Begriff und Einordnung der Vorgründungsgesellschaft
Die Vorgründungsgesellschaft bezeichnet den rechtlichen Zustand, in dem sich ein Zusammenschluss von Personen befindet, die die Gründung einer Kapitalgesellschaft (typischerweise einer GmbH oder AG) vorbereiten, bevor der Gesellschaftsvertrag notariell beurkundet wurde. In dieser Phase treten die Beteiligten bereits gemeinsam nach außen auf oder bereiten dies vor, ohne dass die spätere Gesellschaft bereits entstanden ist.
Definition
Unter Vorgründungsgesellschaft versteht man den Zusammenschluss der künftigen Gesellschafter zur Vorbereitung der Gründung. Sie dient der Anbahnung und Sicherung der Grundlagen des späteren Unternehmens, etwa durch Verhandlungen, Reservierungen, Anmietungen oder die Sicherung von Rechten.
Abgrenzung zur Vorgesellschaft und zur eingetragenen Gesellschaft
Die Vorgründungsgesellschaft ist von der Vorgesellschaft zu unterscheiden. Die Vorgesellschaft entsteht erst nach notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, aber vor der Eintragung ins Register (oft als „GmbH i.G.“ bezeichnet). Mit der Registereintragung entsteht die Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Vorgründungsgesellschaft liegt mithin zeitlich davor und hat eine andere rechtliche Struktur und Haftungsverteilung.
Entstehung und Dauer
Die Vorgründungsgesellschaft entsteht, sobald sich die Beteiligten ernsthaft und dauerhaft zur Gründung zusammenschließen und gemeinsam vorbereitende Maßnahmen treffen. Sie endet regelmäßig mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, durch Aufgabe des Gründungsvorhabens oder durch anderweitige Beendigung des Zusammenschlusses.
Rechtsnatur und Innenverhältnis
Rechtsform der Vorgründungsgesellschaft
Die Vorgründungsgesellschaft ist in der Regel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nimmt sie bereits in erheblichem Umfang am kaufmännischen Geschäftsverkehr teil, kann sie die Merkmale einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) erfüllen. Als rechtsfähige Personengesellschaft kann sie Trägerin von Rechten und Pflichten sein.
Geschäftsführung und Vertretung
Die Geschäftsführung und Vertretung richten sich nach den Regeln der jeweiligen Personengesellschaft. Ohne besondere Abreden handeln die Gesellschafter gemeinschaftlich. Abweichungen sind intern vereinbar, nach außen ist maßgeblich, wer wirksam bevollmächtigt wurde. Handlungen einzelner ohne Vollmacht können die übrigen nur binden, wenn eine entsprechende Vertretungsmacht bestand oder später genehmigt wird.
Vermögen und Einlagen
Vermögen, das für das Gründungsvorhaben eingesetzt wird, steht der Vorgründungsgesellschaft zu. Einlagen werden in dieser Phase regelmäßig noch nicht auf das Stamm- oder Grundkapital der späteren Kapitalgesellschaft geleistet. Güter und Rechte können jedoch bereits auf die Vorgründungsgesellschaft übertragen oder für diese gehalten werden.
Beendigung und Übergang in die Vorgesellschaft
Mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags endet die Vorgründungsgesellschaft typischerweise. Es entsteht eine neue rechtliche Phase (Vorgesellschaft). Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft gehen nicht automatisch auf die spätere Gesellschaft über. Ein Übergang setzt eine rechtliche Übernahme oder entsprechende Vereinbarungen mit den Vertragspartnern voraus.
Außenverhältnis und Haftung
Haftung der Beteiligten
Die Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft haften für Verbindlichkeiten unbeschränkt, persönlich und in der Regel gesamtschuldnerisch. Eine Haftungsbeschränkung wie bei der späteren Kapitalgesellschaft besteht in dieser Phase nicht. Gläubiger können sich daher an das Privatvermögen der Beteiligten halten.
Verträge im Namen der späteren GmbH/AG
Verträge, die vor der notariellen Beurkundung „im Namen der späteren GmbH/AG“ geschlossen werden, gelten rechtlich als Verträge der Vorgründungsgesellschaft oder der handelnden Personen. Eine spätere Übernahme durch die Kapitalgesellschaft erfordert eine gesonderte rechtliche Gestaltung und in der Regel das Einverständnis des Vertragspartners.
Unternehmensbezeichnung und Auftreten im Geschäftsverkehr
In der Vorgründungsphase darf die Bezeichnung der späteren Kapitalgesellschaft nicht geführt werden. Die Verwendung entsprechender Zusätze kann irreführend sein. Eine klare Kennzeichnung der auftretenden Einheit dient der Transparenz gegenüber Vertragspartnern.
Schutz von Gläubigern
Ein besonderes Kapital- oder Einlagenschutzsystem besteht in der Vorgründungsgesellschaft nicht. Der Gläubigerschutz wird durch die persönliche Haftung der Gesellschafter und durch die Möglichkeit transparenter Vertretungsverhältnisse gewährleistet.
Steuerliche Einordnung
Ertragsteuern
Erträge der Vorgründungsgesellschaft werden den Beteiligten zugerechnet. Es handelt sich um die Besteuerung nach den Grundsätzen von Personengesellschaften. Art und Höhe der Einkünfte hängen von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit ab.
