Begriff und rechtliche Einordnung der Vorgründungsgesellschaft
Die Vorgründungsgesellschaft stellt eine besondere rechtliche Erscheinungsform im Zusammenhang mit der späteren Gründung einer Kapitalgesellschaft, insbesondere einer GmbH oder AG, dar. Sie bezeichnet das Gesellschaftsverhältnis, das entsteht, sobald die künftigen Gesellschafter den Willen zur Gründung einer Kapitalgesellschaft gefasst haben, rechtlich aber noch vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. der notariellen Beurkundung agieren. Die Vorgründungsgesellschaft ist von der späteren Vor-GmbH (GmbH in Gründung, „GmbH i.G.“) sowie der endgültig ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaft zu unterscheiden.
Entstehung und Charakteristika
Zeitlicher Ablauf der Gründungsphasen
Die Gründung einer Kapitalgesellschaft wie der GmbH erfolgt in mehreren Schritten:
- Phase der Vorgründungsgesellschaft: Zeitraum zwischen Einigung über die Gründung und Abschluss des Gesellschaftsvertrags (gegebenenfalls auch bis zur notariellen Beurkundung).
- Phase der Vor-GmbH: Ab notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag bis zur Eintragung ins Handelsregister.
- Phase der eingetragenen Kapitalgesellschaft: Mit Eintragung im Handelsregister entsteht die rechtsfähige Gesellschaft.
Im Fokus dieses Artikels steht die erste Phase: die Vorgründungsgesellschaft.
Rechtsnatur der Vorgründungsgesellschaft
Bei der Vorgründungsgesellschaft handelt es sich um eine auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrags gerichtete Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB). Sie ist weder Handelsgesellschaft noch Kapitalgesellschaft im rechtlichen Sinne und besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Dennoch begründen die künftigen Gesellschafter durch Handlungen im Zusammenhang mit der zukünftigen Kapitalgesellschaft rechtlich relevante Verpflichtungen.
Die Gesellschaft verfolgt bereits das Ziel, die spätere Kapitalgesellschaft ins Leben zu rufen. Wirtschaftlich entsteht dadurch ein Zusammenschluss auf Zeit, dessen Rechtsbeziehungen zumeist von den allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrechts (insbesondere des BGB und HGB) bestimmt werden.
Beteiligte und ihre Rechtsstellung
Gesellschafterkreis
Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft sind alle Personen, die sich auf die Gründung der künftigen Kapitalgesellschaft einigen. Diese sind – ähnlich wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – Gesamtschuldner hinsichtlich der für die Gründung eingegangenen Verpflichtungen. Ihr Verhältnis richtet sich nach den gemeinschaftlich getroffenen Absprachen sowie subsidiär nach den gesetzlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages im BGB.
Vertretungsbefugnis
Die Vertretung der Vorgründungsgesellschaft erfolgt regelmäßig gemeinschaftlich durch alle Gesellschafter; es können jedoch auch Einzelne ausdrücklich bevollmächtigt werden. Die Vertretungsmacht erstreckt sich dabei nur auf Gründungshandlungen und solche Rechtsgeschäfte, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der beabsichtigten Gründung stehen. Dritte Vertragspartner handeln in der Regel mit den natürlichen Personen, nicht mit einer Rechtsperson.
Haftung
Außenhaftung gegenüber Dritten
Da die Vorgründungsgesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, haften die Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für alle während dieser Phase begründeten Verbindlichkeiten (§§ 421 ff. BGB). Diese Haftung umfasst insbesondere Verträge und Verbindlichkeiten, die im Interesse oder Vorfeld der Gründung abgeschlossen wurden. Eine Haftungsbeschränkung, wie sie für die spätere Kapitalgesellschaft gilt, existiert in diesem Stadium nicht.
Innenverhältnis der Gesellschafter
Im Verhältnis untereinander haften die Gesellschafter nach den Grundsätzen von §§ 705 ff. BGB. Jeder Gesellschafter kann von den anderen Ersatz für Aufwendungen verlangen, die er im Interesse der Gesellschaft getätigt hat, sofern dies in gemeinschaftlichem Interesse geschah.
Abwicklung und Übergang auf die Vor-GmbH
Mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und vor der Eintragung ins Handelsregister beginnt die Existenz der sog. Vor-GmbH. Die Vorgründungsgesellschaft wird sodann regelmäßig auf diese GmbH i.G. verschmolzen. Das Gesellschaftsvermögen und die im Rahmen der Vorgründungsgesellschaft eingegangenen Verpflichtungen gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Vor-GmbH über. Dies erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern bedarf eines entsprechenden Übertragungsaktes; in der Praxis werden dafür regelmäßig entsprechende Regelungen getroffen oder Verträge auf die Vor-GmbH umgeschrieben.
