Legal Lexikon

Vorgesellschaft


Entstehung und Begriff der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft bezeichnet im deutschen Gesellschaftsrecht die Zwischenphase zwischen der formellen Errichtung einer Gesellschaft (insbesondere bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder der Aktiengesellschaft) und deren Eintragung in das Handelsregister. In dieser Zeit befindet sich die Gesellschaft rechtlich betrachtet in einem Schwebezustand: Sie ist bereits gegründet, jedoch noch nicht rechtskräftig als juristische Person existent. Die Vorgesellschaft nimmt insoweit eine Sonderstellung zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der eingetragenen Gesellschaft ein.

Abgrenzung zu Vorgründungsgesellschaft und eingetragener Gesellschaft

Die Vorgründungsgesellschaft existiert bereits mit der Absicht zur Gründung einer Kapitalgesellschaft und ist meistens eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine offene Handelsgesellschaft (OHG) – abhängig vom konkreten Tätigkeitsfeld und der verfolgten Zwecke. Mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags entsteht die Vorgesellschaft. Die eigentliche Kapitalgesellschaft entsteht aber erst mit der Handelsregistereintragung.

Die eingetragene Gesellschaft (z. B. GmbH, AG) erlangt ihre volle Rechtsfähigkeit erst mit der Eintragung. Während der Phase der Vorgesellschaft bestehen bereits bestimmte Rechte und Pflichten, aber die Vorgesellschaft ist noch nicht mit der eingetragenen Gesellschaft identisch.

Rechtsnatur und Rechtsfähigkeit der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft ist in ihrer Rechtsnatur eine eigenständige Personenvereinigung mit teilweiser Rechtsfähigkeit. Sie kann im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abschließen, klagen und verklagt werden. Die Rechtsprechung hat der Vorgesellschaft eine sogenannte Teilrechtsfähigkeit zugesprochen, sodass sie insbesondere das zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs notwendige Vermögen halten und verwalten kann.

Haftung in der Vorgesellschaft

Haftung der Gesellschafter

Für die während der Vorgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten haften die Gesellschafter persönlich und gesamtschuldnerisch. Das bedeutet, jeder Gesellschafter kann für die gesamten Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden. Die Haftung ist nach herrschender Meinung auf das Gründungsstadium begrenzt – mit Eintragung der Gesellschaft geht die Haftung auf die Gesellschaft selbst über. Nach § 11 Abs. 2 GmbHG haften die Handelnden bis zur Eintragung persönlich und unbeschränkt, sofern sie im Namen der noch nicht existenten Gesellschaft handeln.

Haftung der Vorgesellschaft

Die Vorgesellschaft selbst kann im Rechtsverkehr als eigenständige Rechtsperson auftreten. Sie haftet mit ihrem bereits gebildeten und zugeführten Vermögen. Forderungen, die gegenüber der Vorgesellschaft entstehen, können auf die eingetragene Gesellschaft übergehen, sobald diese ins Handelsregister eingetragen ist.

Handelndenhaftung

Neben der Gesellschafterhaftung besteht die sogenannte Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG und § 41 AktG: Personen, die im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft Rechtsgeschäfte tätigen, haften für diese Geschäfte persönlich.

Abgrenzung zum Fehlerhaften Gesellschaftsverhältnis

Kommt eine Handelsregistereintragung aufgrund eines Mangels nicht zustande, stellt sich die Frage nach der Rückabwicklung der Gesellschaft („Fehlerhafte Gesellschaft“). In der Vorgesellschaft besteht in diesem Fall grundsätzlich ein Rückabwicklungsverhältnis nach den Regeln des Gesellschaftsrechts unter Berücksichtigung, dass bereits in das Gesellschaftsvermögen eingebrachte Einlagen zurückzugewähren sind.

Vermögensordnung und Geschäftsführung während der Vorgesellschaft

Während der Phase der Vorgesellschaft wird das festgelegte Stammkapital bzw. Grundkapital einbezahlt und als Gesellschaftsvermögen behandelt. Die Gesellschafter sind verpflichtet, das im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Kapital einzuzahlen. Die Geschäftsführung liegt bis zur Eintragung überwiegend bei den im Gesellschaftsvertrag benannten Geschäftsführern. Diese sind zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Verwaltung des Vermögens der Vorgesellschaft verpflichtet.

Kapitalaufbringung und Verwendung

Das zur Vorgesellschaft zugeführte Kapital darf ausschließlich für den Gesellschaftszweck verwendet werden, der im Gesellschaftsvertrag niedergelegt ist. Jegliche Entnahmen oder Auszahlungen an Gesellschafter vor der Eintragung sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig und zu dokumentieren. Andernfalls kann eine Rückforderungsverpflichtung bestehen.

