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Vorgesellschaft

Vorgesellschaft: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung

Eine Vorgesellschaft ist die Organisationsform einer Kapitalgesellschaft in der Phase zwischen der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und der Eintragung in das Handelsregister. Sie dient als rechtliche Übergangsform, in der die künftige Gesellschaft bereits am Wirtschaftsleben teilnimmt, ohne dass der endgültige Status als eingetragene Kapitalgesellschaft schon erreicht ist. Die Vorgesellschaft tritt vor allem bei Gründungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften auf.

Entstehung und Phasen der Gründung

Beginn der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft entsteht mit der wirksamen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags. Ab diesem Zeitpunkt handelt sie als eigenständiger Rechtsträger, der auf die spätere Eintragung ausgerichtet ist.

Ende der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft endet mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Dieser Übergang erfolgt identitätswahrend: Aus der Vorgesellschaft wird die eingetragene Gesellschaft, die sämtliches Vermögen, Rechte und Pflichten fortführt.

Scheitern der Eintragung

Kommt die Eintragung dauerhaft nicht zustande, wird die Vorgesellschaft abgewickelt. Ihre Rechtsbeziehungen werden beendet und das Vermögen verteilt. Dabei sind Gläubigerinteressen zu berücksichtigen; verbleibende Fehlbeträge tragen die Gründer nach den Regeln über die interne Haftung für nicht aufgebrachte Einlagen.

Rechtsnatur und Rechtsfähigkeit

Die Vorgesellschaft ist rechtsfähig. Sie kann Verträge schließen, Eigentum erwerben, klagen und verklagt werden. In ihrem Vermögen sind die von den Gründern geleisteten Einlagen sowie bereits erwirtschaftete Werte gebunden. Nach der Eintragung gehen sämtliche Rechtsbeziehungen ohne Unterbrechung auf die eingetragene Gesellschaft über (Kontinuität der Identität).

Vertretung und interne Organisation

Vertretung nach außen

Die in der Gründungsurkunde bestellten Geschäftsleiter (etwa Geschäftsführer oder Vorstand) vertreten die Vorgesellschaft nach außen. Ihre Vertretungsmacht richtet sich nach den vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Strukturen und Beschränkungen, soweit diese Dritten gegenüber wirksam gemacht werden können.

Interne Entscheidungsfindung

Die Gesellschafter fassen Beschlüsse bereits in der Vorgesellschaft. Sie können etwa die Geschäftsleitung bestellen, Einlagen abrufen, Verträge genehmigen und organisatorische Weichenstellungen treffen. Diese Entscheidungen gelten nach der Eintragung fort, soweit sie mit dem Gesellschaftsstatut vereinbar sind.

Haftung in der Vorgesellschaft

Haftung der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft haftet für ihre Verbindlichkeiten mit ihrem eigenen Vermögen. Sie ist dabei vom Privatvermögen der Gründer getrennt.

Persönliche Haftung der Handelnden

Personen, die im Namen der künftigen Gesellschaft vor deren Eintragung tätig werden, haften für diese Verbindlichkeiten persönlich. Diese Haftung tritt neben die Haftung der Vorgesellschaft und dient dem Gläubigerschutz in der Gründungsphase.

Haftung der Gesellschafter für Einlagen

Die Gesellschafter haften im Innenverhältnis dafür, dass die übernommenen Einlagen vollständig und endgültig zur Verfügung der Vorgesellschaft stehen. Bis zur Eintragung besteht eine strenge Vermögensbindung; Einlagen dürfen nicht an Gründer zurückfließen. Reichen die eingebrachten Mittel zur Deckung der Verbindlichkeiten nicht aus, kommen Ausgleichspflichten der Gesellschafter in Betracht, soweit die Einlagen nicht ordnungsgemäß aufgebracht oder erhalten wurden.

Vermögen, Einlagen und Gründungskosten

Kapitalaufbringung und Vermögensbindung

Einlagen sind für die Vorgesellschaft bestimmt und an die Regeln der Kapitalaufbringung gebunden. Eine Rückgewähr an die Gesellschafter ist unzulässig. Die Mittel dürfen nur für Zwecke eingesetzt werden, die dem Gründungszweck und dem künftigen Geschäftsbetrieb dienen.

Sacheinlagen und Bewertungen

Werden Sacheinlagen vereinbart, müssen diese wirtschaftlich dem Gesellschaftsvermögen zufließen und den vorgesehenen Wert repräsentieren. Die tatsächliche Verfügbarkeit für die Vorgesellschaft muss sichergestellt sein.

Gründungsaufwand

Üblicher Gründungsaufwand kann von der Vorgesellschaft getragen werden, soweit er der Gründung zuzurechnen und der Höhe nach angemessen ist. Eine klare Zurechnung und Begrenzung dient der Transparenz gegenüber Gesellschaftern und Gläubigern.

Verträge der Vorgesellschaft und Übernahme nach Eintragung

Abschluss von Verträgen

Die Vorgesellschaft kann bereits Verträge schließen, Personal einstellen, Vermögensgegenstände erwerben und Leistungen erbringen. Diese Rechtsgeschäfte sind wirksam und binden die Vorgesellschaft.

Rechtsfolgen der Eintragung

Mit der Eintragung werden die Verträge der Vorgesellschaft automatisch der eingetragenen Gesellschaft zugeordnet. Die Identität bleibt erhalten; eine gesonderte Übernahme ist hierfür grundsätzlich nicht erforderlich.