Verbleiben Verbindlichkeiten oder Rechte im Vermögen der Vorgründungsgesellschaft, haften die Gesellschafter dafür weiterhin, bis ein vollständiger Übergang erfolgt ist.
Steuerliche Behandlung
Steuerlich gilt die Vorgründungsgesellschaft als transparente Personengesellschaft. Einkünfte, die im Namen der Vorgründungsgesellschaft erzielt werden, sind den einzelnen Gesellschaftern zuzurechnen (§§ 15, 18, 22 EStG). Mit dem Übergang des Gesellschaftsvermögens auf die Vor-GmbH erfolgt in der Regel eine Übertragung der steuerlichen Zurechnung auf die spätere Kapitalgesellschaft.
Abgrenzung zu ähnlichen Gesellschaftsformen
Die Vorgründungsgesellschaft ist streng von der Vor-GmbH und der eingetragenen Gesellschaft zu unterscheiden:
- Vorgründungsgesellschaft: Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Handelsregistereintragung.
- Vor-GmbH (GmbH i.G.): Existiert nach notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrags bis zur Handelsregistereintragung. Bereits teilrechtsfähig, unterliegt jedoch weiterhin voller Haftung der Handelnden.
- Eingetragene Gesellschaft: Nach Handelsregistereintrag entsteht die Kapitalgesellschaft als juristische Person mit beschränkter Haftung nach Gesellschaftsrecht.
Rechtsprechung und Literatur
Die Rechtsprechung grenzt die Vorgründungsgesellschaft deutlich von der Vor-GmbH ab (u.a. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 1984, Az. II ZR 225/83). Sie stellt klar, dass während der Phase der Vorgründung nur die Gesamthandsregelungen des BGB gelten und keinerlei Schutzmechanismen des Kapitalgesellschaftsrechts eingreifen. Verträge mit Dritten werden stets vom persönlichen Haftungsregime der Gesellschaftsgründer geprägt.
Bedeutung und Risiken
Die Phase der Vorgründungsgesellschaft ist für alle Beteiligten mit rechtlichen Risiken behaftet. Insbesondere die persönliche und uneingeschränkte Haftung, die strikte Trennung der Gesellschaftsphasen und die Notwendigkeit sorgfältiger vertraglicher Regelungen sind zentrale Aspekte. Die Vorgründungsgesellschaft bildet damit die rechtliche Grundlage für eine spätere, haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft, kann aber nicht deren Schutzmechanismen vorwegnehmen.
Zusammenfassend bildet die Vorgründungsgesellschaft ein wesentliches, aber rechtlich risikobehaftetes Zwischenstadium im Gründungsprozess von Kapitalgesellschaften. Ihre rechtliche Behandlung richtet sich vorrangig nach den Regeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ergänzt durch handelsrechtliche sowie schuldrechtliche Vorschriften. Für Geschäftspartner wie Gründer ist ein Bewusstsein für Haftung und rechtliche Wirkungen unverzichtbar.
Häufig gestellte Fragen
Wie haften Gesellschafter während der Vorgründungsgesellschaft?
In der Phase der Vorgründungsgesellschaft, also zwischen dem Entschluss zur Gründung einer Gesellschaft und ihrer notariellen Beurkundung (bei Kapitalgesellschaften wie einer GmbH), existiert eine sogenannte Vorgründungsgesellschaft. In diesem rechtlich unsicheren Zustand haften neben der Gesellschaft selbst auch die Gesellschafter persönlich, grundsätzlich als Gesamtschuldner nach § 128 HGB analog. Das bedeutet, dass Gläubiger sich im Zweifel an jeden Gesellschafter einzeln oder an alle gesamthaft wenden können, bis die Forderung vollständig beglichen ist. Eine Haftungsbeschränkung – wie sie etwa in der späteren GmbH besteht – greift noch nicht. Die Haftung erstreckt sich auf sämtliche im Rahmen der Vorgründung eingegangenen Verbindlichkeiten. Lediglich durch ausdrückliche vertragliche Regelungen mit Dritten könnten Gesellschafter ihre Haftung begrenzen, was jedoch selten durchsetzbar ist. Nach rückwirkender Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister bleibt die persönliche Haftung für Altverbindlichkeiten bestehen, sofern diese vor der Eintragung eingegangen wurden.
Welche Rechtsform hat die Vorgründungsgesellschaft?