Übergang zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaft (AG)

Die für die GmbH und die Aktiengesellschaft geltenden gesetzlichen Grundlagen finden weitgehend auch auf die Vorgesellschaft Anwendung, insbesondere hinsichtlich der Kapitalaufbringung, Verwendung der Einlagen und Haftung. Die Handelsregistereintragung beendet die Phase der Vorgesellschaft und lässt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (bzw. Aktiengesellschaft) als vollwertige juristische Person entstehen. Die während der Vorgesellschaft begründeten Rechte und Pflichten gehen im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge auf die eingetragene Gesellschaft über.

Beendigung und Auflösung der Vorgesellschaft

Mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister endet die Existenz der Vorgesellschaft automatisch und ohne weiteren Rechtshandlung. Kommt es jedoch nicht zur Eintragung, weil beispielsweise ein Formfehler vorliegen sollte oder die Anmeldung zurückgenommen wird, gilt es, die Vorgesellschaft abzuwickeln. Dabei sind die vermögensrechtlichen Folgen nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln. Forderungen und Verbindlichkeiten werden zwischen den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsverhältnisse reguliert.

Bedeutung in der Praxis und Rechtsprechung

Die Vorgesellschaft hat in der wirtschaftlichen Praxis eine maßgebliche Bedeutung, insbesondere weil bereits nach der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags häufig erste Verträge abgeschlossen und Geschäftstätigkeiten vorbereitet werden. Die Rechtsprechung – namentlich der Bundesgerichtshof – hat die Teilrechtsfähigkeit und die Haftungsverhältnisse der Vorgesellschaft in zahlreichen Urteilen präzisiert und gefestigt, was Klarheit für die Unternehmensgründung und den Rechtsverkehr schafft.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • § 11 GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
  • § 41 AktG (Aktiengesetz)
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Teilrechtsfähigkeit der Vorgesellschaft

Fazit

Die Vorgesellschaft ist ein bedeutender Begriff des deutschen Gesellschaftsrechts und beschreibt die rechtliche Übergangsphase zwischen der Gründung und der vollständigen Entstehung einer Kapitalgesellschaft. Sie ist durch besondere Haftungs- und Vermögensregelungen charakterisiert, die das unternehmerische Risiko während dieser Phase konkretisieren. Ein sorgfältiger Umgang mit den rechtlichen Anforderungen der Vorgesellschaft ist unerlässlich, um reibungslose Gründungsvorgänge und spätere Haftungsfragen zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtswirkungen entfaltet die Vorgesellschaft im deutschen Gesellschaftsrecht?

Die Vorgesellschaft („Vorgründungsgesellschaft“) entfaltet im deutschen Gesellschaftsrecht eine spezifische Rechtsstellung, die zwischen der formlosen Vorgründungsgesellschaft (GbR oder OHG) und der endgültigen, im Handelsregister eingetragenen Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH, AG) anzusiedeln ist. Sie entsteht unmittelbar mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und dauert bis zur Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister. In dieser Phase besitzt die Vorgesellschaft eingeschränkte Rechtsfähigkeit, das heißt, sie kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein, klagen und verklagt werden. Allerdings haftet sie nicht isoliert, sondern die Handelnden sowie die Gesellschafter haften persönlich und gesamtschuldnerisch für sämtliche während dieser Zeit begründeten Verbindlichkeiten. Verträge, die im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft geschlossen werden, binden zunächst die Vorgesellschaft und nachträglich die eingetragene Gesellschaft, sofern die Eintragung erfolgt. Bei einem Scheitern der Registrierung haften die Gesellschafter fortdauernd für die eingegangenen Verpflichtungen. Während der Vorgesellschaftsphase sind bereits Vorgaben der späteren Gesellschaftsform, wie etwa die Kapitalaufbringung, zu beachten; Verstöße können haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Wie ist die Vertretungsbefugnis im Rahmen der Vorgesellschaft geregelt?

In der Vorgesellschaft gelten die Vertretungsregeln, die im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sind. Grundsätzlich werden die zukünftigen Geschäftsführer (bei der GmbH) oder Vorstandsmitglieder (bei der AG), sofern sie bereits im Gründungsvertrag festgelegt sind, als Vertreter tätig. Fehlen ausdrückliche Bestimmungen, erfolgt die Vertretung nach den allgemeinen Vorschriften des BGB für Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder des HGB bei Handelsgesellschaften. Die Vertretungsbefugnis bezieht sich jedoch auf Geschäfte, die im Gründungsinteresse stehen und zur Vorbereitung der Eintragung dienen. Überschreiten die Handelnden den ihnen zugewiesenen Rahmen, haften sie persönlich nach § 11 Abs. 2 GmbHG („Handelndenhaftung“). Die im Namen der künftigen Gesellschaft vorgenommenen Handlungen werden bei Eintragung grundsätzlich übernommen, können aber bei Überschreitung der Befugnisse oder Missbrauch zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschafter führen.

