem Verpflichteten (z. B. Verkäufer einer Immobilie) zwingend einzuhalten sind. Nach § 469 BGB muss der Verpflichtete den berechtigten Vorkaufsberechtigten unverzüglich über das Zustandekommen eines Kaufvertrags informieren. Die Mitteilung muss den wesentlichen Inhalt des Kaufvertrags umfassen, insbesondere Kaufgegenstand und Kaufpreis, denn nur so kann der Vorkaufsberechtigte eine informierte Entscheidung treffen. Sobald die ordnungsgemäße Mitteilung zugegangen ist, beginnt für den Vorkaufsberechtigten eine zwei- bzw. einmonatige Frist (je nach Anwendungsbereich; beispielsweise beträgt sie bei Grundstücken nach § 469 Abs. 2 BGB zwei Monate, sonst meist eine Woche), innerhalb derer das Vorkaufsrecht schriftlich ausgeübt werden muss. Ein Versäumen dieser Frist führt zum Erlöschen des Vorkaufsrechts für den konkreten Kaufvertrag. Zu beachten ist ferner, dass verspätete oder unvollständige Mitteilungen die Frist nicht in Gang setzen und das Recht daher bis zur ordnungsgemäßen Mitteilung bestehen bleibt.

Wie ist die Mitteilungspflicht bei Eintritt des Vorkaufsfalls rechtlich ausgestaltet?

Die Mitteilungspflicht beim Eintritt des Vorkaufsfalls ist eine zentrale Pflicht des Verpflichteten (meist des Verkäufers). Gemäß § 469 BGB hat dieser dem Vorkaufsberechtigten den Abschluss eines Kaufvertrags unverzüglich anzuzeigen. Diese Anzeige muss alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten, insbesondere den Kaufgegenstand und den vollständig vereinbarten Kaufpreis inklusive etwaiger Nebenleistungen, da ansonsten die Mitteilung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und die Ausübungsfrist für das Vorkaufsrecht nicht zu laufen beginnt. Die Rechtsprechung verlangt zudem, dass der Vertragsinhalt so genau dargestellt wird, dass sich der Vorkaufsberechtigte ein vollständiges Bild machen und sein Recht fundiert ausüben kann. Im Zweifel trägt der Verpflichtete die Beweislast für die ordnungsgemäße und vollständige Unterrichtung.

Welche Folgen hat die Ausübung des Vorkaufsrechts auf einen bereits geschlossenen Kaufvertrag?

Mit der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten kommt gemäß § 464 Abs. 2 BGB ein Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten zu den Bedingungen des bereits geschlossenen Kaufvertrages zustande. Das ursprüngliche Rechtsgeschäft zwischen Verkäufer und Erstkäufer bleibt formal bestehen, wird jedoch in vielen Fällen hinfällig, weil der Verkäufer nunmehr verpflichtet ist, an den Vorkaufsberechtigten zu den vereinbarten Konditionen zu verkaufen. Zu beachten ist, dass der Erstkäufer (Dritter) sein Eigentum nur dann erwirbt, wenn der Vorkaufsberechtigte auf die Ausübung seines Rechts verzichtet oder die Frist hat verstreichen lassen. In bestimmten Situationen, etwa wenn der Dritte bereits als gutgläubiger Erwerber ins Grundbuch eingetragen ist, können abweichende Rechtsfolgen eintreten.

Können Kaufpreisnachlässe, Sondervereinbarungen oder Nebenabreden den Vorkaufsberechtigten beeinträchtigen?