Die Vorgründungsgesellschaft besitzt keine eigene, spezifisch geregelte Rechtsform, sondern wird als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bzw. im Handelsverkehr als Offene Handelsgesellschaft (OHG) behandelt. Welche dieser Formen anzuwenden ist, bestimmt sich nach dem Unternehmenszweck: Bei einem kleingewerblichen oder freiberuflichen Zweck handelt es sich um eine GbR. Sobald jedoch ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb geplant oder eröffnet wird, gilt das Recht der OHG. Der Status als Vorgründungsgesellschaft ist also ein rechtliches Konstrukt, das mit den Grundsätzen der jeweiligen Personengesellschaft einhergeht, bis die formale Gesellschaft (z.B. die GmbH) rechtswirksam entsteht.
Können bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte der Vorgründungsgesellschaft nachträglich übernommen werden?
Ja, es ist möglich, dass die spätere Gesellschaft – etwa eine noch eintragungsbedürftige GmbH – nach ihrer Eintragung Rechtsgeschäfte der Vorgründungsgesellschaft durch einen sogenannten Schuldbeitritt oder eine ausdrückliche Übernahme (Novation) übernimmt. Hierzu bedarf es eines gesonderten Rechtsaktes, da die GmbH als juristische Person erst mit der Eintragung ins Handelsregister entsteht und somit zuvor gar nicht wirksam Vertragspartner werden kann. In der Praxis wird oft vereinbart, dass die GmbH mit Eintragung die Rechte und Pflichten aus bereits geschlossenen Verträgen übernimmt. Eine automatische Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten findet jedoch rechtlich nicht statt; die ausdrückliche Übernahmeerklärung ist notwendig. Bis dahin haften weiterhin die bisherigen Gesellschafter und/oder die Vorgründungsgesellschaft.
Unterliegt die Vorgründungsgesellschaft einer Eintragungspflicht ins Handelsregister?
Nein, die Vorgründungsgesellschaft ist nicht ins Handelsregister einzutragen. Erst mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und der Anmeldung zur Eintragung wird (beispielsweise) bei einer GmbH das sogenannte Vorgesellschaftsstadium erreicht, welches dann ins Handelsregister einzutragen ist. Die Vorgründungsgesellschaft bleibt ein rein tatsächlicher Zusammenschluss, der keiner registergerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dennoch können bereits Geschäftsvorgänge, Vertretungen nach außen und Rechtsgeschäfte vorgenommen werden, allerdings ohne die Haftungsbeschränkungen und Schutzmechanismen einer eingetragenen Gesellschaft.
Welche Vertretungsmacht haben Gesellschafter einer Vorgründungsgesellschaft?
Die Vertretungsmacht der Gesellschafter in der Vorgründungsgesellschaft richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der GbR bzw. OHG. Dabei gilt grundsätzlich Binnen- und Außenvertretungsmacht, soweit nicht abweichende gesellschaftsvertragliche Regelungen bestehen. Fehlen ausdrückliche Regelungen, sind alle Gesellschafter nur gemeinschaftlich berechtigt, die Gesellschaft zu vertreten und Geschäfte abzuschließen. Einzelvertretung ist ohne spezielle Vereinbarung ausgeschlossen. Für Dritte kann dies die Geschäftsanbahnung erschweren, da sie sich regelmäßig vergewissern müssen, ob die Vertreter tatsächlich berechtigt sind, für die Vorgründungsgesellschaft zu handeln. Wird gegen die Vertretungsregeln verstoßen, sind Rechtsgeschäfte in der Regel schwebend unwirksam und bedürfen der Genehmigung durch sämtliche Gesellschafter.
Gibt es Pflichten zur Offenlegung oder Rechnungslegung bei der Vorgründungsgesellschaft?
Für die Vorgründungsgesellschaft bestehen keine besonderen Offenlegungs- oder Rechnungslegungspflichten gegenüber Dritten, wie sie etwa für Kapitalgesellschaften mit Ablauf der Gründungsphase gelten. Da es sich rechtlich um eine GbR oder OHG handelt, sind allenfalls die internen gesellschaftsvertraglichen Regelungen über Buchführung und Auskunft maßgeblich. Dennoch besteht im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern eine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht. Kommt es zu Beanstandungen, haften die Gesellschafter nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beziehungsweise des Handelsrechts.
Wie endet eine Vorgründungsgesellschaft?
Die Vorgründungsgesellschaft endet regelmäßig mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH oder AG) ins Handelsregister, durch welche das sogenannte Vorgesellschaftsstadium beginnt. Es kann jedoch auch zu einem vorzeitigen Ende kommen, etwa wenn die Gründungsabsicht aufgegeben oder der Gesellschaftszweck weggefallen ist. Die Beendigung erfolgt durch konkludentes Verhalten, beispielsweise wenn die Gesellschafter die Vertragsanbahnung einstellen oder ausdrücklich aufgeben. Offene Verpflichtungen und Haftungsfragen müssen im Nachgang geklärt werden, insbesondere zur Frage, ob Altverbindlichkeiten ordnungsgemäß übernommen oder abgelöst wurden.