Wer haftet für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft und wie gestaltet sich die Anspruchsdurchsetzung?

Für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft haften grundsätzlich alle Gesellschafter persönlich, gesamtschuldnerisch und unbeschränkt. Parallel dazu greift die sogenannte Handelndenhaftung (§ 11 Abs. 2 GmbHG), welche die Personen erfasst, die im Namen der noch nicht existenten Gesellschaft Rechtsgeschäfte vornehmen. Nach Eintragung gehen die Rechte und Pflichten in der Regel auf die Gesellschaft über, allerdings bleiben die Gründungsgesellschafter für während der Vorgesellschaftsphase begründete Verbindlichkeiten in der Haftung, falls das eingezahlte Stammkapital nicht zur Begleichung der Schulden ausreicht. Die Anspruchsdurchsetzung gegen die Vorgesellschaft oder deren Gesellschafter erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts – Gläubiger können wahlweise die Vorgesellschaft gerichtlich in Anspruch nehmen oder direkt die Gesellschafter als Gesamtschuldner verklagen.

Welche Bedeutung hat das Stammkapital bei der Vorgesellschaft?

Das Stammkapital erfüllt bereits in der Phase der Vorgesellschaft eine zentrale Sicherungsfunktion für Gläubiger. Bis zur Eintragung der Gesellschaft muss das Kapital im Sinne der §§ 7, 8 GmbHG oder analoger Vorschriften bei anderen Gesellschaftsformen ordnungsgemäß aufgebracht und zur freien Verfügung der Geschäftsführer bereitgestellt werden. Jede Verpflichtung der Vorgesellschaft, die zu einer Minderung, Einschränkung oder Gefährdung der Kapitalaufbringung führt (sog. Unterbilanzhaftung), kann nachträglich für die Gesellschafter zu einer Haftung für die Differenz führen. Einzahlungen und Verfügungen dürfen nur im Rahmen des tatsächlichen Gründungszwecks erfolgen, andernfalls liegt eine verbotene Rückzahlung des Stammkapitals vor, die Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter oder Geschäftsführer zur Folge hat.

Können bereits während der Vorgesellschaft Arbeitsverhältnisse begründet werden?

Grundsätzlich können während der Vorgesellschaft Arbeitsverhältnisse begründet und andere Vertragsverhältnisse eingegangen werden. Die Verträge werden jedoch zunächst mit der Vorgesellschaft geschlossen. Die Gesellschafter und eventuell die Handelnden haften nach den gültigen Vorschriften auch für arbeitsrechtliche Verpflichtungen, zum Beispiel auf Zahlung von Löhnen oder Sozialversicherungsbeiträgen. Mit der Eintragung der Gesellschaft gehen bestehende Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten gemäß § 613a BGB automatisch auf die neue, vollrechtsfähige Gesellschaft über. Eine Besonderheit ist die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften und sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichten – diese müssen bereits von der Vorgesellschaft und ihren Vertretern beachtet werden.

Was passiert mit den während der Vorgesellschaft geschlossenen Verträgen nach Eintragung ins Handelsregister?

Mit Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (Wirksamwerden der GmbH gemäß § 11 Abs. 1 GmbHG bzw. Errichtung der AG) werden alle im Namen der Vorgesellschaft geschlossenen Verträge und eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich zu Verbindlichkeiten der neu entstandenen Gesellschaft. Die neue Gesellschaft tritt als Gesamtrechtsnachfolger in sämtliche Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft ein. Allerdings besteht eine Nachhaftung der Gründungsgesellschafter sowie der Handelnden für eventuelle Fehlbeträge bis zur Höhe des Stammkapitals fort. Verträge, die nicht im Rahmen des vorgesehenen Gesellschaftszwecks oder in sittenwidriger Weise abgeschlossen wurden, können von der Gesellschaft nachträglich angefochten werden.

Wie wirkt sich ein Scheitern der Eintragung ins Handelsregister auf die Vorgesellschaft aus?

Kommt es nicht zur Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister, bleibt es bei der Vorgesellschaft als BGB-Gesellschaft oder OHG, sofern ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb vorliegt. In diesem Fall haften die Gesellschafter weiterhin persönlich und unbeschränkt für alle bis dahin im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen. Die Gesellschaft kann – je nach Vereinbarung – aufgelöst werden, wobei die gesetzlichen Regelungen zu Liquidation und Auseinandersetzung einer Gesellschaft Anwendung finden. Eine Rückabwicklung der in Erwartung der Eintragung bereits vorgenommenen Geschäfte ist in der Regel nur unter den Voraussetzungen des Rücktritts- oder Anfechtungsrechts möglich. Gläubiger müssen ihre Forderungen wie gegen eine normale Personen- beziehungsweise Gesamthandsgesellschaft durchsetzen.