Ja, Kaufpreisnachlässe, Sondervereinbarungen oder Nebenabreden können eine erhebliche Rolle im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorkaufsrechts spielen. Der Vorkaufsberechtigte hat grundsätzlich Anspruch auf den Erwerb zu exakt denjenigen Bedingungen, die auch mit dem Dritten vereinbart wurden. Werden zum Beispiel Rabatte, Erlasse nach Vertragsabschluss, verdeckte Preisnachlässe oder besondere Vereinbarungen über etwaige Nebenleistungen dem Vorkaufsberechtigten vorenthalten oder nicht offengelegt, ist die Mitteilung voraussichtlich nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts bezieht sich auf sämtliche Bestandteile des Kaufvertrages, nicht nur auf den reinen Kaufpreis, sondern auch auf Zahlungsmodalitäten, Übergabetermine und alle weiteren vertraglichen Abreden.

Welche Rechte und Pflichten treffen den Dritten nach Ausübung des Vorkaufsrechts?

Der Dritte (ursprünglicher Käufer), der vom Vorkaufsfall betroffen ist, verliert grundsätzlich den Anspruch auf die Übereignung des Kaufobjekts, da die Kaufsache nun dem Vorkaufsberechtigten zu überlassen ist. Entsprechend kann er regelmäßig Schadensersatz verlangen, wenn etwa nachweislich Aufwendungen im Hinblick auf den vereinbarten Erwerb entstanden sind (§ 122 BGB analoge Anwendung). Soweit der Dritte jedoch schon Leistungen, insbesondere Zahlungen, erbracht hat, schuldet der Verpflichtete (Verkäufer) die Rückabwicklung, notfalls mittels Rückzahlung erhaltener Beträge und Rückgabe bereits erhaltener Gegenstände. Hat der Dritte das Eigentum bereits gutgläubig erworben (z. B. durch Eintragung ins Grundbuch), bestehen unter Umständen weitergehende Rechte zu seinen Gunsten, eventuell kann der Vorkaufsberechtigte dann nur noch Schadensersatz verlangen.

Welche rechtlichen Voraussetzungen sind für die Ausübung des Vorkaufsrechts zwingend erforderlich?

Die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts setzt zwingend voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten abgeschlossen wurde (sog. Vorkaufsfall). Der Vorkaufsberechtigte muss innerhalb der gesetzlichen Frist eine ausdrückliche und unbedingte Erklärung abgeben, dass er das Vorkaufsrecht ausübt. Diese Erklärung bedarf keiner bestimmten Form, außer im Grundstücksbereich, wo zumindest die Schriftform empfohlen wird und für die Eigentumsumschreibung auch die notarielle Beurkundung erforderlich sein kann. Die Ausübung muss dem Verpflichteten rechtzeitig zugehen; Versäumnisse führen zum Verlust des Rechts. Zudem dürfen keine Umstände vorliegen, die das Vorkaufsrecht beschränken oder ausschließen, wie etwa ein vertraglicher Ausschluss des Vorkaufsrechts oder Nichtvorliegen der im Vorkaufsvertrag vereinbarten Auslösebedingungen.

Ist das Vorkaufsrecht auf Dritte übertragbar oder vererblich?

Ob und inwieweit das Vorkaufsrecht auf Dritte übertragen oder vererbt werden kann, hängt von der jeweiligen Rechtsnatur und den individuellen Vereinbarungen ab. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht, wie es beispielsweise im Mietrecht (§ 577 BGB) oder Grundstücksrecht (§§ 463 ff. BGB) vorgesehen ist, ist grundsätzlich nicht übertragbar, es sei denn, dies wurde ausdrücklich vereinbart. Jedoch erlischt das gesetzliche Vorkaufsrecht typischerweise nicht mit dem Tod des Berechtigten, sondern geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben über. Vertraglich eingeräumte Vorkaufsrechte können, sofern keine gegenteilige Vereinbarung besteht, ebenfalls auf Erben übergehen, sind jedoch nur dann übertragbar, wenn das Recht einen vermögenswerten Vorteil darstellt und im Vertrag nicht ausdrücklich eine Nichtübertragbarkeit geregelt ist. Eine ausdrückliche Übertragung auf einen Dritten (z. B. Verkauf, Abtretung) ist nur möglich, wenn dies vertraglich vorgesehen ist.