Umsatzsteuer
Die Vorgründungsgesellschaft kann umsatzsteuerlich als Unternehmerin auftreten, wenn sie Lieferungen oder Leistungen gegen Entgelt ausführt. Vorsteuerabzug und Erklärungspflichten richten sich nach den allgemeinen Regeln, sobald eine wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen wurde.
Gewerbesteuer und Buchführung
Betreibt die Vorgründungsgesellschaft einen Gewerbebetrieb, kann Gewerbesteuer anfallen. Ob kaufmännische Buchführungspflichten bestehen, hängt von Tätigkeit, Umfang und Einordnung der Gesellschaft ab.
Arbeits- und sonstige Vertragsverhältnisse
Arbeitsverträge
Arbeitsverhältnisse können bereits mit der Vorgründungsgesellschaft begründet werden. Arbeitgeberin ist in diesem Fall die Vorgründungsgesellschaft, die die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten trägt.
Miet- und Lizenzverträge
Miet-, Pacht-, Lizenz- oder Lieferverträge können vor der Beurkundung abgeschlossen werden. Sie binden die Vorgründungsgesellschaft und ihre Gesellschafter. Ein Übergang auf die spätere Kapitalgesellschaft bedarf grundsätzlich einer vertraglichen Übernahme.
Banken und Konten
Konten können auf den Namen der Vorgründungsgesellschaft geführt werden. Verfügungsberechtigungen und Haftungsfolgen ergeben sich aus den jeweiligen Vereinbarungen und der Vertretungsordnung der Gesellschaft.
Praktische Bedeutung und typische Anwendungsfälle
Vorbereitende Maßnahmen
Typische Handlungen sind Standortsuche, Vertragsverhandlungen, Sicherung von Domains, Marken oder Lizenzen, Auswahl von Personal sowie die Vorbereitung finanzieller und organisatorischer Grundlagen.
Risiken bei frühzeitigem Marktauftritt
Ein Auftreten am Markt vor Beurkundung kann zu umfangreicher persönlicher Haftung führen. Fehlende Kapitalbindung und unklare Vertretungslagen erhöhen das Risiko für die Beteiligten.
Sicherung von Projektrechten
Bereits in der Vorgründungsphase können Rechte, etwa an Software, Konzepten oder Marken, erworben oder zugeordnet werden. Für die spätere Nutzung durch die Kapitalgesellschaft ist eine rechtliche Übertragung auf diese erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
Was unterscheidet die Vorgründungsgesellschaft von der Vorgesellschaft und der eingetragenen Kapitalgesellschaft?
Die Vorgründungsgesellschaft besteht vor der notariellen Beurkundung und ist regelmäßig eine Personengesellschaft. Die Vorgesellschaft entsteht erst nach der Beurkundung und vor der Registereintragung. Die eingetragene Kapitalgesellschaft entsteht mit der Eintragung und verfügt erst dann über eigene, gesetzlich geregelte Haftungsbeschränkung.
Ab wann beginnt und wann endet die Vorgründungsgesellschaft?
Sie beginnt mit dem ernsthaften Zusammenschluss zur Gründung und dem gemeinsamen Tätigwerden und endet in der Regel mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, durch Aufgabe des Vorhabens oder durch Beendigung des Zusammenschlusses.
Wer haftet in der Vorgründungsgesellschaft?
Die Gesellschafter haften persönlich, unbeschränkt und meist gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten. Eine Haftungsbeschränkung wie bei der späteren Kapitalgesellschaft besteht in dieser Phase nicht.
Können in der Vorgründungsphase bereits Verträge geschlossen werden?
Ja, Verträge können geschlossen werden. Sie wirken jedoch für und gegen die Vorgründungsgesellschaft bzw. die handelnden Personen. Ein späterer Übergang auf die Kapitalgesellschaft erfordert eine rechtliche Übernahme durch diese und üblicherweise das Einverständnis des Vertragspartners.
Darf die Bezeichnung „GmbH“ oder „i.G.“ bereits verwendet werden?
Die Bezeichnung der Kapitalgesellschaft darf vor der notariellen Beurkundung nicht geführt werden. Zusätze wie „i.G.“ sind der Phase nach Beurkundung, aber vor Eintragung vorbehalten.
Gehen Verpflichtungen der Vorgründungsgesellschaft automatisch auf die spätere Kapitalgesellschaft über?
Ein automatischer Übergang findet nicht statt. Der Eintritt der späteren Gesellschaft in Verträge bedarf einer Übernahme oder Vertragsübertragung unter Mitwirkung des Vertragspartners.
Wie werden Gewinne und Verluste steuerlich behandelt?
Gewinne und Verluste der Vorgründungsgesellschaft werden den Gesellschaftern zugerechnet. Umsatzsteuerliche Pflichten können entstehen, sobald eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird. Gewerbesteuer kann bei gewerblicher Tätigkeit relevant werden.
Kann die Vorgründungsgesellschaft klagen und verklagt werden?
Ja, als rechtsfähige Personengesellschaft kann sie im Rechtsverkehr auftreten, Rechte erwerben und vor Behörden und Gerichten beteiligt sein.