Vorgründungsphase

Rechtsgeschäfte, die bereits vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags im Rahmen einer losen Gründervereinigung abgeschlossen wurden, sind der sogenannten Vorgründungssituation zuzuordnen. Diese Geschäfte werden nicht automatisch der Vorgesellschaft zugerechnet; sie bedürfen einer gesonderten Übernahme, damit sie die spätere Gesellschaft binden.

Firma und Auftreten im Geschäftsverkehr

Bis zur Eintragung soll erkennbar bleiben, dass die Gesellschaft noch in Gründung ist. Die Firma wird daher regelmäßig mit einem Zusatz wie „in Gründung“ oder „i. G.“ geführt. Diese Kennzeichnung erleichtert Dritten die Einschätzung des rechtlichen Status.

Rechnungslegung und Publizität

Die Vorgesellschaft unterliegt den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, sobald sie einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb aufnimmt. Nach der Eintragung werden die in der Vorgesellschaft begründeten Vermögenswerte und Verpflichtungen in der Rechnungslegung der eingetragenen Gesellschaft fortgeführt. Zeiträume der Vorgesellschaft können im ersten Jahresabschluss der eingetragenen Gesellschaft zusammengefasst dargestellt werden.

Steuerliche Einordnung in Grundzügen

Die Vorgesellschaft kann bereits als eigenständiges Steuersubjekt auftreten, sobald sie wirtschaftlich tätig wird. Sie kann insbesondere umsatzsteuerlich als Unternehmerin handeln und gewerbliche Tätigkeiten begründen. Ertragsteuerlich wird sie in der Regel wie die spätere Kapitalgesellschaft behandelt; der genaue Beginn der Steuerpflicht knüpft an die tatsächliche Aufnahme der werbenden Tätigkeit und den Charakter der Geschäfte an.

Beendigung ohne Eintragung und Abwicklung

Unterbleibt die Eintragung dauerhaft, ist die Vorgesellschaft zu liquidieren. Hierbei werden laufende Geschäfte beendet, Forderungen eingezogen, Verbindlichkeiten beglichen und das Restvermögen verteilt. Reicht das Vermögen nicht aus, sind die Gründer im Innenverhältnis verpflichtet, die vereinbarten Einlagen so zu erbringen, dass die Außenverbindlichkeiten erfüllt werden können.

Abgrenzung: Vorgründungssituation und Vorgesellschaft

Vorgründungssituation

Vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags liegt lediglich eine lose Gründervereinigung vor. Hier handelt es sich regelmäßig um eine rechtsfähige Personenzusammenschlussform mit persönlicher Haftung der Handelnden, wenn bereits ein Geschäftsbetrieb aufgenommen wird.

Vorgesellschaft

Nach Beurkundung beginnt die Vorgesellschaft als eigenständiger, auf die spätere Eintragung ausgerichteter Rechtsträger. Die Haftungs- und Vermögensordnung orientiert sich bereits am Modell der künftigen Kapitalgesellschaft; spezielle Schutzmechanismen (Vermögensbindung, Handelndenhaftung) sichern Gläubigerinteressen bis zur Eintragung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Vorgesellschaft

Was ist eine Vorgesellschaft?

Die Vorgesellschaft ist die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft in der Phase zwischen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und Handelsregistereintragung. Sie ist rechtsfähig, kann Verträge schließen und wird nach Eintragung identitätswahrend zur eingetragenen Gesellschaft.

Wann entsteht und wann endet die Vorgesellschaft?

Sie entsteht mit der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und endet mit der Eintragung im Handelsregister. Misslingt die Eintragung endgültig, wird die Vorgesellschaft abgewickelt.

Wer haftet in der Vorgesellschaft?

Die Vorgesellschaft haftet mit ihrem Vermögen. Zusätzlich haften diejenigen persönlich, die vor Eintragung im Namen der Gesellschaft handeln. Gesellschafter haften im Innenverhältnis für die vollständige und endgültige Aufbringung ihrer Einlagen.

Darf die Vorgesellschaft schon Geschäfte tätigen?

Ja. Die Vorgesellschaft kann bereits wirtschaftlich tätig werden, Verträge schließen, Personal einstellen und Vermögensgegenstände erwerben. Mit der Eintragung werden diese Rechtsbeziehungen automatisch von der eingetragenen Gesellschaft fortgeführt.

Wie werden Verträge aus der Vorgründungsphase behandelt?

Verträge, die vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags abgeschlossen wurden, sind der Vorgründungssituation zuzuordnen. Sie gehen nicht automatisch auf die Vorgesellschaft über und bedürfen für eine Bindung der späteren Gesellschaft einer gesonderten Übernahme.

Wie ist die steuerliche Stellung der Vorgesellschaft?

Sobald die Vorgesellschaft wirtschaftlich tätig wird, kann sie steuerlich als eigenes Steuersubjekt auftreten. Dies betrifft insbesondere die Umsatzsteuer und, bei gewerblicher Tätigkeit, die Ertragsteuern. Die Einzelheiten knüpfen an Beginn und Art der Tätigkeit an.

Was geschieht, wenn die Eintragung scheitert?

Kommt die Eintragung nicht zustande, wird die Vorgesellschaft liquidiert. Laufende Geschäfte werden abgewickelt, Verbindlichkeiten beglichen und das Vermögen verteilt. Fehlbeträge sind im Innenverhältnis durch die Gründer auszugleichen, soweit Einlagen nicht ordnungsgemäß aufgebracht wurden.